"Kultur für Alle" als Lebensaufgabe
Musik von Jimi Hendrix war für Hilmar Hoffmann ebenso Kultur wie Goethes Faust, ein Bild von Andy Warhol ebenso wertvoll wie eines von Botticelli. Hoffmann, der heute seinen 80. Geburtstag feiert, hat in Positionen wie als Kulturdezernent der Stadt Frankfurt oder als Präsident des Goetheinstituts sein Programm "Kultur für Alle" versucht weiterzubringen. Trotz einer gewissen Popularisierung von Kultur setzt Kulturpolitik immer noch zu spät an, meint Hoffmann.
König: Unter den Kulturpolitikern war er immer der Erste. Er war der jüngste Volkshochschuldirektor Deutschlands mit 26 Jahren in Oberhausen. Er gründete das erste deutsche Filmfestival, die Oberhausener Kurzfilmtage, er schuf das erste kommunale Kino in Frankfurt am Main, er erfand die Mitbestimmung am Theater, er entwickelte das erste Haus für alternative Kultur. Als Kulturdezernent in Frankfurt baute er die alte Oper wieder auf, sowie ein gutes Dutzend Museen, darunter die Kunsthalle Schirn, das Deutsche Filmmuseum, das Architekturmuseum am Mainufer. In der Geldstadt Frankfurt wird er ein "genialer Schnorrer", der den Vorstandsetagen der Banken mit Charme und Esprit immer wieder hier etwas für die Leseförderung, dort ein bisschen was für den Film, da ein wenig für ein schwächelndes Goetheinstitut abluchst. Die Präsidentschaft des Goetheinstituts wurde dann die Krönung eines Lebens für die Kultur. Die Künste und die Künstler zu fördern und gleichzeitig ihre Arbeit dem Publikum zu vermitteln, beides gehört zusammen, es sind die Eckpfeiler des Denkens und Handelns von Hilmar Hoffmann. "Kultur für alle", diese klare Forderung machte ihn zum populären Kulturpolitiker, wahrscheinlich der erste populäre überhaupt, galt doch bis dahin Kulturpolitik im Wesentlichen als die Lehre vom Althergebrachten, Wahren, Guten, Schönen. Damit machte Hoffmann Schluss. Einen Brieftauben züchtenden Bergmann fand er unter Umständen kulturvoller, als jemanden mit einem Schrank voller Bücher, die er zwar gelesen aber nicht reflektiert hatte. Musik von Jimi Hendrix war für Hoffmann ebenso Kultur wie Goethes Faust, ein Bild von Andy Warhol ebenso wertvoll wie eines von Botticelli. Auch mit solchem Denken war Hilmar Hoffmann in den 60er Jahren und vieler Orts noch in den 70ern der erste. Guten Morgen, Herr Hoffmann.
Hoffmann: Ja, guten Morgen.
König: Sind Sie einverstanden mit dem kleinen Portrait eben von Ihnen?
Hoffmann: Ja, es ist ja außerordentlich schmeichelhaft, da kommen einem ja fast die Tränen.
König: Herr Hoffmann, Sie haben das Theater auf die Straße geholt, die Museen dazu verführt, Ausstellungen zu zeigen, in die auch Nichtabiturienten sich plötzlich hineintrauten. Hat es in all den Jahren Momente gegeben, in denen Sie dachten, jetzt ist es auch genug mit der Popularisierung und vielleicht auch mit der Banalisierung von Kunst und Kultur?
Hoffmann: Ja also für die Banalisierung habe ich ja nie plädiert und die Popularisierung auch in Grenzen, die durch die ästhetischen Ansprüche vorgegeben sind. Aber bedauert habe ich eigentlich nichts, außer einige Personalentscheidungen, die ja für die Kulturentwicklung einer Stadt immer ganz entscheidend sind, denn ein Kulturdezernent ist so gut wie die Personalpolitik, die er betreibt.
König: Haben Sie eigentlich damals damit gerechnet, dass dieser Satz "Kultur für alle" so oft zitiert werden würde?
