Ein Holocaust-Opfer, das keines war
Rosemarie Koczys Bilder und Skulpturen spiegeln den Schrecken des Holocausts wieder. Sie selbst sagte von sich, jüdischer Abstammung und im Konzentrationslager gewesen zu sein. Ihre Heimatstadt Recklinghausen machte nun eine überraschende Entdeckung.
Anders als Rosemarie Koczy in ihrer Biographie angibt, ist sie nicht jüdischer Abstammung und war auch als Kind nicht im Konzentrationslager Traunstein, einer Außenstelle des KZ Dachau. Stadt und Kunsthalle Recklinghausen haben den Schwindel aufgedeckt. Stadtarchivar Matthias Kordes:
"Wir haben anhand von Standesamtsregistern und Einwohnermeldekarteien einhellig den Befund erzielen können, dass ihre gesamte Familie, Eltern, Großeltern väterlicher und mütterlicherseits römisch-katholisch waren, dass Rosemarie Koczy selbst und aber auch ihre Familie nicht jüdisch waren."
Rosemarie Koczy wurde 1939 in Recklinghausen geboren und starb 2007 in New York. Ihre Lebensgeschichte hat sie selbst seit Mitte der 90er Jahre bis zu ihrem Tod verfasst. Darin berichtet sie auch vom traumatischen Aufenthalt als Kind im Konzentrationslager. Der Historiker und Dezernent der Stadt Recklinghausen, Georg Möllers, schöpfte den ersten Verdacht:
"Eigentlich ging es nur darum, sie in unser Opferbuch aufzunehmen und dazu Informationen zu sammeln. Das erste Problem war, dass der Name Koczy und auch der Name ihrer Mutter, Wüsthoff in keiner der bekannten Listen jüdischer Familien auftaucht. Insofern gab es da eine Schwierigkeit. Dann haben wir mit intensiven Recherchen begonnen, die dann zu dem Ergebnis geführt haben, das wir nicht erwartet haben."
Koczy wollte Holocaust-Opfern Würde wiedergeben
Rosemarie Koczy muss wohl schwierige Kinderjahre in einer zerrütteten Familie erlebt haben. Zeitweilig war sie in einem Kinderheim im Münsterland untergebracht. Die Künstlerin hatte der Kunsthalle ihrer Geburtsstadt nach ihrem Tod 2007 einen Großteil ihrer Arbeiten vermacht. Gewundene Körper in drangvoller Enge, große leere Augen, kahle Schädel, geben in ihren Zeichnungen, aber auch in Holzskulpturen und Ölbildern Schrecken und Greuel der Nazizeit wieder.
"Ich webe euch ein Leichentuch" hat sie ihre unermüdliche, fast besessene Arbeit genannt. Mit dem Bezug auf das jüdische Bestattungsritual wollte sie den unzähligen Holocaust-Opfern ihre Würde wiedergeben. Der Kunsthistoriker Ferdinand Ullrich hat lange Jahre die Kunsthalle Recklinghausen geleitet und Rosemarie Koczy in Amerika persönlich kennengelernt. Für ihn zählt das Werk unabhängig von der Künstlerbiographie:
"Ich halte das Werk von Rosemary Koczy für sehr bemerkenswert und bedeutend in ihrem Bereich und das gilt auch, wenn es in der Biographie viele Fehlinformationen gibt. Ich glaube, das spielt gar nicht so eine große Rolle. Das Werk ist das Werk."
"Ich halte das Werk von Rosemary Koczy für sehr bemerkenswert und bedeutend in ihrem Bereich und das gilt auch, wenn es in der Biographie viele Fehlinformationen gibt. Ich glaube, das spielt gar nicht so eine große Rolle. Das Werk ist das Werk."
Werke im Guggenheim und in Yad Vashem ausgestellt
Und das ist von vielen geschätzt. Die Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen in Deutschland, der Schweiz, den USA und Japan gezeigt. Sie sind im Guggenheim Museum, New York vertreten, in der Peggy Guggenheim Collection, Venedig. Auch die Gedenkstätten Buchenwald und Yad Vashem in Jerusalem besitzen Arbeiten der Künstlerin, die keine Jüdin war. Ferdinand Ullrich:
"Ich finde nicht, das jemand, der das Werk von Rosemarie Koczy wertschätzt, sich betrogen fühlen könnte. Das ist nicht der Fall. Das Werk ist ja so intensiv wie es uns vor Augen steht.
Ein Symposium am 8.November soll die Entdeckung des gefälschten Lebenslaufs der Künstlerin Rosemarie Koczy erstmals thematisieren und einordnen.
Informationen zur Ausstellung finden Sie auf der Website der Kunsthalle Recklinghausen.