Kultur tut gut - oder Berliner Kulturgut
Die Debatte über die Kosten der Kultur hat gerade erst begonnen und wie immer zeigen sich die Probleme - wie in einem Brennglas - zuerst in Berlin.
Kurz vor Weihnachten geriet die Deutsche Oper noch einmal in die Schlagzeilen. Aber die Aufführung von Mozarts "Idomeneo", die im September wegen diffuser Terrorängste abgesetzt worden war, verlief unter gigantischem Sicherheitsaufwand reibungslos. Nichts als ein paar Buhs zum Schluss.
Damit könnte man fast sagen Ende gut, alles gut, wenigstens einigermaßen. In Wirklichkeit sieht es aber gar nicht gut aus für die Deutsche Oper und die anderen beiden Opernhäuser der Stadt, die Staatsoper unter den Linden und die Komische Oper. Und das in einer Stadt, die ihre Attraktivität, national und international ihrer kulturellen Vielfalt und Lebendigkeit verdankt. In dieser Situation zieht vor allem der nassforsche Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, seit kurzem zugleich auch Kultursenator, heftige Kritik auf sich. Monika Grütters, in den Bundestag abgewanderte Kulturexpertin der Berliner CDU:
"Da muss man natürlich mit dem stärksten Pfund, was man hat, als Regierungschef wuchern. Was er aber tut, ist so zu tun, als habe er es mit lästigen Problemen zu tun. Und das ist die Diktion eines Regierenden Kultursenators Wowereit, der damit die Potenziale nicht nur seiner Stadt, sondern der Hauptstadt Deutschlands schlechter redet als sie sind."
Anlass für diesen Ausbruch ist in erster Linie der Umgang mit den drei Opern. Das finanziell Not leidende Berlin, so Wowereit kürzlich vor dem Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses, könne sich nur zwei Häuser leisten:
"Ich glaube nicht, dass das Land Berlin in der Lage sein wird, auf absehbare Zeit, da ist es auch völlig egal, welche Regierung in welcher Farbkomposition hier sein wird – drei Opernhäuser so auszustatten, finanziell, dass sie konkurrenzfähig sein können mit den Häusern in Paris, München oder woanders."
Die Staatsoper möchte der Regierende gerne dem Bund zuschieben, sie sei, so sagte er an die Adresse der Kanzlerin, nun mal eine Staatsoper und keine Stadtoper. Doch die Chancen, dass der Bund auf diese Weise in die Bresche springt, sind äußerst gering. Die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Monika Griefahn, hat für ihren Parteifreund Wowereit diese Botschaft:
"Für den laufenden Betrieb der Oper wird es sicher vom Bund kein Geld geben, und es wird auch keine Bundesoper geben."
Den Ärger der Bundespolitiker hat sich Berlins Regierender Bürgermeister nicht nur durch seinen rüden Umgangston zugezogen. Als er vor einiger Zeit überraschend verkündete, die Stadt werde sich an der dringend nötigen Sanierung der Staatsoper nicht beteiligen, musste sich der Staatsminister für Kultur, Bernd Neumann, ziemlich düpiert fühlen. Er hatte nämlich zugesagt, der Bund werde 50 Millionen Euro für diesen Zweck zur Verfügung stellen. Da eine Initiative privater Mäzene sich bereit erklärte, weitere 30 Millionen aufzubringen, wäre Berlin für die restlichen 50 Millionen Euro zuständig. Die Weigerung, diese Verantwortung wahrzunehmen, hat Berlins Werben um Unterstützung nicht gut getan.
Die Sanierung der völlig maroden Staatsoper ist nur eines der Probleme. Die Opernkrise geht viel tiefer, ist komplexer und hält nun schon seit bald 15 Jahren die interessierte Öffentlichkeit in Atem. Kann, muss Berlin drei Opern haben? Diese Frage wird seit der Wiedervereinigung diskutiert. Monika Grütters beantwortet sie so:
"Berlin hat ja keine neue Oper errichtet, sondern wir leben seit der Wende mit drei Opernhäusern, und wir könnten sie uns leisten, wenn wir das denn wollten. Bei nur 1,8 Prozent Landesmitteln für Kultur im Haushalt ist da Spielraum meines Erachtens."
Die Schließung einer Oper, und dabei ging es von Anfang an um die Deutsche Oper im alten Westberlin, schien einigen Stadtpolitikern der bequemste Ausweg für das finanzschwache Berlin. Es war wieder der Bund, der zur Hilfe eilte: Durch die Übernahme gesamtstaatlich bedeutsamer Institutionen wie die Akademie der Künste, die Kinemathek, die Berliner Festspiele, das Museum im Hamburger Bahnhof wurde die Stadt um rund 30 Millionen Euro pro Jahr entlastet, im Gegenzug verpflichtete sie sich vertraglich, die drei Opernhäuser zu erhalten.
Als rettendes Dach sollte die Opernstiftung dienen, die 2004 gegründet wurde. Sie sollte eine bessere Spielplanabstimmung und eine Kosten sparende Kooperation bei den Werkstätten, dem Marketing und dem Kartenverkauf vorantreiben. Dennoch hat sich die Opernstiftung als Fehlkonstruktion erwiesen. Ihr Generaldirektor, Michael Schindhelm, wirft nach nicht einmal zwei Jahren das Handtuch. Die Sparauflagen – 17 Millionen Euro bis 2009 – hält er für nicht realisierbar.