Hoffmann: Nein, ich habe den Titel des Buches auch erst ganz zum Schluss, als es fertig war, durch Zuruf bekommen. Ich habe in meinem Dezernat Kultur meine wichtigen Mitarbeiter zusammengetrommelt und dann habe ich zehn Vorschläge gemacht und daraus ist dann "Kultur für alle" entstanden, was damals ziemlich spröde klang, inzwischen aber ein Schlagwort geworden ist.
König: Sehen Sie sich was das angeht am Ziel, Kultur für alle wurde durchgesetzt?
Hoffmann: Nein, ganz im Gegenteil. Das werde ich auch in meiner heutigen Rede im Kaisersaal sagen, dass dies das große Ziel ist, das mir nicht gelungen ist, jedenfalls nicht quantitativ, vielleicht was die Bewusstseinsbildung in der Politik betrifft, ja. Aber wenn Sie davon ausgehen, dass nur zehn Prozent unserer Bevölkerung so genannte Kulturhabitués sind, also die in der Schule und auf der Uni gelernt haben, kulturelle Botschaften zu lesen und zu verarbeiten und umzusetzen in eigene Gedanken, dann sind wir hoffnungslos in der Statistik unten geblieben. Das heißt, Kultur für alle als Programm für die Zukunft ist nicht erledigt.
König: Was wären andere kulturpolitische Herausforderungen des Tages in Ihren Augen?
Hoffmann: Ich glaube, dass die Kulturpolitik zu spät ansetzt, nämlich im Erwachsenenalter. Solange es nicht erreicht wird, dass in der Schule ästhetische Erziehung - und zwar im Sinne der Schillerschen Briefe zur ästhetischen Erziehung des Menschen - und solange keine musische Bildung als selbstverständliches Kurrikulum im Stundenplan auftauchen, werden sie keine Klientel schaffen, die dann im Erwachsenenalter ins Theater geht oder ins Museum geht, um sich zu erfreuen oder andere auch um sich zu bereichern, um sozusagen Honig zu saugen aus den Leistungen der Kultur, der Philosophie, der Literatur, um selber darauf aufbauen zu können.
König: Nun sind die Haushalte überschuldet. Was würden Sie tun, wenn Sie etwas tun könnten?
Hoffmann: Ich würde vorschlagen, was ich aber auch immer schon vorgeschlagen habe, dass der Prozentsatz der Kultur - also in Frankfurt zur Zeit immerhin zehn Prozent oder neun Prozent des Haushalts - festgeschrieben werden. Auch für Zeiten, wo die Steuereinnahmen geringer werden, dann muss aber der Prozentsatz für die Kultur immer gleich hoch bleiben. Und dies ist eine Art Selbstverpflichtung, die kann man, wie wir das damals in Oberhausen gemacht haben, durch Parlamentsbeschluss herbeiführen.
König: Nun wird ja im laufenden Wahlkampf auch die Kultur zum Thema gemacht, über die Einrichtung eines Bundeskulturministers wird spekuliert. Sie galten ja lange Zeit als Gegner dieses Amtes eines Kulturministers. Hat sich Ihre Haltung geändert nach Michael Naumann, Nida-Rümelin und Christina Weiss?
Hoffmann: Naja, meine Kritik daran war damals sehr stark personalisiert auf Michael Naumann, weil er - ohne das Goetheinstitut zu fragen - gleich gefordert hat, das Goetheinstitut muss in sein Ressort, weil man damit glänzen kann. Und damals habe ich dann in der Mitgliederversammlung einen einstimmigen Beschluss gegen solche Absichten herbeigeführt. Heute sehe ich das etwas anders, wobei ich nach wie vor der Meinung bin, dass die Goetheinstitute beim Auswärtigen Amt verbleiben müssen. Dafür gibt es gute Gründe, die kann ich Ihnen auch gleich nennen, wenn Sie es denn wissen wollen. Aber ich bin heute doch dafür, dass man nach den Erfahrungen der letzten Jahre ein Bundeskulturministerium schafft. Weil wenn ein richtiger Minister auf gleicher Augenhöhe mit am Kabinettstisch sitzt, kann er ganz anders mit dem Finanzminister verhandeln, als wenn er ein Untergebener des Bundeskanzlers ist, wie bisher.
