"Das Design Museum hofiert Rüstungsunternehmen"
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Das Londoner Design Museum hat mit einem Skandal zu kämpfen: Weil die Einrichtung einem Rüstungskonzern Räume zur Verfügung stellte, entfernten etliche Künstler ihre Werke aus der Ausstellung "Hope to Nope" und organisierten eine Gegenausstellung.
"I’d like a few volunteers who would be happy to make public their opinions on some of these issues."
Wir stehen in der Halle eines städtischen Freizeitzentrums in Süd-London. Die Aktivistin Jess Worth und ihre Mitstreiter haben zu einer Podiumsdiskussion über ethische Finanzierung im Kunstbetrieb geladen. Bevor es ans Diskutieren geht, bittet Worth das Publikum zu einer kleinen Aufwärmübung:
"Ihr müsst nichts sagen. Ihr antwortet indem ihr auf dieser Linie Position bezieht."
Alle sind dagegen
Die Aktivistin, die sich gegen Spenden von Großkonzernen in der Kunst- und Kulturszene einsetzt, stellt die Teilnehmer entlang einer schwarzen Linie auf. Ein Ende steht für Dafür, das andere für Dagegen. Dann lässt Worth Aussagen bewerten:
"Kunstinstitutionen sollten Gelder von Rüstungsfirmen annehmen."
Alle wandern zum Dagegen-Pol. Was Worth hier verhandelt, ist keine Theorie. Die Aktivistin hatte selbst zur Ausstellung "Hope to Nope" beigetragen. Die Schau des Londoner Design Museums beschäftigte sich mit politischer Protestkultur. Doch während die Austellung lief, stellte das Museum seine Räume für einen Empfang des italienischen Waffenproduzenten Leonardo zur Verfügung.
"Das Museum diente als Kulisse, die dem Unternehmen wertvolle Legitimation verlieh. Wir finden, es ist komplett unethisch, dass das Design Museum – oder irgendein Museum – aktiv die Geschäfte von Rüstungsfirmen, Ölkonzernen oder Tabakunternehmen unterstützt."
"Es ist absolut unglaublich"
Auch Künstler Charlie Waterhouse hatte der Design-Ausstellung Werke zur Verfügung gestellt. Gemeinsam mit vielen anderen verlangte er seine Arbeiten kurz vor Ende der Ausstellung zurück.
Waterhouse: "Es ist absolut unglaublich. Wir versuchen in unserem Alltag gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen, setzen uns kritisch mit der Waffenindustrie, Öl und dreckigem Sponsoring auseinander, stellen unsere Kunstwerke für die Ausstellung zur Verfügung – und dann dreht sich das Design Museum um und hofiert Rüstungsunternehmen."
Das Design Museum sieht das naturgemäß etwas anders. Die Aktivisten sollten sich besser an den Konzernen abarbeiten, nicht an dem Museum, heißt es in einem Statement. Wer seine Kunst aus den Ausstellungsräumen entferne, betreibe zudem Zensur und würde die freie Meinungsäußerung einschränken. Charlie Waterhouse organisierte daraufhin die Halle im Freizeitzentrum.
Die Werke hängen jetzt an Bauzäunen
"Wir haben eine neue Ausstellung organisiert, hier an diesem großartigen, öffentlichen Ort in Brixton. Jeder kann hereinspazieren – auf dem Weg zum Squash-Spielen, Schwimmen oder Judo. Im Museum kostete die Ausstellung zwölf Pfund. Aber hier verlangen wir keinen Eintritt. Und wir bekommen so Besuch von Menschen, die normalerweise gar nicht in Kontakt kommen würden mit Kunst und Politik dieser Art."
Die Werke hier hängen an Bauzäunen. Einige waren vorher im Design Museum zu sehen. Andere Arbeiten sind neu dazugekommen. Sie kritisieren Öl- und Waffenkonzerne, Brexit und den Klimawandel.
Immer wieder werden öffentliche Gelder für Kunst und Kultur zusammengestrichen. Das wissen auch Worth und ihre Mitstreiter. Das Design Museum erhält nach eigenen Angaben nur zwei Prozent seiner Gelder aus öffentlichen Töpfen. Friss-oder-Stirb-Argumente lassen Künstler wie Charlie Waterhouse aber nicht gelten.
"Die meisten Künstler profitieren nicht von den Geldern der Sponsoren. Niemand in der Ausstellung ‚Hope To Nope‘ wurde bezahlt. Wenn die Leute also fragen: Wie kann man das entfilzen? Sind die Künstler da nicht die Verlierer? Dann sage ich: Sie haben es hier mit Menschen zu tun, die nichts zu verlieren haben."
Podium ohne Gegenseite
Die andere Seite sitzt an diesem Nachmittag nicht mit auf dem Podium. Das Museum habe die Teilnahme abgesagt, so Jess Worth.
"Das ist schade. Denn ein Teil des Problems von Finanzierung ist, dass niemand darüber reden will. Die Leute finden das unangenehm. Aber wir müssen uns darüber unterhalten. Und wir müssen versuchen, einen gemeinsamen Nenner zu finden."
Dass das geht, zeigen die Niederlande. Dort haben jüngst zwei große Museen ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem Ölkonzern Shell beendet.