"Heimat Dein Schmutz, Schmutz Deine Heimat"
Eine Dauerperformance von Barbara Ungepflegt
9. September bis 27. November 2019
Litfaßsäule Keplerplatz / Ecke Keplergasse, Wien.
80 Tage in der Litfaßsäule für den "Heimatschmutz"
07:06 Minuten
Die Aktionskünstlerin Barbara Ungepflegt hat sich zur Ministerin für Heimatschmutz ernannt und nun in Wien ihr Ministerium bezogen: eine gläsernen Litfaßsäule. 80 Tage lang will sie dort Sprechstunden und Pressekonferenzen abhalten.
Die Performance-Künstlerin Barbera Kremser, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Barbara Ungepflegt, hat als österreichische "Bundesministerin für Heimatschmutz und internationale Affären" ihr Wiener Ministerium eröffnet: eine gläserne Litfaßsäule.
Die zweigeschössige Litfaßsäule mit einer Wendeltreppe im Inneren sei nicht sehr geräumig, aber vollgestopft mit viel Nippes, sagt Kritiker Martin Thomas Pesl über die Aktion, die feierlich mit Blasmusik und politischen Reden begangen wurde. Die Künstlerin habe häßliche Tassen, einen Fernseher, Helligenbilder und Fotos der Ministerin angehäuft.
Ständige Irritation
"Mir passiert es ja oft, dass ich bei Politikerreden schnell weghöre", sagt Pesl. "Das scheint hier auch so, aber wenn man da genau hinhört, sagt sie plötzlich so was wie 'Heimattreue braucht Netzbeschmutzung' und nimmt damit gerade Persönlichkeiten wie Thomas Bernhard oder Elfriede Jelinek in Schutz, die die FPÖ nicht nur vor 30 Jahren am liebsten davon gejagt hätte", so Pesl, "Man gerät ständig in eine Irritation hinein, dass man nicht weiß: Wofür steht diese Ministerin? Was will sie uns eigentlich sagen? Und eigentlich, stellt man dann fest, sie ist eine von den Guten."
Die Eröffnung sei vor allem etwas für "satirische Feinspitzen" gewesen, so Pesl. "Die hat Spaß gemacht." Es seien einige Künstlerfreunde gekommen und Leute aus der Szene, die der Aktion Applaus spenden wollten. "Aber in Wahrheit glaube ich, jetzt wird es erst richtig interessant." Die Ministerin werde nun noch 80 Tage Audienzen abhalten und das in einer Gegend von Wien, in der Kunstaktionen nicht ganz so selbstverständlich seien.
Zur Wahl des Bezirks sagt die Künstlerin: "Für mich ist es hier insofern spannend, weil es hier eine sehr durchmischte Bevölkerung gibt, sehr viele Arbeiter oder Menschen, die in sehr prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind und auch auf kleinstem Raum, so wie ich hier in dieser Litfaßsäule, wohnen müssen." Außerdem habe die FPÖ gleich in der Nähe am Viktor-Adler-Markt ihren Wahlsieg vorbereitet.
Erste Reaktionen
Wie die Performance, die den Titel "Heimat Dein Schmutz, Schmutz Deine Heimat" trägt, bei Passanten ankommt, findet Pesl noch schwer abzuschätzen: "Sie ist sehr überzeugt, ich auch, dass die meisten erst mal 'Heimatschutz-Ministerium' lesen. Dann stellen sie fest, es ist 'Heimatschmutz' und dann dämmert den einen vielleicht, dass es sich um Satire handelt, die anderen werden ganz wütend – das wird man im Laufe dieser nächsten 80 Tage sehen."
Gleich am ersten Tag habe er aber bereits über ein paar Reaktionen geschmunzelt. So habe eine Passantin geflüstert: "Ist das eine Aktion der KPÖ?" Die Kommunistische Partei gebe es in Österreich noch, wenbn auch unter ferner liefen. Die Frau habe offenbar verstanden, dass es Satire sei, aber geglaubt, es handele sich um die Aktion einer politischen Partei. Ein kleiner Junge mit Migrationshintergrund habe die Künstlerin im Vorbeigehen gefragt: "Bist Du die Chefin hier von dem Land?" Sie habe dann geantwortet: "Naja noch nicht ganz." Die Antwort des Jungen: "Ich wähl Dich, ich wähl Dich."
(nho/gem)