Im Zentrum der Spekulationen steht nach wie vor die Deutsche Oper. Während die Staatsoper unter ihrem Chef Daniel Barenboim glänzte, geriet die Westberliner Oper in einen Sumpf aus Intrigen, Führungs- und Personalquerelen und politischer Ignoranz. Dies alles, verbunden mit künstlerischen Fehlgriffen und einem Repertoire, das nur noch für eine Sitzauslastung von rund 60 Prozent gut war, reichte manchem Politiker, das Haus auf die Abschussliste zu setzen.
Als Rettungsanker hat Michael Schindhelm vorgeschlagen, die Deutsche Oper in einen Semi-Stagione-Betrieb umzuwandeln. Das hieße, statt wie bisher nahezu täglich ein anderes Programm zu bieten, zu bestimmten Zeiten ein Stück Wochen lang auf den Spielplan zu setzen. Kerstin Harms, die als Intendantin einen Neuanfang zustande bringen soll, in den letzten Monaten aber vor allem den Skandal um die Absetzung des "Idomeneo" bewältigen musste, hält den angeblichen Rettungsvorschlag für tödlich:
"Das würde bedeuten, dass die Abende, die hier gespielt werden, drastisch reduziert würden, dass die Deutsche Oper ihr Ensemble aufgeben müsste und dass statt dessen die Mehrzahl aller Produktionen eingekauft würde von außen."
Bei der Diskussion über die Deutsche Oper, die sich als einzige der drei Opern in Westberlin befindet, geht es um mehr als dieses Haus, es geht um die Frage, welchen Stellenwert die Kultur in der Hauptstadt für die Bundesrepublik hat, und es geht um ein Stück Geschichte. Was eine Schließung der Deutschen Oper bedeuten würde, formuliert Monika Grütters so:
"Es wäre einer der größten Imageschäden, den die Kultur Deutschlands, nicht nur Berlins, zu verzeichnen hätte. Nach dem Skandal um die Schließung des Schillertheaters, die einer Momentaufnahme geschuldet war damals - weil das Schillertheater unter einer schwierigen Führung nicht viel Erfolg hatte, ist eines der großen Theater einfach so von der Bildfläche verschwunden. Das darf man hier niemals wiederholen."
Eine Schließung der Deutschen Oper, übrigens die modernste und größte Opernbühne der Stadt, will auch der Regierende Bürgermeister nicht, ohne aber bisher imstande zu sein zu sagen, wie er sich eine Lösung der Krise vorstellt:
"Ich bin dezidiert der Auffassung, dass wir uns von keinem Haus trennen sollten."
Das hören die Betroffenen, in erster Linie die Opernintendanten, natürlich gerne. Aber ein Ende der Unsicherheit ist noch nicht abzusehen.
Wie reagieren die Opernchefs, gibt es eine Solidarität und wenn ja, wie weit reicht sie? Der Intendant der Komischen Oper, Andreas Homoki, zeigt die Grenzen auf:
"Von mir kann niemand verlangen, die Komische Oper preiszugeben, um die anderen Opernhäuser besser auszustatten. Und umgekehrt werde ich nicht etwas vorschlagen, was den beiden anderen Häusern schadet, damit ich besser wegkomme. Also, Solidarität ja, aber es kann nicht so sein, dass wir wie drei Leute, die in einem Boot sitzen und stellen fest, wir sind zu schwer, und das Boot beginnt zu sinken, und was sollen wir tun, einer muss aussteigen oder jeder hackt sich einen Arm ab."
Ob sich an der Misere etwas dadurch ändert, dass Klaus Wowereit das Amt des Kultursenators selbst übernommen und die Kultur damit zur Chefsache gemacht hat, ist völlig offen. Die Reaktionen auf diese Entscheidung sind sehr unterschiedlich. Skepsis bis Empörung herrscht vor allem bei Kulturpolitikern.
Es sind überraschenderweise Künstler, die eher unaufgeregt, wenn nicht sogar positiv reagieren, vor allem weil Andre Schmitz zum Kulturstaatssekretär ernannt wurde, ein ausgewiesener und anerkannter Kenner der kulturellen Szene Berlins. So schöpft Kerstin Harms für ihren Kampf um die Deutsche Oper neue Hoffnung:
"Ich weiß, dass er das Ganze in eine positive Richtung lenken möchte, um auch ein Ende der selbstzerstörerischen Diskussion um Schließung, können wir nicht, wollen wir nicht, herbeizuführen. Ich glaube, da hat er Weitblick und insofern gehe ich mit großen Hoffnungen in die Zukunft."
Der Regierende hat inzwischen seinen Ton ein wenig gemäßigt. Sein Staatssekretär ist um Entspannung mit dem Bundeskanzleramt bemüht. Szenarien werden entwickelt, in denen die Opernfrage Teil eines Pakets zwischen Berlin und dem Bund ist.
