Erstmals und umfassend präsentiert die Ausstellung mit dem Titel »Hosen haben Röcke an« originale Materialien und Kostüme der Künstlerinnengruppe Erfurt aus den Archiven der Akteurinnen.
Vom 27.11.21 bis 30.01.22 in der nGbK / neue Gesellschaft für bildende Kunst in Berlin.
Reichtum an Weiblichkeit
10:55 Minuten
In der DDR war Gabriele Stötzer Repressalien ausgesetzt. Ihre Kritik am Staat äußerte sie in Kunst. Super-8-Filme der von ihr gegründeten Künstlerinnengruppe Erfurt sind in einer Ausstellung in Berlin zu bewundern, dazu Objekte, Fotos und Drucksachen.
Gabriele Stötzer war schon als Studentin aktiv. Die ganze Jugendbewegung sei vorangegangen, nicht nur an ihrer Uni, der Technischen Universität Ilmenau. Mit der Ausbürgerung von Wolf Biermann begann ihr künstlerisches Wirken:
"Alle, die für ihn im Knast waren, waren nicht mehr sichtbar", sagt sie. Viele gingen in den Westen, sie blieb. Ihr Gedanke war: "Jetzt gehste in die Kunst, da wirste nicht sofort verhaftet."
Für sie seien Männer und Frauen nicht gleich gewesen: "Ich wollte das schaffen, was es in der Welt nicht gab, nämlich uns Weibliches." Das sei ein großer kreativer Prozess gewesen, den sie mit vielen Mitstreiterinnen angegangen sei. "Es ist ein Mosaik der Weiblichkeit entstanden mit unserer Gruppe."
Mit der Verhaftung und fünf Monaten Untersuchungshaft sei sie als Studentin exmatrikuliert worden, der Zukunftswunsch "Bildung" sei hinfällig gewesen. Für sie habe Biermann eine "Bauchsprache" gesprochen, er "konnte das ausdrücken, was viele so nicht gesehen haben."
Darin liege für sie die Stärke der Kunst: "Sie drückt das aus, was andere fühlen." Im Frauengefängnis habe sie andere Seiten der Weiblichkeit entdeckt: Leidenschaftlichkeit, Tiefe, Dunkelheit, Licht, die ich draußen nicht kennengelernt hätte.
"Alles sofort umgesetzt, was uns begegnet ist"
In Erfurt suchte Stötzer Mitstreiterinnen. Und fand sie in den "Femmes Fatales" von Erfurt. "Denen war das auch egal", sagt sie, "die wollten anders leben. Wir wollten archetypische Frauenbilder schaffen, wir wollen das machen, worüber geschwiegen wird, wir wollen das zeigen, wovon es kein Bild gab."
Der erste Film der Gruppe war "Frauenträume", in dem Frauen ihre Träume selber dargestellt und Musik dazu gefunden haben. "Alles, was wir erleben, ist Kunst" sei der künstlerische Anspruch gewesen.
Sie hätten alles sofort umgesetzt, was ihnen begegnet sei, "die Träume, die Traumata, die Erhöhung, die Erniedrigung".
Früher habe das, was sie gemacht haben, als Werk hysterischer Frauen gegolten. Jetzt habe es eine unwahrscheinliche Schönheit, Klasse und Reichtum an Weiblichkeit. Heute fühle man sich bestätigt. "Das ist auch die Schönheit der Ausstellung. Man geht beschenkt wieder raus."