König: Stichwort: Goetheinstitute. Sie waren ja Präsident von 1993 bis 2002, haben damals mit viel Enthusiasmus die Gründung zwölf neuer Institute in Mittel- und Osteuropa betrieben. Kulturpolitik, haben Sie damals gesagt, sei "der Schlüssel für alle Friedensbemühungen überhaupt", sei "die erste Säule der Außenpolitik, die nicht von übermotivierten Sparkommissaren an den Rand gedrängt" werden dürfe. Nun konnten Sie sich nicht durchsetzen. Sowohl die Kohl- als auch die Schröderregierung haben Ihnen die Mittel gekürzt, sie mussten die Schließung von über 30 Instituten weltweit hinnehmen. Ich vermute, das war ziemlich bitter. Sehen Sie jetzt schon bestimmte Folgen dieser Sparpolitik?
Hoffmann: Naja, wir haben immerhin in der Zeit, wo geschlossen wurde, auch 15 Institute neu aufgemacht, ob in Ramallah oder in Seoul oder in Vietnam. Aber gleichwohl ist richtig, dass beide Regierungen sich materiell für die Goetheinstitute nicht stark gemacht haben. Der Bundeskanzler Kohl hat immerhin die Goetheinstitute besucht, so oft er im Ausland war. Bei dem jetzigen Bundeskanzler kann man dies leider nicht behaupten.
König: Wie, der hat kein einziges Goetheinstitut besucht?
Hoffmann: Doch, er war zweimal in einem Goetheinstitut in sieben Jahren, aber auch nur, um dann die Fußballkickers vorzustellen. Und daran sehen Sie, wie also die Politik die kulturelle Arbeit würdigt. Das hat damit zu tun, dass Sie sagen, das ist kein Wählerpotenzial, da müssen wir keine Rücksicht nehmen.
König: Wo wir von Kohl und Schröder sprechen, Sie sind ja Mitglied der SPD, haben es aber mit der Parteipolitik nie so genau genommen. Man sagt Ihnen nach, dass Sie mit dem CDU/FDP-Führungsduo Kohl-Kinkel besser konnten, als mit Schröder-Fischer - das kann ich, nachdem was Sie eben gesagt haben, mir gut vorstellen - auch, dass Ihre schönste Zeit in Frankfurt am Main die unter dem CDU-Oberbürgermeister Walter Wallmann war. Wie machen Sie das, die Parteizugehörigkeit so hintan zu stellen?
Hoffmann: Naja, sonst können Sie ja in einer Metropole wie Frankfurt keinen Erfolg haben. Wenn Sie dauernd immer betrachtet werden als jemand, der SPD-Ideologie verbreitet, dann kriegen Sie kein Bein auf die Erde. Deswegen habe ich also nicht von den Zinnen der Partei Kulturpolitik gemacht, sondern habe versucht, in der Liaison mit dem CDU-Oberbürgermeister, der auch seinerseits keine CDU-Politik gemacht hat, sondern Kulturpolitik im Interesse der Bürger, und das hat ja immerhin zu dem Museumsufer geführt und zu vielen anderen, neuen Projekten auch.
König: Woran arbeiten Sie zu Zeit, Hilmar Hoffmann? Denn dass Sie einfach auf dem Stuhl sitzen, kann ich mir bei bestem Willen nicht vorstellen.
Hoffmann: Nein, ich schreibe jetzt gerade an einem Buch über Mäzenatentum, weil ja der Beruf des Mäzens leider ausstirbt. Es gibt noch ein paar große Ausnahmen, Frieder Burda und Würth in Künzelsau. Aber schon würde ich jemanden wie Ludwig nicht in die Kategorie der Mäzene aufnehmen, weil der zwar Kunst geschenkt hat aber die Museen mussten dann, die Städte, oder ja also Köln, Oberhausen und Aachen, bauen. Während Burda und Würth, die haben nicht nur die Kunst selbst bezahlt, sie haben auch die Museumsbauten bezahlt, und sie bezahlen auch die Folgekosten. Und insofern bin ich daran interessiert, mal eine Grenzlinie zwischen Sponsoren und Mäzene zu ziehen. Denn viele, die heute wie Hermann Joseph Abs als Mäzene in die Geschichte eingegangen sind, haben ja das erreicht mit dem Geld zum Beispiel der Deutschen Bank. Und diese Unterscheidung, die will ich jetzt doch mal deutlich machen.