Die Opern sind nur eine Baustelle von vielen. Der Umgang mit ihnen kann deshalb als symptomatisch für den Umgang mit der Kultur in dieser Stadt gelten. Das meint jedenfalls Alice Ströwer, Vorsitzende des Kulturausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses
"Sehr symptomatisch, weil man die Dinge nicht vom Ende her sieht. Man sieht nicht, was möchte ich erreichen mit einer guten Ausstattung von Kultureinrichtungen im Land Berlin, wozu dienen die Kultureinrichtungen, wofür brauchen wir das, was die Zukunftsfragen der Stadt anbetrifft. Dabei ist es ein Sektor, der über den öffentlich geförderten Bereich hinausstrahlt in den privatwirtschaftlichen Kulturbereich und insgesamt schon 100.000 Arbeitsplätze schafft."
Angesichts des lauten Geschreis, das in der Stadt oft auf Grund der fehlenden Finanzmittel und vor allem seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts angestimmt wird, das jedem Anspruch auf weitere Hilfen des Bundes eine Absage erteilt hat , ist es angebracht, sich zu vergegenwärtigen, was der Bund bereits für die Kultur der Hauptstadt tut. Er gibt mit 340 Millionen Euro etwa so viel aus wie das Land selbst dafür aufbringt. Um so mehr verärgert der fordernde Ton von der Spree die anderen Bundesländer. Deshalb warnt Monika Griefahn:
"Da hat auch der Regierende Bürgermeister eine wichtige Aufgabe in der Präsentation. Er darf nicht als arrogant auftreten, sondern er muss eine Mischung finden zwischen Demut und Kooperation mit den anderen Bundesländern und auf der anderen Seite die Wichtigkeit der Berliner Kultur darstellen."
Die ewige Krisendiskussion will nicht so recht zu dem Umstand passen, dass Berlin für Künstler aus aller Welt inzwischen zu den begehrtesten Standorten gehört. Die CDU- Politikerin Monika Grütters:
"Die neuen Impulse kommen nicht aus der Wirtschaft, sie kommen, jungen, kreativen, hungrigen, neugierigen Menschen."
Es sind oft Künstler, die ganz ohne öffentliche Förderung oder mit sehr geringen Beiträgen aus öffentlichen Töpfen aller Art auskommen müssen. Es ist also keineswegs so, als ob alle Welt sofort nach staatlichem Geld riefe.
Originelle Lokalitäten mit niedrigen Mieten, aber auch die Bereitschaft, bis zur Selbstausbeutung zu gehen, kennzeichnen diesen Teil der kulturellen Szene. Eine Institution, die künstlerischen Aktivitäten der unterschiedlichsten Art Raum und Chancen gibt, ist die Kulturbrauerei in Berlin Mitte, an der Schönhauser Allee. Die ehemalige Schultheißbrauerei, in der Veranstaltungsorte "Machinenhaus" oder "Kesselhaus" heißen, verbindet auf einmalige Weise kommerzielle Nutzung und künstlerische Aktivitäten. Sören Birke, Geschäftsführer der Konsens GmbH, die dort Hunderte von Veranstaltungen organisiert und Dutzenden von Gruppen beisteht, antwortet auf die Frage, ob die Kulturbrauerei mit ihrer speziellen Mixtur ein Modell für andere sein könnte:
"Die Kulturbrauerei, so wie sie jetzt gewachsen ist, mit der Struktur des Zusammengehens von so genannter kommerzieller und so genannter geförderter Kultur ist in jedem Fall ein Modell. Wir lernen jeden Tag, dass sich beide Seiten sehr gut ergänzen können."
Kino, Theater, Lesungen, Life-Musik, sogar Opernaufführungen finden in diesem sorgfältig restaurierten Riesenkomplex das ganze Jahr über statt. Auch Paternoster, das Improvisationstheater, hat sich hier niedergelassen. Warum, erläutert der Gründer und Manager, Stefan Weiss:
"Diese Vielfalt in der Kulturbrauerei finde ich sehr reizvoll, und das ist eine Anlaufstelle für viele verschiedene Kulturprogramme, und da muss ich sagen, die Kulturbrauerei ist einfach ein schöner Ort für uns als Paternoster-Improvisationstheater."
Jeden Mittwoch spielt die Truppe im "Maschinenhaus" vor begeistertem Publikum, das die Stichworte liefert, aus denen die Schauspieler ihre kurzen Stücke gestalten müssen. Eine von ihnen ist Carola Neitzel, die früher an subventionierten Bühnen gearbeitet hat und zu den Gründungsmitgliedern der Paternoster-Truppe gehört:
"Mir hat das gerade beim Improvisieren so gut gefallen, dass es jedes Mal neu, jedes Mal frisch ist, jedes Mal eine Premiere sozusagen. Und dass man auch nicht nur so ein kleines Rädchen in einer riesigen Inszenierung ist und der Regisseur alle Fäden in der Hand hat, sondern hier haben wir selber die Fäden in der Hand."
Das ist es auch, was Stefan Weiss, dem Gründer und heutigen Manager wichtig ist. Öffentliche Gelder bekommt Paternoster nicht und klagt dennoch nicht. Man profitiert von der niedrigen Miete – 2,50 Euro pro Quadratmeter – und kommt durch verschiedene Aktivitäten über die Runden. Stefan Weiss erläutert, wie:
"Wir sind komplett frei und finanzieren uns natürlich über Eintrittsgelder, über die verschiedenen Shows, die wir anbieten. Und selbstverständlich machen wir auch Shows für Firmen, für Kunden, die etwas verändern möchten in ihrem Unternehmen, die einfach auf emotionale Weise Problematiken im Unternehmen ansprechen möchten, die man vielleicht in einem Vortrag oder so nicht thematisieren kann. Wir sind ein Ensemble von 13 und haben damit ein gutes Standbein. Wir können uns nicht beklagen."
