Roboter mit Insektenhirn
Berliner Forscher haben einen Roboter entwickelt, der selbstständig seine Umgebung wahrnimmt und darauf reagiert, der also lernt. Als Vorbild für seine Hirnstruktur diente das Gehirn der Honigbiene.
"Here is a test of an autonomous rover."
Im Video des Instituts für Neurobiologie der Freien Universität Berlin wird der neue autonome Roboter präsentiert und erklärt.
Währenddessen fährt der Roboter, der wie ein ferngesteuertes Modellauto aussieht, auf dem Laborboden von einer Wand zur anderen. Der Test, wird im Video gesagt, besteht darin, in der sogenannten Arena auf dem Laborboden ein rotes und ein blaues Farbobjekt zu erkennen und darauf zu reagieren.
Am Projekt "Neuro-Rover" arbeiten verschiedene Institute der Freien Universität mit dem Bernstein Zentrum Computational Neuroscience Berlin zusammen. Dabei geht es nicht darum, einen neuen, möglichst autarken Roboter zu bauen. Vielmehr geht es generell um einen Paradigmenwechsel in der Robotik.
Darum unterscheidet sich der "Neuro-Rover", sagt Martin Paul Nawrot vom Institut für Informatik, komplett von den Robotern der Künstlichen Intelligenz.
"Das Spezielle ist, er hat ein künstliches Gehirn, das aus Neuronen, aus Synapsen aufgebaut ist, ganz genau wie das biologische Vorbild, also das biologische Gehirn. Das macht ihn grundsätzlich verschieden von der klassischen künstlichen Intelligenz, in der wir eigentlich ein Programm haben, also eine Software, ein Zeilencode. Hier gibt es kein Programm mehr, es gibt keinen Computer, sondern nur ein Netzwerk, das genauso wie ein biologisches funktioniert und das Verhalten steuern soll, und eben Eigenschaften hat wie das biologische."
Vorbild Honigbiene
Den neuronalen Bauplan für den Rover liefert den Forschern das Honigbienenhirn. Das ist relativ einfach aufgebaut. Dennoch, meint Biorobotiker Tim Landgraf vom FU-Institut für Biologie, sind selbst so einfache Gehirnstrukturen nicht leicht im Computer zu modellieren.
"Wir simulieren natürlich alles mit Modellen. Das heißt, wir haben relativ komplexe Modelle von einzelnen Neuronen, die beschreiben, was passiert mit dem Membranpotenzial, also dem Aktivitätsniveau einer Nervenzelle, wenn es bestimmte Inputs gibt. Und dann bauen wir mit diesen einzelnen Elementen komplexere Netzwerke auf."
Noch bestehen diese einzelnen Hirnnetzwerkelemente aus Softwareprogrammen im Institutsrechner, sagt Martin Paul Nawrot.
"Darin werden einzelne Neuronen nach ihren biophysikalischen Eigenschaften simuliert, die sind miteinander verbunden wie in einem echten Gehirn. Eingang über die Sensoren vom Roboter werden direkt übersetzt in neuronale Aktivität, also elektrische Aktivität, wie man sie misst in einem Gehirn."
Belohnung per Blitzlicht
Im aktuellen Lernexperiment muss der "Neuro-Rover" die blauen und roten Objekte in der Arena mit der Kamera anvisieren. Gelingt ihm das, wird er belohnt.
"Wie belohnt man einen Roboter? Im Moment machen wie es so, dass wir einen Sensor haben, einen Lichtsensor, und einen Lichtblitz geben als Belohnungssignal."
Wird ein rotes Objekt erkannt, gibt es ein Lichtsignal, das wiederum im künstlichen Hirn eine "Belohnungsnervenzelle" aktiviert und das Netzwerk verändert. Die Folge ist, der Rover wird zukünftig nach einem roten Farbobjekt suchen, und sich bei einem blauen Objekt zurückziehen. Damit ist das Suchverhalten der Honigbiene bei schmackhaften und nicht schmackhaften Blüten nachgestellt.
Landgraf: "Das heißt, dass wir den Roboter trainieren können. Ähnlich wie wir zum Beispiel Honigbienen konditionieren auf bestimmte Reize, genauso können wir die Roboter jetzt behandeln."
In die Zukunft gedacht, meint Martin Paul Nawrot, soll mit dem System Belohnung später der Roboter zur Selbstständigkeit "erzogen" werden.
"Ein Roboter hat Batterien, und die muss er aufladen. Ganz ähnlich wie ein Tier eben Nahrung sucht. Und in dem Sinne wird das Energieladen oder das Energiefinden die Belohnung sein."
Anschluss an das menschliche Gehirn
Auch wenn im Moment das Roverhirn noch im Institutscomputer ist, so ist schon jetzt ist absehbar, dass man neuronale Gehirnstrukturen, die wie die biologischen Neuronen Nervenfasern und Synapsen haben, auf Mikrochips brennen wird.
Nawrot: "Es gibt eine neue Computerchipgeneration, die neuronale Netze direkt in einen Chip einbaut."
Noch ist das gewiss Zukunftsmusik, dennoch, über entsprechende Einsatzgebiete denken die Forscher schon längst nach.
Nawrot: "Das ist gerade für robotische Systeme interessant, denken wir an Sprengstoffsuche, oder an ein Terrain, was unwirtlich ist, Wüstenterrain zum Beispiel. Mit wenig Energie unterwegs sein."
Doch auch einzelne Gehirnaktivitäten wären später reparabel, etwa wenn beim Menschen Gehirnareale beschädigt sind, wie bei Parkinson-Erkrankungen oder Lähmungen.
Nawrot: "Die künstlichen neuronalen Netze zu verknüpfen mit unseren Gehirnen, das ist auch nicht mehr reine Fantasie. Potenziell ist es möglich, wir nennen das Brain-Machine-Interfaces, da passiert sehr viel in der Medizin, und es ist auch nicht undenkbar, dass der Chip im Kopf kommt, da bewegt sich sehr viel."