Kultur-Personalie

Offen und neugierig sein!

Yilmaz Dziwior im Gespräch mit Britta Bürger · 14.05.2014
Der Kunsthistoriker Yilmaz Dziewior, der aktuell noch das Kunsthaus Bregenz leitet, übernimmt zum 1. Februar 2015 die Leitung des Kölner Museums Ludwig. Der neuen Aufgabe blickt er mit großem Optimismus entgegen - und erzählt, was er am Museum Ludwig besonders schätzt.
Britta Bürger: Noch leitet er das Kunsthaus Bregenz, doch demnächst hat er mit dem Kölner Museum Ludwig ein anderes schönes Dach überm Kopf – Yilmaz Dziewior wird zum 1. Februar 2015 die Leitung dieses Hauses übernehmen, das bis heute vor allem die Handschrift von Kaspar König trägt. Nachdem er 2012 zurückgetreten war, folgte Philipp Kaiser als Direktor, schmiss allerdings nach nur einem Jahr aus familiären Gründen das Handtuch. Auf ihn folgt nun also Yilmaz Dziewior, dessen Name, um es gleich vorwegzunehmen, auf die türkischen und polnischen Wurzeln seiner Eltern verweist. Herr Dziewior, schönen guten Tag in Köln!
Yilmaz Dziewior: Guten Tag!
Bürger: Sie haben ja schon in den 90er-Jahren als freier Kurator für das Museum Ludwig gearbeitet. Was haben Sie von dem langjährigen Direktor Kaspar König gelernt?
Dziewior: Leider habe ich nicht für Kaspar König in dieser Zeit gearbeitet. Ich hatte auch mit einem sehr ausgewiesenen Kenner und einem sehr tollen Menschen zu tun, Marc Scheps war in dieser Zeit der Direktor des Museums. Von dem habe ich sehr viel gelernt, aber ich habe Kaspar König aus der Ferne natürlich immer als einen der wirklich herausragenden Kuratoren verfolgt und kenne ihn gut und kenne seine Arbeit gut.
Und ich glaube, was ich von ihm wie auch von anderen Kollegen, beispielsweise von Veit Loers oder auch Harald Szeemann oder anderen wirklich großen Doyen der Kuratoren gelernt habe, ist eine Offenheit. Das hoffe ich doch zumindest, dass ich offen bin und nicht vorgefasste Konzepte habe, sondern mich einlasse auf die jeweilige Situation, und aber auch immer wieder sehr neugierig bin. Und das gefällt mir an dem Beruf besonders, dass ich immer wieder auf neue, spannende Positionen treffe, auf neue Inhalte stoße, mit denen es sich lohnt, sich auseinanderzusetzen.
Bürger: Und nun auf ein neues Haus. Was lieben Sie am Museum Ludwig?
Dziewior: In erster Linie die Sammlung. Die Sammlung des Museum Ludwig ist wirklich herausragend. Da ist natürlich zu nennen die Pop-Art. Da ist das große Picasso-Konvolut, da ist die russische Avantgarde. Da müssen Sie schon sonst weit reisen, um wirklich in so dicht gedrängter und vor allen Dingen qualitativ hoher Form und auch in der epischen Breite, die diese Bestände haben, das zu finden.
Hinzu kommt das fotografische Konvolut, das auch sehr bedeutend ist. Das sind Aspekte, die mir an der Sammlung oder überhaupt an dem Haus besonders gut gefallen. Hinzu kommt, dass Peter Ludwig einer der ersten war, der schon in den 80er-Jahren, bevor es überhaupt so etwas wie einen Globalisierungsdiskurs gab, schon ganz praktisch einfach sehr früh Kunst aus Afrika, aus Asien, aus Lateinamerika gesammelt hat. Und ich freue mich, jetzt hier ab Februar 2015 der neue Direktor sein zu dürfen und mich da genau mit diesen Schwerpunkten, mit diesem sogenannten Außereuropäischen intensiv, auch aufgrund der Sammlungsgeschichte auseinandersetzen zu dürfen.
Bürger: Kunst und Globalisierung, das war ja auch das Thema einer großen Ausstellung in Köln, an der Sie beteiligt waren, "Kunstwelten im Dialog", im Jahr 2000 war das. Welche anderen Diskurse interessieren Sie denn mit Blick auf die zeitgenössische Kunst. Was sind derzeit Debatten, an denen Sie dran sind?