Die Kulturbrauerei bekommt rund 230.000 Euro pro Jahr vom Senat. Man beschwert sich nicht, das sei zu wenig. Aber Grenzen setzt diese Summe sicherlich. Das Geld ist immer knapp, so Sören Birke:
"Es reicht gerade so, um die Dinge zu halten wie sie sind. Aber es nicht möglich, auch mal sich zu leisten, etwas auszuprobieren, zu experimentieren, wo man nicht ganz genau weiß, ob die 10.000 Euro, die man in etwas investiert, auch wieder zurückkommen."
Für einzelne Projekte müssen je spezielle Anträge gestellt werden. Ein mühsames Geschäft, das auch Amelie Deuflhard, die künstlerische Leiterin der Sophiensäle kennt. Vor zehn Jahren wurden sie spektakulär eröffnet mit Sasha Walz und ihrer Tanz-Kompagnie. Sie ist längst zu einer der prominentesten Choreographinnen geworden und hat heute ein eigenes Domizil. Auch andere, wie die Argentinierin Constanza Macras verdanken ihren Durchbruch den Sophiensälen.
700.000 Euro bekommen die Sophiensäle pro Jahr an öffentlichen Geldern. Das reicht für die Aufrechterhaltung des Betriebs, die Miete, die Gehälter. Nicht für die Projekte.
Die Kulturbrauerei hat ihr Publikum in allen Schichten, zieht auch Familien mit Kindern an. Man kann dort aus dem Theater direkt in eine Bar gehen. Kulturelle Kommunikation lautet die Überschrift. Die Sophiensäle richten sich an eine eher intellektuelle Schicht. An ihrem Beispiel lässt sich vielleicht am ehesten nachweisen, dass die Trennung von Hochkultur und Offkultur oder freier Szene längst nicht mehr so strikt ist wie noch vor wenigen Jahren. Monika Griefahn:
"Für viele Leute ist es schon interessant, mal in die Oper zu gehen. Aber sie gucken gleichzeitig die Szene an, schauen die verschiedenen Tanzaufführungen an oder die Clubszene oder sonstige Dinge, und ich glaube, diese Dynamik und Eigeninitiative, die damit verbunden ist, sollte vielleicht auf die großen Institutionen ein bisschen überschwappen, und man kann sich da auch ein bisschen abgucken."
Einer der wichtigsten Fördertöpfer für die freie, innovative, junge Szene ist der Hauptstadtkulturfonds, ein weiteres Beispiel für das Engagement des Bundes in Berlin. Zehn Millionen stehen dem Fonds zur Verfügung. Ohne ihn könnten viele Projekte nicht verwirklicht werden. Allerdings gehören zu den Nutznießern keineswegs nur die am Rande. Im Gegenteil. Amelie Deuflhard kritisiert, es gebe …
" … in den letzten zwei Jahren eine deutliche Tendenz, dass alle großen und gut finanzierten Institutionen plötzlich auch in den freien Töpfen beantragen. Und zwar typischerweise mit Künstlern, die im Freien ihren Weg gemacht haben und die dann mit ihrem Projekt an Institutionen angedockt werden. Und wenn dieser Prozess so weitergeht, dass zunehmend freie Gelder an große Institutionen gehen, dann könnte es Probleme geben."
Der Kurator des Hauptstadtkulturfonds, Elmar Weingarten, rechtfertigt das Vorgehen:
"Die Beträge, die an solche großen Einrichtungen gehen, das liegt unter zehn Prozent des gesamten Volumens. Das ist das eine. Das zweite ist, dass die Jury und ich und der gemeinsame Ausschuss der Meinung sind, dass Ausstellungen, bestimmte große, bedeutende Ausstellungen, auch finanziert werden können müssen durch den Hauptstadtkulturfonds, weil sie Berlin insgesamt nutzen."
Dass beim Kampf um knappe Mittel die freie Szene den Kürzeren ziehen könnte, ist die große Sorge der Freien Szene. Noch einmal Amelie Deuflhard :
"Ich finde, die Politik soll sich mal entscheiden, was sie mit den Opernhäusern machen will und dann auch die Finanzierung dafür bereitstellen. Was nicht sein kann, ist, dass es zu Lasten einer sehr vitalen freien Szene in Berlin geht. Weil, was Berlin ausmacht, auch im Image nach außen, sind viel mehr die Experimente. Das ist, was das Image von Berlin ausmacht und sehr viel weniger die großen Tanker."
Die besondere Kraft und Ausstrahlung der Berliner Kulturszene scheint man eher in der Ferne richtig zu würdigen und nicht an der Spree selbst. Natürlich sind auch die Berliner stolz darauf. Aber man muss doch fragen, weshalb ausgerechnet die einzige Wachstumsbranche der Stadt mit rund 100.000 Beschäftigten bluten muss, um den Etat zu retten. Viel ist da nämlich nicht zu holen. Angesichts der Gesamtschulden von 60 Milliarden Euro und jährlichen Zinsen von 2,5 Milliarden, muten die Aufwendungen für die Kultur äußerst bescheiden an. Sie betragen noch nicht einmal zwei Prozent des Etats und sind in den letzten Jahren drastisch geschrumpft.