König: Wann wird das Buch erscheinen?
Hoffmann: Wahrscheinlich erst im nächsten Jahr. In diesem Jahr, wenn ich noch einen Selbsthinweis loswerden darf...
König: Ich bitte darum. Geburtstagskinder dürfen alles.
Hoffmann: ...erscheinen zwei Bände. Das ist eine Auswahl meiner Aufsätze und Essays und Vorträge aus den letzten 50 Jahren - ich habe also über 2000 Artikel geschrieben und Vorträge gehalten - und davon zehn Prozent Auswahl meines Lektors. Ich hoffe, das ist lesenswert.
König: Genießen Sie auch das Alter, Herr Hoffmann, dass Sie sagen, ja, war schön damals aber jetzt ist es auch schön?
Hoffmann: Ja, ich beklage mich nicht und die kleinen Wehwehchen, die sind ja altersbedingt, die sitzen aber Gott sei Dank in den Füßen und nicht im Kopf.
Hoffmann: Ja, guten Morgen.
König: Sind Sie einverstanden mit dem kleinen Portrait eben von Ihnen?
Hoffmann: Ja, es ist ja außerordentlich schmeichelhaft, da kommen einem ja fast die Tränen.
König: Herr Hoffmann, Sie haben das Theater auf die Straße geholt, die Museen dazu verführt, Ausstellungen zu zeigen, in die auch Nichtabiturienten sich plötzlich hineintrauten. Hat es in all den Jahren Momente gegeben, in denen Sie dachten, jetzt ist es auch genug mit der Popularisierung und vielleicht auch mit der Banalisierung von Kunst und Kultur?
Hoffmann: Ja also für die Banalisierung habe ich ja nie plädiert und die Popularisierung auch in Grenzen, die durch die ästhetischen Ansprüche vorgegeben sind. Aber bedauert habe ich eigentlich nichts, außer einige Personalentscheidungen, die ja für die Kulturentwicklung einer Stadt immer ganz entscheidend sind, denn ein Kulturdezernent ist so gut wie die Personalpolitik, die er betreibt.
König: Haben Sie eigentlich damals damit gerechnet, dass dieser Satz "Kultur für alle" so oft zitiert werden würde?
Hoffmann: Nein, ich habe den Titel des Buches auch erst ganz zum Schluss, als es fertig war, durch Zuruf bekommen. Ich habe in meinem Dezernat Kultur meine wichtigen Mitarbeiter zusammengetrommelt und dann habe ich zehn Vorschläge gemacht und daraus ist dann "Kultur für alle" entstanden, was damals ziemlich spröde klang, inzwischen aber ein Schlagwort geworden ist.
König: Sehen Sie sich was das angeht am Ziel, Kultur für alle wurde durchgesetzt?
Hoffmann: Nein, ganz im Gegenteil. Das werde ich auch in meiner heutigen Rede im Kaisersaal sagen, dass dies das große Ziel ist, das mir nicht gelungen ist, jedenfalls nicht quantitativ, vielleicht was die Bewusstseinsbildung in der Politik betrifft, ja. Aber wenn Sie davon ausgehen, dass nur zehn Prozent unserer Bevölkerung so genannte Kulturhabitués sind, also die in der Schule und auf der Uni gelernt haben, kulturelle Botschaften zu lesen und zu verarbeiten und umzusetzen in eigene Gedanken, dann sind wir hoffnungslos in der Statistik unten geblieben. Das heißt, Kultur für alle als Programm für die Zukunft ist nicht erledigt.
König: Was wären andere kulturpolitische Herausforderungen des Tages in Ihren Augen?
