Subtile und kraftvolle Kampfansagen
Bei der Cape Town Art Fair in Kapstadt zeigt eine Sonderausstellung Werke von Künstlerinnen aus unterschiedlichen Teilen Afrikas. Sie beleuchten die sozio-politischen Herausforderungen des Kontinents und die Rolle der Frauen in afrikanischen Gesellschaften - erfrischend frei von Klischees.
Lhola Amira ruft die Erinnerung wach. In ihrer Video-Installation "Sinking" sticht die südafrikanische Künstlerin mit einer Gruppe von Frauen in einem Fischerboot vor Kapstadt in See. Dorthin, wo im Jahr 1917 ein Schiff mit ihren Landsleuten gesunken ist. Arbeiter, die den Alliierten an der Front zur Hand gehen sollten.
Es ist ein bewegendes Kunstwerk historischer Aufarbeitung. Und es wirft aktuelle Fragen auf, sagt Kuratorin Nontobeko Ntombela.
"Die Künstlerin spricht auch die politische Dimension im Bezug auf dunkelhäutige Körper an, die in der Geschichte wie Objekte behandelt wurden. Auch heute werden sie immer noch nicht als gleichwertig angesehen. In ihrer Installation antwortet sie mit ihrem eigenen Körper und stellt damit auch die stereotypen Darstellungen in Frage."
Das Wort "Vagina" ist ein Tabu
Der stereotype Blick auf den weiblichen Körper und die damit verbundenen gesellschaftlichen Normen beschäftigen auch die ugandische Künstlerin Stacey Gillian Abe. In ihrer Fotoserie zur gleichnamigen Performance "Seat of Honour" nimmt sie auf einer Art Thron Platz, der über und über mit Vaginas bedeckt ist.
"In der Arbeit geht es um eine innere Stärke und eine Resilienz gegenüber der gesellschaftlichen Doppelmoral. Ich stamme aus einer traditionellen Gesellschaft, in der es schon tabu ist, das Wort Vagina überhaupt auszusprechen. Anderseits fühle ich mich von Männern regelmäßig wie ein Objekt behandelt. Der Thron ist ein Symbol dafür, dass ich meine Position als Frau einnehme. Dabei trage ich ein traditionelles Hochzeitskleid. Denn in Uganda werden unverheiratete oder kinderlose Frauen nicht respektiert. Ich stelle ein Dilemma dar, in dem ich selbst stecke. Meine Arbeit als Künstlerin steht im Widerspruch zu den Vorstellungen meiner Familie und der Gesellschaft. Es ist eine komplexe, schwierige Situation."
Gefährliches Neuland
Es ist ein sehr persönliches und mutiges Werk, denn vor dem Hintergrund des umstrittenen Pornografie-Gesetzes in Uganda könnte ihr sogar eine Gefängnisstrafe drohen. Die Gefahr, unter der viele Künstlerinnen arbeiten, das Neuland, das sie oft betreten, klingt im Untertitel der Sonderausstellung an: "From No Fixed Place". Für die Kuratorin Nontobeko Ntombela geht es dabei auch um Fragen der Identität.
"Es beginnt mit der These, dass das Kunstwerk eine Erweiterung der Künstlerin ist. Das wirft die Fragen auf, wie sich die Künstler mit diesem erweiterten Selbst auseinandersetzen. Und inwiefern wir diese Elemente erkennen. Denn manchmal nehmen sie abstrakte Formen an. Es läuft darauf hinaus, dass die Kunst selbst für die Künstler eine Form der Identität ist."
Die Kuratorin zeigt in ihrer Show etwa auch Werke der südafrikanischen Künstlerin Ingrid Bolton, die auf den ersten Blick aus dem Rahmen zu fallen scheinen. Statt mit ihrem Körper arbeitet sie mit durchgeschnittenen Kupferkabeln. Es sind anmutige, bunte Installationen, die mal wie Blüten, mal wie Zellstrukturen wirken.
"Mit gefällt es, mit stereotypen Vorstellungen zu brechen. Man könnte meine Arbeit maskulin nennen, weil sie mechanisches Geschick erfordert. Gleichzeitig wirken einige Querschnitte wie Schmuckstücke. Was man ihnen nicht ansieht ist, wie brutal diese Kabel hier in Südafrika von Kupferdieben aus dem Boden gerissen werden. Züge können dann nicht mehr fahren, Telefonleitungen sind tot, Verbindungen zwischen Menschen werden unterbrochen. Dieser Widerspruch zur äußerlichen Schönheit meiner Werke fasziniert mich."
Nicht immer müssen es nur Frauenthemen sein
Im Kontext der Sonderausstellung von Künstlerinnen wecken diese Arbeiten natürlich auch andere Assoziationen: Von einem hübschen Äußeren und inneren Werten, von Brutalität und Vergewaltigung, von Kontakten, die zerstört werden. Doch natürlich müssten sich nicht alle Werke von Künstlerinnen auch um Frauenthemen drehen, betont Kuratorin Nontobeko Ntombela, die eine Ausstellung nur für Frauen anfangs eher problematisch fand.
"Es ist insofern eine feministische Sicht, weil wir zeigen, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben, um uns von diesen Stereotypen zu lösen. Wir müssen an einen Punkt kommen, wo Künstlerinnen einfach ein Teil der Kunstwelt sind, ohne dass wir sie als etwas Außergewöhnliches darstellen. Die Arbeit von Künstlern, unabhängig vom Geschlecht, sollte das Außergewöhnliche sein."
Ntombelas Sonderstellung "Solo" ist insofern gleich auf mehreren Ebenen eine ebenso subtile wie kraftvolle Kampfansage gegen Klischees. Ein erfrischend kritischer Beitrag im Kontext einer eher konventionellen Kunstmesse. Und fraglos das Highlight des diesjährigen "Cape Town Art Fair".