Damit könnte man fast sagen Ende gut, alles gut, wenigstens einigermaßen. In Wirklichkeit sieht es aber gar nicht gut aus für die Deutsche Oper und die anderen beiden Opernhäuser der Stadt, die Staatsoper unter den Linden und die Komische Oper. Und das in einer Stadt, die ihre Attraktivität, national und international ihrer kulturellen Vielfalt und Lebendigkeit verdankt. In dieser Situation zieht vor allem der nassforsche Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, seit kurzem zugleich auch Kultursenator, heftige Kritik auf sich. Monika Grütters, in den Bundestag abgewanderte Kulturexpertin der Berliner CDU:
"Da muss man natürlich mit dem stärksten Pfund, was man hat, als Regierungschef wuchern. Was er aber tut, ist so zu tun, als habe er es mit lästigen Problemen zu tun. Und das ist die Diktion eines Regierenden Kultursenators Wowereit, der damit die Potenziale nicht nur seiner Stadt, sondern der Hauptstadt Deutschlands schlechter redet als sie sind."
Anlass für diesen Ausbruch ist in erster Linie der Umgang mit den drei Opern. Das finanziell Not leidende Berlin, so Wowereit kürzlich vor dem Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses, könne sich nur zwei Häuser leisten:
"Ich glaube nicht, dass das Land Berlin in der Lage sein wird, auf absehbare Zeit, da ist es auch völlig egal, welche Regierung in welcher Farbkomposition hier sein wird – drei Opernhäuser so auszustatten, finanziell, dass sie konkurrenzfähig sein können mit den Häusern in Paris, München oder woanders."
Die Staatsoper möchte der Regierende gerne dem Bund zuschieben, sie sei, so sagte er an die Adresse der Kanzlerin, nun mal eine Staatsoper und keine Stadtoper. Doch die Chancen, dass der Bund auf diese Weise in die Bresche springt, sind äußerst gering. Die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Monika Griefahn, hat für ihren Parteifreund Wowereit diese Botschaft:
"Für den laufenden Betrieb der Oper wird es sicher vom Bund kein Geld geben, und es wird auch keine Bundesoper geben."
Den Ärger der Bundespolitiker hat sich Berlins Regierender Bürgermeister nicht nur durch seinen rüden Umgangston zugezogen. Als er vor einiger Zeit überraschend verkündete, die Stadt werde sich an der dringend nötigen Sanierung der Staatsoper nicht beteiligen, musste sich der Staatsminister für Kultur, Bernd Neumann, ziemlich düpiert fühlen. Er hatte nämlich zugesagt, der Bund werde 50 Millionen Euro für diesen Zweck zur Verfügung stellen. Da eine Initiative privater Mäzene sich bereit erklärte, weitere 30 Millionen aufzubringen, wäre Berlin für die restlichen 50 Millionen Euro zuständig. Die Weigerung, diese Verantwortung wahrzunehmen, hat Berlins Werben um Unterstützung nicht gut getan.
Die Sanierung der völlig maroden Staatsoper ist nur eines der Probleme. Die Opernkrise geht viel tiefer, ist komplexer und hält nun schon seit bald 15 Jahren die interessierte Öffentlichkeit in Atem. Kann, muss Berlin drei Opern haben? Diese Frage wird seit der Wiedervereinigung diskutiert. Monika Grütters beantwortet sie so:
"Berlin hat ja keine neue Oper errichtet, sondern wir leben seit der Wende mit drei Opernhäusern, und wir könnten sie uns leisten, wenn wir das denn wollten. Bei nur 1,8 Prozent Landesmitteln für Kultur im Haushalt ist da Spielraum meines Erachtens."
Die Schließung einer Oper, und dabei ging es von Anfang an um die Deutsche Oper im alten Westberlin, schien einigen Stadtpolitikern der bequemste Ausweg für das finanzschwache Berlin. Es war wieder der Bund, der zur Hilfe eilte: Durch die Übernahme gesamtstaatlich bedeutsamer Institutionen wie die Akademie der Künste, die Kinemathek, die Berliner Festspiele, das Museum im Hamburger Bahnhof wurde die Stadt um rund 30 Millionen Euro pro Jahr entlastet, im Gegenzug verpflichtete sie sich vertraglich, die drei Opernhäuser zu erhalten.
Als rettendes Dach sollte die Opernstiftung dienen, die 2004 gegründet wurde. Sie sollte eine bessere Spielplanabstimmung und eine Kosten sparende Kooperation bei den Werkstätten, dem Marketing und dem Kartenverkauf vorantreiben. Dennoch hat sich die Opernstiftung als Fehlkonstruktion erwiesen. Ihr Generaldirektor, Michael Schindhelm, wirft nach nicht einmal zwei Jahren das Handtuch. Die Sparauflagen – 17 Millionen Euro bis 2009 – hält er für nicht realisierbar.
