Kultbücher der Naturwissenschaft

Rezensiert von Gerrit Stratmann |
Als Dietrich Schwanitz sein Buch "Bildung. Alles, was man wissen muss" veröffentlichte – der Bestseller über das wichtigste Wissen unserer Kulturgeschichte–, war es kurze Zeit später der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer, der sein Gegen- und Ergänzungsbuch "Die andere Bildung" über die wichtigsten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse nachschob. Dem selbst gewählten naturwissenschaftlichen Bildungsauftrag ist er mit seinem jüngsten Werk "Einstein, Hawking, Singh & Co." treu geblieben.
Ernst Peter Fischer hat ein Buch über Bücher geschrieben, genauer über Kultbücher der Naturwissenschaft. Bücher von Wissenschaftlern werden selten zu Verkaufsschlagern. Ein Megaseller wie Stephen Hawkings "Eine kurze Geschichte der Zeit" bestätigt als Ausnahme höchstens diese Regel. Naturwissenschaftliche Bücher verströmen kaum den Charme einer gut erzählten Geschichte. Es sind Sachbücher, die viel seltener mit dem Blick auf ihre Lesbarkeit und der Aussicht auf ästhetischen Genuss bei der Lektüre verfasst werden als literarische Prosa. Aber die Werke, die Ernst Peter Fischer in "Einstein, Hawking, Singh & Co." versammelt und vorstellt, sollen genau diesem Kriterium genügen: lesbare, fundierte und spannende Ansichten aus dem Reich der Wissenschaft zu sein.

Zugunsten der Lesbarkeit verzichtet er in seiner Sammlung darauf, den Leser an so manches Werk heranzuführen, das zwar aus wissenschaftlicher Sicht bedeutend, für den interessierten Laien aber kaum zu verdauen ist. Natürlich war Isaac Newtons "Principia Mathematica" ein epochales Werk, aber es war auch ein Werk für Kollegen und Konkurrenten, nicht für Leser.

In seinen Empfehlungen hält Ernst Peter Fischer dem Leser kaum einen bedeutenden Namen vor. Einstein etwa verstand es in seinen Aufsätzen und Essays sehr einfach, menschlich und gänzlich unmathematisch zu schreiben. Max Planck, Richard Feynman, James D. Watson, Konrad Lorenz, sie alle haben nicht nur für umstürzende neue Erkenntnisse in ihren Fächern gesorgt, sondern sie auch anschaulich vermittelt. Und weil es auch Nicht-Wissenschaftler gibt, die lebendig und interessant wissenschaftliche Themen aufgegriffen und vorgestellt haben, hat Ernst Peter Fischer seinem Kanon auch "Die Physiker" von Friedrich Dürrenmatt oder "Kopenhagen" von Michael Frayn einverleibt, zwei populäre Theaterstücke.

Über den Sinn dieser Aufnahme ließe sich streiten. Seinem eigentlichen Anliegen gerechter wird er, wenn er mit John Maddox, James Gleick und dem Titel gebenden Simon Singh drei Wissenschaftsjournalisten berücksichtigt, die zwar nicht die Wissenschaft selbst vorangebracht haben, den Büchermarkt dafür aber mit den lesenswertesten Geschichten über die Entdeckung des Chaos oder die Lösung von Fermats letztem Satz bereichert haben, letzteres ein Buch über ein Jahrhunderte altes mathematisches Problem, weit spannender als mancher Krimi.

"Einstein, Hawking, Singh & Co." ist mehr als eine bloße Bibliographie. Es will Lust auf Bücher machen und bietet dabei nicht nur einen anschaulichen Überblick über deren Inhalte sondern – als Mehrwert – auch über deren Autoren. Dass ein solcher Kanon auf Grund des endlichen Umfangs viele Lücken lassen muss, bedauert auch Ernst Peter Fischer. Aber ein Anfang für den Orientierung suchenden Leser ist gemacht.

"Die Wissenschaft kennt ihre Klassiker nicht", schreibt er, "und sie weiß wahrscheinlich nicht einmal, dass es Menschen in ihren Reihen gibt, die diese Auszeichnung verdienen". Mit diesem Buch ist der Kanon klassischer naturwissenschaftlicher Werke eröffnet.

Ernst Peter Fischer: Einstein, Hawking, Singh & Co.
Bücher, die man kennen muss.
Piper Verlag, München 2005 (Taschenbuchausgabe), 278 Seiten, 8,90 Euro