Kulinarische Überraschungen

Rezensiert von Vanja Budde |
Sie lieben gutes Essen und gehen gerne in Restaurants? Dann bergen die "Geständnisse eines Küchenchefs" von Anthony Bourdain einige Überraschungen für Sie: Schonungslos enthüllt der amerikanische Starkoch und Krimi-Autor, wie wüst es in Wahrheit hinter den Edelstahlfassaden von Sternenküchen zugeht.
"Es ist Sonntagmorgen, acht Uhr, und ich liege nach einem oberhöllischen, Knochen brechenden Samstagabend im 'Les Halles' im Bett und mache Geräusche, die kein Mensch je machen sollte."

Anthony Bourdain, Chefkoch im New Yorker Edelrestaurant "Les Halles", ist nach 20 Jahren in diesem Metier in einem schlimmen Zustand: Die Füße schmerzen, das Kreuz zwackt, die Hände sind von Brandblasen und hässlichen Messernarben übersäht, die Finger taub.

"Ich bereite mich psychisch auf den langen Weg zum Badezimmer vor, eine Übung, die ich zweifellos mit der ganzen Anmut und Leichtigkeit eines greisen Ballerino absolvieren werde. Auch eine zweite Herausforderung wartet auf mich: Der kindersichere Verschluss der Aspirinflasche."

Doch Anthony Bourdain ist stolz auf die Zeichen, die lange Nächte in kochend heißen, engen Küchen hinterlassen haben. Seine Liebe gehört der Zubereitung guten Essens, seit er als unwissender Knabe in die Heimat seiner französischen Vorfahren reiste und dort zum ersten Mal schmeckte: salzige Butter, kalte Gemüsesuppe und Austern, frisch aus dem Atlantik. Damals ließ der künftige Chefkoch die engstirnige Fixierung auf Hamburger und Coke für den Rest seines Lebens hinter sich.

"Essen hatte Macht. Es konnte inspirieren, erstaunen, schockieren, erregen entzücken und beeindrucken. Es hatte die Macht, mich zu erfreuen, und andere auch. Das war eine wichtige Erkenntnis."

Anthony Bourdains "Geständnisse" sind seine Autobiographie, gespickt von ebenso obszönen wie komischen Anekdoten rund um Entensoße und Fischfilets. Von der Strandbude in Long Island führt ihn sein Weg über diverse grandios scheiternde Nouvelle-Cuisine-Tempel zum erfolgreichen Luxusrestaurant. Vom Spülknecht und Grill-Hiwi zum Chef mit weißer Schürze. Eine besonders Vertrauen erweckende Welt beschreibt Bourdain nicht: Saufende und koksende Horden tätowierter Halbkrimineller bevölkern die Küchen, in der Vorratskammer und im Kühlraum wird ständig kopuliert, die Restaurantbesitzer sind vom eigenen Personal betrogene Idioten oder tyrannische Mafiosi, die Kellner durchweg korrupt und bösartig. Der Kettenraucher und Heroin-Junkie Anthony Bourdain mittendrin, zwischen lodernden Flammen und kochendem Nudelwasser.

"Mir ist scheißegal, ob Du die Welt rettest’, sage ich, räum die Teller jetzt ab, oder ich reiß Dir den Schniedel ab und werfe ihn über die Straße bis ins Park-Bistro!"

Volker Niederfahrenhorst als Sprecher schlägt sich wacker: Er bringt die dralle Vorlage mit entsprechender Verve zu Gehör. Ganz ohne ironische Distanz auch die vielen Eitelkeiten Bourdains, der sich als rüpelhafter Rebell am Kochtopf stilisiert.

"Vegetarier und ihre Hisbollah-gleiche Splittergruppe, die Veganer, sind ein Quell ständiger Irritation für jeden Chefkoch, der einen Schuss Pulver wert ist. Ein Leben ohne Kalbsfond, Schweinefett, Wurst, Innereien, Demi-Glace oder stinkenden Käse ist für mich nicht lebenswert. Vegetarier sind die Feinde alles Guten und Anständigen im menschlichen Geist. Ein Affront allem gegenüber, was mir teuer ist: dem puren Genuss von Essen."

Denn das liebt der zynische Outlaw unter den Chefköchen ebenso wie die mit Michelinsternen ausgezeichneten Halbgötter seiner Zunft, denen kein Fettspritzer die gebügelte Kochjacke verunziert. Butter und Knoblauch, Schalotten und Knochenfonds: Leidenschaftlich preist Bourdain die guten Sachen, die tagtäglich seine Küche verlassen und die Gäste glücklich machen. Weshalb man auf keinen Fall hungrig diesem Hörbuch lauschen sollte. Nein: Legen Sie sich nach einem leckeren Essen aufs Sofa, öffnen eine gute Flasche Wein und tauchen ein in die auf Hochtouren laufende Küche des "Les Halles".

"Zwölf Uhr, und die Gäste strömen bereits herein. Ich kriege sofort einen Tritt in die Eier: Eine Bestellung für Porc Mignon, zwei Boudins, eine Leber und einen Fasan, alles an einem Tisch. Die Boudins brauchen am längsten, also müssen sie direkt in den Backofen. Zuerst steche ich ihre haut mit einer Cocktailgabel an, damit sie nicht explodieren, schnappe mir eine Hand voll karamellisierter Apfelscheiben und werfe sie mit ein bisschen Butter in eine Pfanne, damit ich sie später fertig machen kann. Ich erhitze eine Pfanne mit Butter und Öl für das Schwein, klatsche einen dicken Fransen Kalbsleber, nachdem ich sie gesalzen und gepfeffert habe, in eine Schüssel mit Mehl.

Ich entbeine des halben Fasan, und drehe eine Pirouette, um mir ein kleines Soßenpfännchen mit Portweinsoße zum Reduzieren zu holen. Eine Bestellung für Muscheln kommt herein, direkt danach eine für Entenbrust. Jetzt geht gleich richtig die Post ab: noch ein Fasan, mehr Schwein, noch eine Leber und - aua! ein Navarin - ein Ein-Topf-Wunder, das aber eine Menge Kramerei in meinen Küchenschubladen für die Garnitur verlangt."


Bourdain, Anthony:
Geständnisse eines Küchenchefs,

gelesen von Volker Niederfahrenhorst,
Das besondere Hörbuch,
Delta Music GmbH, 5 CD, 19,90 EURO.