Im Zentrum der Spekulationen steht nach wie vor die Deutsche Oper. Während die Staatsoper unter ihrem Chef Daniel Barenboim glänzte, geriet die Westberliner Oper in einen Sumpf aus Intrigen, Führungs- und Personalquerelen und politischer Ignoranz. Dies alles, verbunden mit künstlerischen Fehlgriffen und einem Repertoire, das nur noch für eine Sitzauslastung von rund 60 Prozent gut war, reichte manchem Politiker, das Haus auf die Abschussliste zu setzen.
Als Rettungsanker hat Michael Schindhelm vorgeschlagen, die Deutsche Oper in einen Semi-Stagione-Betrieb umzuwandeln. Das hieße, statt wie bisher nahezu täglich ein anderes Programm zu bieten, zu bestimmten Zeiten ein Stück Wochen lang auf den Spielplan zu setzen. Kerstin Harms, die als Intendantin einen Neuanfang zustande bringen soll, in den letzten Monaten aber vor allem den Skandal um die Absetzung des "Idomeneo" bewältigen musste, hält den angeblichen Rettungsvorschlag für tödlich:
"Das würde bedeuten, dass die Abende, die hier gespielt werden, drastisch reduziert würden, dass die Deutsche Oper ihr Ensemble aufgeben müsste und dass statt dessen die Mehrzahl aller Produktionen eingekauft würde von außen."
Bei der Diskussion über die Deutsche Oper, die sich als einzige der drei Opern in Westberlin befindet, geht es um mehr als dieses Haus, es geht um die Frage, welchen Stellenwert die Kultur in der Hauptstadt für die Bundesrepublik hat, und es geht um ein Stück Geschichte. Was eine Schließung der Deutschen Oper bedeuten würde, formuliert Monika Grütters so:
"Es wäre einer der größten Imageschäden, den die Kultur Deutschlands, nicht nur Berlins, zu verzeichnen hätte. Nach dem Skandal um die Schließung des Schillertheaters, die einer Momentaufnahme geschuldet war damals - weil das Schillertheater unter einer schwierigen Führung nicht viel Erfolg hatte, ist eines der großen Theater einfach so von der Bildfläche verschwunden. Das darf man hier niemals wiederholen."
Eine Schließung der Deutschen Oper, übrigens die modernste und größte Opernbühne der Stadt, will auch der Regierende Bürgermeister nicht, ohne aber bisher imstande zu sein zu sagen, wie er sich eine Lösung der Krise vorstellt:
"Ich bin dezidiert der Auffassung, dass wir uns von keinem Haus trennen sollten."
Das hören die Betroffenen, in erster Linie die Opernintendanten, natürlich gerne. Aber ein Ende der Unsicherheit ist noch nicht abzusehen.
Wie reagieren die Opernchefs, gibt es eine Solidarität und wenn ja, wie weit reicht sie? Der Intendant der Komischen Oper, Andreas Homoki, zeigt die Grenzen auf:
"Von mir kann niemand verlangen, die Komische Oper preiszugeben, um die anderen Opernhäuser besser auszustatten. Und umgekehrt werde ich nicht etwas vorschlagen, was den beiden anderen Häusern schadet, damit ich besser wegkomme. Also, Solidarität ja, aber es kann nicht so sein, dass wir wie drei Leute, die in einem Boot sitzen und stellen fest, wir sind zu schwer, und das Boot beginnt zu sinken, und was sollen wir tun, einer muss aussteigen oder jeder hackt sich einen Arm ab."
Ob sich an der Misere etwas dadurch ändert, dass Klaus Wowereit das Amt des Kultursenators selbst übernommen und die Kultur damit zur Chefsache gemacht hat, ist völlig offen. Die Reaktionen auf diese Entscheidung sind sehr unterschiedlich. Skepsis bis Empörung herrscht vor allem bei Kulturpolitikern.
Es sind überraschenderweise Künstler, die eher unaufgeregt, wenn nicht sogar positiv reagieren, vor allem weil Andre Schmitz zum Kulturstaatssekretär ernannt wurde, ein ausgewiesener und anerkannter Kenner der kulturellen Szene Berlins. So schöpft Kerstin Harms für ihren Kampf um die Deutsche Oper neue Hoffnung:
"Ich weiß, dass er das Ganze in eine positive Richtung lenken möchte, um auch ein Ende der selbstzerstörerischen Diskussion um Schließung, können wir nicht, wollen wir nicht, herbeizuführen. Ich glaube, da hat er Weitblick und insofern gehe ich mit großen Hoffnungen in die Zukunft."
Der Regierende hat inzwischen seinen Ton ein wenig gemäßigt. Sein Staatssekretär ist um Entspannung mit dem Bundeskanzleramt bemüht. Szenarien werden entwickelt, in denen die Opernfrage Teil eines Pakets zwischen Berlin und dem Bund ist.
Die Opern sind nur eine Baustelle von vielen. Der Umgang mit ihnen kann deshalb als symptomatisch für den Umgang mit der Kultur in dieser Stadt gelten. Das meint jedenfalls Alice Ströwer, Vorsitzende des Kulturausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses
"Sehr symptomatisch, weil man die Dinge nicht vom Ende her sieht. Man sieht nicht, was möchte ich erreichen mit einer guten Ausstattung von Kultureinrichtungen im Land Berlin, wozu dienen die Kultureinrichtungen, wofür brauchen wir das, was die Zukunftsfragen der Stadt anbetrifft. Dabei ist es ein Sektor, der über den öffentlich geförderten Bereich hinausstrahlt in den privatwirtschaftlichen Kulturbereich und insgesamt schon 100.000 Arbeitsplätze schafft."