Peter Ludwig sammelte früh Kunst aus Afrika und Asien
Dziewior: Das ist, glaube ich, auch biografisch bedingt. Ich habe meine Dissertation über Mies van der Rohe geschrieben, und auch, wenn ich mit meiner Arbeit zurückverfolge, zurückblicke, dann sind das doch immer so Fragestellungen, die, wenn man es vereinfachend sagen möchte, einen interdisziplinären Ansatz darstellen. Also wie gesagt über Mies van der Rohe, einer der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhundert, darüber sowohl die Magisterarbeit als auch die Dissertation geschrieben.
Häufig habe ich mit Künstlerinnen und Künstlern zusammengearbeitet, für die Musik, für die Theater, Tanz eine große Rolle spielt. Ich durfte beispielsweise eine große Ausstellung mit Yvonne Rainer, also eine sehr legendäre, muss man heute sagen, Pionierin des Tanzes, die großen Einfluss auf die zeitgenössische Kunst hatte und nach wie vor hat, also für junge Künstlerinnen und Künstler bedeutend ist.
Also, dieses Interdisziplinäre ist ein Aspekt, der mich sehr interessiert, und ein weiterer ist, was man vereinfachend oder was gerne unter dem Label der Institutionskritik subsumiert wird, wo ich eher aber Institutionsreflexion verstehen würde, also: Wie situiert man sich auch als Leiter, aber auch als Institution sowohl in der Gesellschaft, aber auch, wie geht man mit den institutionellen Parametern, die dieses Haus hier hat, wie geht man damit um, auf architektonischer Ebene, auf gesellschaftlicher Ebene, wie ist diese Institution in der Stadt verordnet. Das sind Punkte, die mich doch sehr, sehr interessieren.
Bürger: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem künftigen Direktor des Kölner Museums Ludwig, dem Kunsthistoriker Yilmaz Dziewior, nach Stationen beim Hamburger Kunstverein und derzeit noch dem Kunsthaus Bregenz ist das nun schon das dritte renommierte Museum in seiner Karriere. Ihr unmittelbarer Vorgänger, Philipp Kaiser, der ist ja – ich habe es eingangs gesagt – nach nur einem Jahr zurückgegangen nach Los Angeles. Es heißt, aus familiären Gründen, doch er hat, wie die "Süddeutsche Zeitung" heute schreibt, kaum eine Gelegenheit ausgelassen, die unproduktive Kölner Kulturpolitik zu bemängeln.
Sie haben jetzt gerade schon selbst die institutionellen Parameter angesprochen. Uns interessiert deshalb natürlich auch, was Sie bei dem Vertragsabschluss für die finanzielle Situation des Hauses aushandeln konnten. Der Erfolg des Museums Ludwig hängt natürlich auch mit der finanziellen Ausstattung zusammen, mit dem Ankaufs- und Ausstellungsetat.
Dziewior: Das waren wichtige Faktoren, die bei der Verhandlung eine Rolle spielten. Anfang Februar wurde ich das erste Mal kontaktiert von der Stadt, und das waren Prämissen, und das hat die Stadt, auch Frau Laugwitz-Aulbach, die Kulturdezernentin, aber auch Herr Rothers, der Oberbürgermeister, und, natürlich auch sehr wichtig, die Stadtkämmerin, Frau Klug, die sehen das genauso, und da bin ich froh, dass wir das auch in meinem Vertrag verankert haben, nämlich, dass das strukturelle Defizit, das dieses Haus einfach de facto hat, über viele Jahre hatte und hat, dass das angegangen wird.
Das wird ein gemeinsamer Prozess sein, und natürlich wird auch die Institution, werden ich und das Team versuchen, dem entgegenzuarbeiten, und natürlich versuchen, Kosten zu minimieren, aber das muss auch in erster Linie von der Stadt passieren. Aber mich freut es sehr, muss ich sagen, dass ich in den Gesprächen, die ich mit den drei genannten Personen beispielsweise hatte, dass mir da volle Unterstützung zugesichert wurde, und nicht nur verbal, sondern dass ich das auch in dem Vertrag verankert habe.
Bürger: Nur in Worten oder auch in Zahlen?