Hoffmann: Ich glaube, dass die Kulturpolitik zu spät ansetzt, nämlich im Erwachsenenalter. Solange es nicht erreicht wird, dass in der Schule ästhetische Erziehung - und zwar im Sinne der Schillerschen Briefe zur ästhetischen Erziehung des Menschen - und solange keine musische Bildung als selbstverständliches Kurrikulum im Stundenplan auftauchen, werden sie keine Klientel schaffen, die dann im Erwachsenenalter ins Theater geht oder ins Museum geht, um sich zu erfreuen oder andere auch um sich zu bereichern, um sozusagen Honig zu saugen aus den Leistungen der Kultur, der Philosophie, der Literatur, um selber darauf aufbauen zu können.
König: Nun sind die Haushalte überschuldet. Was würden Sie tun, wenn Sie etwas tun könnten?
Hoffmann: Ich würde vorschlagen, was ich aber auch immer schon vorgeschlagen habe, dass der Prozentsatz der Kultur - also in Frankfurt zur Zeit immerhin zehn Prozent oder neun Prozent des Haushalts - festgeschrieben werden. Auch für Zeiten, wo die Steuereinnahmen geringer werden, dann muss aber der Prozentsatz für die Kultur immer gleich hoch bleiben. Und dies ist eine Art Selbstverpflichtung, die kann man, wie wir das damals in Oberhausen gemacht haben, durch Parlamentsbeschluss herbeiführen.
König: Nun wird ja im laufenden Wahlkampf auch die Kultur zum Thema gemacht, über die Einrichtung eines Bundeskulturministers wird spekuliert. Sie galten ja lange Zeit als Gegner dieses Amtes eines Kulturministers. Hat sich Ihre Haltung geändert nach Michael Naumann, Nida-Rümelin und Christina Weiss?
Hoffmann: Naja, meine Kritik daran war damals sehr stark personalisiert auf Michael Naumann, weil er - ohne das Goetheinstitut zu fragen - gleich gefordert hat, das Goetheinstitut muss in sein Ressort, weil man damit glänzen kann. Und damals habe ich dann in der Mitgliederversammlung einen einstimmigen Beschluss gegen solche Absichten herbeigeführt. Heute sehe ich das etwas anders, wobei ich nach wie vor der Meinung bin, dass die Goetheinstitute beim Auswärtigen Amt verbleiben müssen. Dafür gibt es gute Gründe, die kann ich Ihnen auch gleich nennen, wenn Sie es denn wissen wollen. Aber ich bin heute doch dafür, dass man nach den Erfahrungen der letzten Jahre ein Bundeskulturministerium schafft. Weil wenn ein richtiger Minister auf gleicher Augenhöhe mit am Kabinettstisch sitzt, kann er ganz anders mit dem Finanzminister verhandeln, als wenn er ein Untergebener des Bundeskanzlers ist, wie bisher.
König: Stichwort: Goetheinstitute. Sie waren ja Präsident von 1993 bis 2002, haben damals mit viel Enthusiasmus die Gründung zwölf neuer Institute in Mittel- und Osteuropa betrieben. Kulturpolitik, haben Sie damals gesagt, sei "der Schlüssel für alle Friedensbemühungen überhaupt", sei "die erste Säule der Außenpolitik, die nicht von übermotivierten Sparkommissaren an den Rand gedrängt" werden dürfe. Nun konnten Sie sich nicht durchsetzen. Sowohl die Kohl- als auch die Schröderregierung haben Ihnen die Mittel gekürzt, sie mussten die Schließung von über 30 Instituten weltweit hinnehmen. Ich vermute, das war ziemlich bitter. Sehen Sie jetzt schon bestimmte Folgen dieser Sparpolitik?
Hoffmann: Naja, wir haben immerhin in der Zeit, wo geschlossen wurde, auch 15 Institute neu aufgemacht, ob in Ramallah oder in Seoul oder in Vietnam. Aber gleichwohl ist richtig, dass beide Regierungen sich materiell für die Goetheinstitute nicht stark gemacht haben. Der Bundeskanzler Kohl hat immerhin die Goetheinstitute besucht, so oft er im Ausland war. Bei dem jetzigen Bundeskanzler kann man dies leider nicht behaupten.