Angesichts des lauten Geschreis, das in der Stadt oft auf Grund der fehlenden Finanzmittel und vor allem seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts angestimmt wird, das jedem Anspruch auf weitere Hilfen des Bundes eine Absage erteilt hat , ist es angebracht, sich zu vergegenwärtigen, was der Bund bereits für die Kultur der Hauptstadt tut. Er gibt mit 340 Millionen Euro etwa so viel aus wie das Land selbst dafür aufbringt. Um so mehr verärgert der fordernde Ton von der Spree die anderen Bundesländer. Deshalb warnt Monika Griefahn:
"Da hat auch der Regierende Bürgermeister eine wichtige Aufgabe in der Präsentation. Er darf nicht als arrogant auftreten, sondern er muss eine Mischung finden zwischen Demut und Kooperation mit den anderen Bundesländern und auf der anderen Seite die Wichtigkeit der Berliner Kultur darstellen."
Die ewige Krisendiskussion will nicht so recht zu dem Umstand passen, dass Berlin für Künstler aus aller Welt inzwischen zu den begehrtesten Standorten gehört. Die CDU- Politikerin Monika Grütters:
"Die neuen Impulse kommen nicht aus der Wirtschaft, sie kommen, jungen, kreativen, hungrigen, neugierigen Menschen."
Es sind oft Künstler, die ganz ohne öffentliche Förderung oder mit sehr geringen Beiträgen aus öffentlichen Töpfen aller Art auskommen müssen. Es ist also keineswegs so, als ob alle Welt sofort nach staatlichem Geld riefe.
Originelle Lokalitäten mit niedrigen Mieten, aber auch die Bereitschaft, bis zur Selbstausbeutung zu gehen, kennzeichnen diesen Teil der kulturellen Szene. Eine Institution, die künstlerischen Aktivitäten der unterschiedlichsten Art Raum und Chancen gibt, ist die Kulturbrauerei in Berlin Mitte, an der Schönhauser Allee. Die ehemalige Schultheißbrauerei, in der Veranstaltungsorte "Machinenhaus" oder "Kesselhaus" heißen, verbindet auf einmalige Weise kommerzielle Nutzung und künstlerische Aktivitäten. Sören Birke, Geschäftsführer der Konsens GmbH, die dort Hunderte von Veranstaltungen organisiert und Dutzenden von Gruppen beisteht, antwortet auf die Frage, ob die Kulturbrauerei mit ihrer speziellen Mixtur ein Modell für andere sein könnte:
"Die Kulturbrauerei, so wie sie jetzt gewachsen ist, mit der Struktur des Zusammengehens von so genannter kommerzieller und so genannter geförderter Kultur ist in jedem Fall ein Modell. Wir lernen jeden Tag, dass sich beide Seiten sehr gut ergänzen können."
Kino, Theater, Lesungen, Life-Musik, sogar Opernaufführungen finden in diesem sorgfältig restaurierten Riesenkomplex das ganze Jahr über statt. Auch Paternoster, das Improvisationstheater, hat sich hier niedergelassen. Warum, erläutert der Gründer und Manager, Stefan Weiss:
"Diese Vielfalt in der Kulturbrauerei finde ich sehr reizvoll, und das ist eine Anlaufstelle für viele verschiedene Kulturprogramme, und da muss ich sagen, die Kulturbrauerei ist einfach ein schöner Ort für uns als Paternoster-Improvisationstheater."
Jeden Mittwoch spielt die Truppe im "Maschinenhaus" vor begeistertem Publikum, das die Stichworte liefert, aus denen die Schauspieler ihre kurzen Stücke gestalten müssen. Eine von ihnen ist Carola Neitzel, die früher an subventionierten Bühnen gearbeitet hat und zu den Gründungsmitgliedern der Paternoster-Truppe gehört:
"Mir hat das gerade beim Improvisieren so gut gefallen, dass es jedes Mal neu, jedes Mal frisch ist, jedes Mal eine Premiere sozusagen. Und dass man auch nicht nur so ein kleines Rädchen in einer riesigen Inszenierung ist und der Regisseur alle Fäden in der Hand hat, sondern hier haben wir selber die Fäden in der Hand."
Das ist es auch, was Stefan Weiss, dem Gründer und heutigen Manager wichtig ist. Öffentliche Gelder bekommt Paternoster nicht und klagt dennoch nicht. Man profitiert von der niedrigen Miete – 2,50 Euro pro Quadratmeter – und kommt durch verschiedene Aktivitäten über die Runden. Stefan Weiss erläutert, wie:
"Wir sind komplett frei und finanzieren uns natürlich über Eintrittsgelder, über die verschiedenen Shows, die wir anbieten. Und selbstverständlich machen wir auch Shows für Firmen, für Kunden, die etwas verändern möchten in ihrem Unternehmen, die einfach auf emotionale Weise Problematiken im Unternehmen ansprechen möchten, die man vielleicht in einem Vortrag oder so nicht thematisieren kann. Wir sind ein Ensemble von 13 und haben damit ein gutes Standbein. Wir können uns nicht beklagen."