Dziewior: In Zahlen. Das hatte Philipp Kaiser ja öffentlich gemacht, dass das strukturelle Defizit sich auf 800.000 Euro beläuft und dass wir jetzt erst mal – das haben mir die drei Partner zugesagt, dass sie alles daran setzen werden. Und wenn sie es nicht schaffen, wer dann? -. dass das Museum die jetzt angelaufenen Kosten nicht übernimmt, sondern dass das quasi erlassen wird. Und aber, was mir noch wichtiger ist, nicht diese einmalige Sache, sondern dass wir gemeinsam mit der Politik Wege finden, das Haus wirklich auch strukturell besser aufzustellen. Das wird ein langwieriger Prozess, dessen bin ich mir bewusst. Aber ich habe auch Erfahrung in diesen Bereichen, und ich habe gemerkt jetzt, die Diskussionen, die wir hatten, dass das die andere Seite ähnlich sieht.
Bürger: Und Sie haben erst mal Zeit. Sieben Jahre mit der Option auf Verlängerung. Es läuft, kann man sagen, gerade richtig gut für Sie. Im kommenden Jahr werden Sie nämlich auch noch den österreichischen Pavillon der Biennale in Venedig kuratieren. Vermutlich werden Sie noch nicht sagen, was Sie da genau vorhaben, zumindest lese ich das in den Zeitungen so, aber vielleicht können Sie uns einen Begriff nennen, der Sie bei den Planungen gerade besonders beschäftigt.
Köln, Stadtansicht - das römisch germanische Museum, das Museum Ludwig und der Kölner Dom
Köln, Stadtansicht - das römisch germanische Museum, das Museum Ludwig und der Kölner Dom© picture alliance / dpa
"Mich beschäftigt die Frage der nationalen Identität"
Dziewior: Das ist mit Sicherheit die Frage der nationalen Identität. Wir befinden uns ja dort an einem sehr speziellen Ort auf der Biennale in Venedig, die als Institution ja diese kulturelle und nationalstaatliche Repräsentation verhandelt. Und natürlich werde auch ich beziehungsweise die künstlerische Position oder Positionen, mit denen ich dort zusammenarbeiten darf, das wird ein Thema sein, aber das ist, was sehr nahe liegt auch für die Institution der Biennale. Dann ist das einfach eine wunderbare Ausstellungsarchitektur, der Pavillon, der sehr stark von Hoffmann geprägt ist, Ernst Hoffmann, also, das ist wirklich etwas, was mit Sicherheit da sich niederschlagen wird in dem Beitrag 2015, österreichischer Pavillon auf der Biennale in Venedig.
Bürger: Und wenn Sie sich sonst so in der Welt umschauen, Herr Dziewior, welches ist Ihr persönliches Lieblingsmuseum außerhalb Europas?
Dziewior: Außerhalb Europas – das ist eine gute Frage. Ich weiß nicht, ob ich von einem Lieblingsmuseum sprechen würde, ich kann nur sagen, was bisher die Kooperationspartner unserer Institution, also des Museums Ludwig in Köln, sind, und das sind natürlich Institutionen wie das Centre Pompidou, was ich sehr, sehr schätze, gerade aufgrund dieses interdisziplinären Ansatzes. Und im Moment ist dort eine Ausstellung beispielsweise der Präsentation der Sammlung, wo genau diese Frage der verschiedenen Modernen verhandelt wird. Wir wissen, es gibt nicht nur eine europäische Moderne, sondern es gibt auch eine Moderne in Asien, in Lateinamerika. Eine Institution wie das Centre Pompidou oder natürlich – ich finde, was mein Kollege in der Tate Modern, der Chris Dercon dort macht, das ist absolut herausragend und richtungsweisend. Aber auch mit ihm kooperieren wir ja.
Und die nächste wirklich große Ausstellung hier im Haus, die mein Vorgänger noch eingeleitet ist, die wirklich absolut beeindruckende Retrospektive eines Kölner Künstlers ausgerechnet, nämlich Polke im Museum of Modern Art in New York – das sind Partner, mit denen ich unser Haus gerne weiterhin in Beziehung setzen möchte und da im regen Austausch stehe.
Bürger: Yilmaz Dziewior spielt also in der ersten Liga mit. Derzeit noch Direktor des Kunsthauses Bregenz. Zum ersten Februar übernimmt er die Leitung des Kölner Museums Ludwig. Wir sind gespannt, wieder von Ihnen zu hören, Herr Dziewior – besten Dank fürs Gespräch!
Dziewior: Vielen Dank, danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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