Kultur in Sachsen-Anhalt

Wie frei bleibt die Kunst?

07:04 Minuten
Porträt von Johannes Weigand vor unscharfen Lichtern. Er trägt ein dunkles Jackett und schaut ernst in die Kamera.
Als das Anhaltische Theater Dessau in einem Projekt mit Geflüchteten arbeitete, kamen dazu aus dem Landtag Reaktionen wie "linksversifft", erinnert sich Johannes Weigand. © picture alliance / dpa | Hendrik Schmidt
Johannes Weigand im Gespräch mit Julius Stucke |
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Bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt dürfte die AfD stark abschneiden. Gerät damit die Kultur unter Druck? Im Theater würden keine einfachen Botschaften vermittelt, sagt Johannes Weigand vom Anhaltischen Theater Dessau. Das erscheine manchen gefährlich.
An diesem Sonntag wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Die AfD dürfte dabei zweitstärkste, vielleicht sogar stärkste Partei noch vor der CDU werden, die bisher gemeinsam mit SPD und Grünen regiert. Bedeutet eine gestärkte AfD womöglich auch verstärkte Einflussversuche auf die Kultur in Sachsen-Anhalt?
"Unsere Arbeit ist sehr vielen Einflüssen ausgesetzt, trotzdem brauchen wir natürlich die berühmte Freiheit der Kunst", sagt Johannes Weigand, Generalintendant des Anhaltischen Theaters Dessau. "Wie wir arbeiten, ist wesentlich komplexer als die Gedanken, die sich eine solche Partei zur Kulturpolitik macht. Und das mag auch das Problem sein, denn wir sind nicht Vermittler einfacher Botschaften."
Am Theater wollten sie stattdessen einen tieferen Gedankenaustausch mit dem Publikum führen, sagt Weigand. "Und das scheint, wenn es nicht ganz so eindeutig ist, gefährlich zu sein – für Leute, die mit einem einfachen Blick darauf gucken."
Der Intendant erinnert sich an eine Situation politischen Drucks, als das Theater vor fünf Jahren ein Projekt mit Geflüchteten hatte. "Da gab es im Landtag sehr direkte Einlassungen dazu, mit den entsprechenden Schlagworten: ‚linksversifft‘ und ‚grünversifft‘, oder was da so alles kommt." Ansonsten nehme er nur Parolen wahr, die erkennbar nichts mit dem zu tun hätten, was tatsächlich am Theater passiere.
Als Theaterschaffender müsse man sehr aufpassen, dass man nicht von vorneherein mitdenke, dass sich ein kulturelles Stimmungsbild verändern könnte – denn das führe zu Unfreiheit, betont Weigand.

Keine politische Einflussnahme auf das Programm

Bisher hat Weigand den Eindruck, dass sein Haus politische Unterstützung genießt: In der Stadt sei das Theater bislang absolut unumstritten. Auf Landesebene sei der Kontakt zur Staatskanzlei und zum Kulturminister in der vergangenen Legislaturperiode relativ eng gewesen, durch die vielen Videokonferenzen in der Pandemie habe es auch einen regelmäßigen Austausch gegeben.
"Eine Einflussnahme seitens der regierenden Parteien auf das Programm hat es natürlich nicht gegeben", unterstreicht Weigand.
Die Soziologin Katharina Warda hat im Deutschlandfunk Kultur geschildert, dass es in Sachsen-Anhalt Räume gebe, in denen sich Menschen offen rechts und rassistisch verhalten könnten, und kaum Räume, in denen sich Minderheiten sicher fühlen könnten. Gefragt, ob Theater und Kultur mithelfen könnten solche sicheren Räume zu schaffen, antwortet der Intendant, dass er davon ausgehe, dass ein recht freier Geist in den Vorstellungen herrsche. "Obwohl ich ganz sicher bin, dass wir von Wählern des gesamten Spektrums besucht werden."
Das Theater beteilige sich an Gegenveranstaltungen zu rechten Aufmärschen, erzählt Weigand. "Es ist vielleicht ein Zeichen dafür, wie wichtig es ist, dass es so ein großes Stadttheater auch in einer Stadt wie Dessau-Roßlau gibt."
(jfr)
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