Die Kulturbrauerei bekommt rund 230.000 Euro pro Jahr vom Senat. Man beschwert sich nicht, das sei zu wenig. Aber Grenzen setzt diese Summe sicherlich. Das Geld ist immer knapp, so Sören Birke:
"Es reicht gerade so, um die Dinge zu halten wie sie sind. Aber es nicht möglich, auch mal sich zu leisten, etwas auszuprobieren, zu experimentieren, wo man nicht ganz genau weiß, ob die 10.000 Euro, die man in etwas investiert, auch wieder zurückkommen."
Für einzelne Projekte müssen je spezielle Anträge gestellt werden. Ein mühsames Geschäft, das auch Amelie Deuflhard, die künstlerische Leiterin der Sophiensäle kennt. Vor zehn Jahren wurden sie spektakulär eröffnet mit Sasha Walz und ihrer Tanz-Kompagnie. Sie ist längst zu einer der prominentesten Choreographinnen geworden und hat heute ein eigenes Domizil. Auch andere, wie die Argentinierin Constanza Macras verdanken ihren Durchbruch den Sophiensälen.
700.000 Euro bekommen die Sophiensäle pro Jahr an öffentlichen Geldern. Das reicht für die Aufrechterhaltung des Betriebs, die Miete, die Gehälter. Nicht für die Projekte.
Die Kulturbrauerei hat ihr Publikum in allen Schichten, zieht auch Familien mit Kindern an. Man kann dort aus dem Theater direkt in eine Bar gehen. Kulturelle Kommunikation lautet die Überschrift. Die Sophiensäle richten sich an eine eher intellektuelle Schicht. An ihrem Beispiel lässt sich vielleicht am ehesten nachweisen, dass die Trennung von Hochkultur und Offkultur oder freier Szene längst nicht mehr so strikt ist wie noch vor wenigen Jahren. Monika Griefahn:
"Für viele Leute ist es schon interessant, mal in die Oper zu gehen. Aber sie gucken gleichzeitig die Szene an, schauen die verschiedenen Tanzaufführungen an oder die Clubszene oder sonstige Dinge, und ich glaube, diese Dynamik und Eigeninitiative, die damit verbunden ist, sollte vielleicht auf die großen Institutionen ein bisschen überschwappen, und man kann sich da auch ein bisschen abgucken."
Einer der wichtigsten Fördertöpfer für die freie, innovative, junge Szene ist der Hauptstadtkulturfonds, ein weiteres Beispiel für das Engagement des Bundes in Berlin. Zehn Millionen stehen dem Fonds zur Verfügung. Ohne ihn könnten viele Projekte nicht verwirklicht werden. Allerdings gehören zu den Nutznießern keineswegs nur die am Rande. Im Gegenteil. Amelie Deuflhard kritisiert, es gebe …
" … in den letzten zwei Jahren eine deutliche Tendenz, dass alle großen und gut finanzierten Institutionen plötzlich auch in den freien Töpfen beantragen. Und zwar typischerweise mit Künstlern, die im Freien ihren Weg gemacht haben und die dann mit ihrem Projekt an Institutionen angedockt werden. Und wenn dieser Prozess so weitergeht, dass zunehmend freie Gelder an große Institutionen gehen, dann könnte es Probleme geben."
Der Kurator des Hauptstadtkulturfonds, Elmar Weingarten, rechtfertigt das Vorgehen:
"Die Beträge, die an solche großen Einrichtungen gehen, das liegt unter zehn Prozent des gesamten Volumens. Das ist das eine. Das zweite ist, dass die Jury und ich und der gemeinsame Ausschuss der Meinung sind, dass Ausstellungen, bestimmte große, bedeutende Ausstellungen, auch finanziert werden können müssen durch den Hauptstadtkulturfonds, weil sie Berlin insgesamt nutzen."
Dass beim Kampf um knappe Mittel die freie Szene den Kürzeren ziehen könnte, ist die große Sorge der Freien Szene. Noch einmal Amelie Deuflhard :
"Ich finde, die Politik soll sich mal entscheiden, was sie mit den Opernhäusern machen will und dann auch die Finanzierung dafür bereitstellen. Was nicht sein kann, ist, dass es zu Lasten einer sehr vitalen freien Szene in Berlin geht. Weil, was Berlin ausmacht, auch im Image nach außen, sind viel mehr die Experimente. Das ist, was das Image von Berlin ausmacht und sehr viel weniger die großen Tanker."
Die besondere Kraft und Ausstrahlung der Berliner Kulturszene scheint man eher in der Ferne richtig zu würdigen und nicht an der Spree selbst. Natürlich sind auch die Berliner stolz darauf. Aber man muss doch fragen, weshalb ausgerechnet die einzige Wachstumsbranche der Stadt mit rund 100.000 Beschäftigten bluten muss, um den Etat zu retten. Viel ist da nämlich nicht zu holen. Angesichts der Gesamtschulden von 60 Milliarden Euro und jährlichen Zinsen von 2,5 Milliarden, muten die Aufwendungen für die Kultur äußerst bescheiden an. Sie betragen noch nicht einmal zwei Prozent des Etats und sind in den letzten Jahren drastisch geschrumpft.