#MeToo ist kein westliches Phänomen – auch überall auf dem afrikanischen Kontinent brechen Frauen ihr Schweigen und beginnen, öffentlich über sexuelle und häusliche Gewalt zu sprechen. In Nigeria berichteten Frauen in sozialen Medien über Übergriffe durch evangelikale Priester. In Südafrika protestierten tausende gegen den "Femizid" im Land. Auch im dünnbesiedelten Nachbarland Namibia hat sich eine #MeToo-Bewegung formiert. Die zunehmende Gewalt gegen Frauen ist dort momentan auch Wahlkampfthema, an diesem Mittwoch werden Parlament und Präsident gewählt. Zwar sind die Erfolgsaussichten von Utjiua Muinjangue, der ersten Präsidentschaftskandidatin in der Geschichte Namibias, gering. Aber allein die Tatsache, dass eine Frau kandidiere, sei ein Fortschritt, sagt die Künstlerin Tuli Mekondjo. Ihr Werk ist eine Hommage an namibische Frauen und ein Appell gegen die Gewalt.
"Wir befinden uns in einem Kampf"
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Die namibische Künstlerin Tuli Mekondjo macht sich für Frauenrechte in ihrem Heimatland stark. Gewalt gegen Frauen ist für sie auch Ausdruck von verdrängten Traumata. Krieg, Kolonialismus, Unterdrückung: Kunst, sagt sie, kann bei der Aufarbeitung helfen.
Eine Mutter trägt ihr Baby auf dem Rücken und Feuerholz auf dem Kopf. Frauen wie sie sind in Namibia allgegenwärtig – und würden doch oft übersehen, sagt Tuli Mekondjo, während sie ihr neues Werk betrachtet.
Frauen sind das Rückgrat der Gesellschaft
"Ich habe die Mutter auf diesem Bild dort draußen am Flussbett getroffen. Sie war an diesem Morgen den weiten Weg von der anderen Seite der Stadt gekommen, um nach Feuerholz zu suchen. Hier in Namibia, wie überall in Afrika, sind es die Frauen, die die schwere Arbeit leisten. Anerkennung bekommen sie dafür kaum. Dabei sind sie das Rückgrat der Gesellschaft."
Fotos von Frauen sind teils deutlich zu erkennen, teils nur zu erahnen. Die Leinwand aus mehreren Stücken zusammengenäht. Die Nähte sichtbar, wie Narben. Die Farben meist gedämpft, teils schimmernd. Die Textur uneben, wie Leder.
"Die Textur, all diese hellen, erhabenen Punkte sind Spuren von Mahangu. Das ist ein Grundnahrungsmittel hier in Namibia. Hirse, die in den meisten Dörfern angebaut, zu Mehl gemahlen und zu einer Art Porridge verarbeitet wird. Ich stelle damit einen Bezug zu meinen Wurzeln her, dem Ovambo-Mädchen aus dem ländlichen Norden. Und ich würdige damit meine Vorfahrinnen, die seit vielen Generationen auf den Feldern gearbeitet haben."
Als Mädchen hat sie ihrer Mutter auf dem Feld geholfen, so wie es der traditionellen Frauenrolle entspricht. Geboren wurde die Künstlerin jedoch nicht in einem Dorf, sondern einem Flüchtlingscamp während des Unabhängigkeitskrieges in ihrer Heimat. Dort erhielt sie auch ihren Namen.
"Tuli Mekondjo bedeutet 'Wir befinden uns im Kampf.' Es hat Tradition, dass wir nach Ereignissen benannt werden, die die Zeit der Geburt prägen. Und damals herrschte Krieg in Namibia. Der Name hat mich geprägt. Mein Leben ist ein Kampf, wenn auch mittlerweile nicht mehr ein physischer, sondern eher einer, der im Kopf beginnt."
Vielschichtige Symbolsprache
Die 37-Jährige widmet ihre künstlerische Arbeit vor allem dem Kampf für Gleichberechtigung, gegen die Unterdrückung und Gewalt gegen Frauen. Sie prangert diese Übel nicht drastisch an, sondern wählt stattdessen eine vielschichtige Symbolsprache; malt beispielsweise Schleier über die Gesichter der Frauen.
"Wir Frauen sind zwar ein Teil der Gesellschaft, aber wir werden nicht richtig wahrgenommen. Ein unsichtbarer Schleier verbirgt unser Gesicht, unsere Stärke und Weisheit. Er ist ein Symbol dafür, was uns diese patriarchale Gesellschaft antut. Der Schleier steht aber auch für Tod und Unterdrückung. Die Gewalt gegen Frauen nimmt hier in Namibia zu. Viele haben schon Angst, zu einem Date zu gehen. Frauen, die sich von einem gewalttätigen Partner trennen wollen, werden ermordet. Fast jede Woche lesen wir in der Zeitung, dass eine Frau von ihrem Liebhaber oder Ehemann umgebracht wurde."
Patriarchale Strukturen und die Frustration über die gegenwärtige Krise im Land – den Mangel an Arbeitsplätzen und Perspektiven, die Armut und Korruption – sind nicht die einzigen Ursachen der Gewalt. Lange war sie ein Tabu, ebenso wie die Traumata der Vergangenheit.
"Die Leute kehren all das unter den Teppich oder die Matte in ihrer Hütte. Sie sprechen nicht darüber, weil es für sie zu schmerzhaft ist. So wie das Trauma des Krieges, das auch meine Familie durchgemacht hat, die Gewalt während der Apartheid oder der deutschen Kolonialzeit. Das alles belastet uns seit Generationen, zusätzlich zu den Problemen der Gegenwart. Und weil wir alles verdrängen, drücken sich diese Gefühle unter anderem in Gewalt gegen Frauen aus. Wir sind keine Nation, die über ihre Traumata spricht. Das muss sich ändern. Wir müssen an den Kern gelangen."
Die namibische Kunstszene ist klein
Kunst könne bei diesem Prozess helfen, sagt die Künstlerin. Die namibische Kunstszene sei zwar klein, die Ausstellungsoptionen begrenzt und damit auch die Möglichkeiten, ein breites Publikum zu erreichen, aber:
"Hier in der Hauptstadt Windhoek gibt es eine kleine Gruppe von Künstlern, Aktivisten und Intellektuellen, die hart daran arbeiten, dass die Gewalt gegen Frauen mehr Aufmerksamkeit bekommt. Dass der Druck auf die Regierung gesteigert wird und ein gesellschaftlicher Dialog in Gang kommt. Darüber bin ich sehr dankbar. Und ich glaube, dass eine Veränderung ganz langsam in Sicht ist."