König: Wie, der hat kein einziges Goetheinstitut besucht?
Hoffmann: Doch, er war zweimal in einem Goetheinstitut in sieben Jahren, aber auch nur, um dann die Fußballkickers vorzustellen. Und daran sehen Sie, wie also die Politik die kulturelle Arbeit würdigt. Das hat damit zu tun, dass Sie sagen, das ist kein Wählerpotenzial, da müssen wir keine Rücksicht nehmen.
König: Wo wir von Kohl und Schröder sprechen, Sie sind ja Mitglied der SPD, haben es aber mit der Parteipolitik nie so genau genommen. Man sagt Ihnen nach, dass Sie mit dem CDU/FDP-Führungsduo Kohl-Kinkel besser konnten, als mit Schröder-Fischer - das kann ich, nachdem was Sie eben gesagt haben, mir gut vorstellen - auch, dass Ihre schönste Zeit in Frankfurt am Main die unter dem CDU-Oberbürgermeister Walter Wallmann war. Wie machen Sie das, die Parteizugehörigkeit so hintan zu stellen?
Hoffmann: Naja, sonst können Sie ja in einer Metropole wie Frankfurt keinen Erfolg haben. Wenn Sie dauernd immer betrachtet werden als jemand, der SPD-Ideologie verbreitet, dann kriegen Sie kein Bein auf die Erde. Deswegen habe ich also nicht von den Zinnen der Partei Kulturpolitik gemacht, sondern habe versucht, in der Liaison mit dem CDU-Oberbürgermeister, der auch seinerseits keine CDU-Politik gemacht hat, sondern Kulturpolitik im Interesse der Bürger, und das hat ja immerhin zu dem Museumsufer geführt und zu vielen anderen, neuen Projekten auch.
König: Woran arbeiten Sie zu Zeit, Hilmar Hoffmann? Denn dass Sie einfach auf dem Stuhl sitzen, kann ich mir bei bestem Willen nicht vorstellen.
Hoffmann: Nein, ich schreibe jetzt gerade an einem Buch über Mäzenatentum, weil ja der Beruf des Mäzens leider ausstirbt. Es gibt noch ein paar große Ausnahmen, Frieder Burda und Würth in Künzelsau. Aber schon würde ich jemanden wie Ludwig nicht in die Kategorie der Mäzene aufnehmen, weil der zwar Kunst geschenkt hat aber die Museen mussten dann, die Städte, oder ja also Köln, Oberhausen und Aachen, bauen. Während Burda und Würth, die haben nicht nur die Kunst selbst bezahlt, sie haben auch die Museumsbauten bezahlt, und sie bezahlen auch die Folgekosten. Und insofern bin ich daran interessiert, mal eine Grenzlinie zwischen Sponsoren und Mäzene zu ziehen. Denn viele, die heute wie Hermann Joseph Abs als Mäzene in die Geschichte eingegangen sind, haben ja das erreicht mit dem Geld zum Beispiel der Deutschen Bank. Und diese Unterscheidung, die will ich jetzt doch mal deutlich machen.
König: Wann wird das Buch erscheinen?
Hoffmann: Wahrscheinlich erst im nächsten Jahr. In diesem Jahr, wenn ich noch einen Selbsthinweis loswerden darf...
König: Ich bitte darum. Geburtstagskinder dürfen alles.
Hoffmann: ...erscheinen zwei Bände. Das ist eine Auswahl meiner Aufsätze und Essays und Vorträge aus den letzten 50 Jahren - ich habe also über 2000 Artikel geschrieben und Vorträge gehalten - und davon zehn Prozent Auswahl meines Lektors. Ich hoffe, das ist lesenswert.
König: Genießen Sie auch das Alter, Herr Hoffmann, dass Sie sagen, ja, war schön damals aber jetzt ist es auch schön?
Hoffmann: Ja, ich beklage mich nicht und die kleinen Wehwehchen, die sind ja altersbedingt, die sitzen aber Gott sei Dank in den Füßen und nicht im Kopf.