Kultur

Wie Kunstwerke zu Pop werden

Die Popmusikerin Lady Gaga trägt ein Mona-Lisa-Outfit
Hochkultur trifft Popkultur: Die Popmusikerin Lady Gaga trägt ein Mona-Lisa-Outfit. © picture alliance / abaca
Von Tabea Grzeszyk |
Anhand von 30 Kunstwerken zeichnen die Herausgeberinnen den Aufstieg eines Meisterwerks zur globalen Ikone nach: mit vielen Bildern, kurzen Texten - und ohne erhobenen Zeigefinger, der vor der "illegitimen" Aneignung der Hochkultur warnt.
"Sicher wären nicht alle in diesem Band vertretenen Künstler besonders glücklich, wenn sie ihre Motive auf Kaffeetassen und Pantoffeln wiederfänden. Aber im Grunde verdanken sie genau dieser Art Popularität ihre Unsterblichkeit", schreibt der italienische Satirekünstler Maurizio Cattelan im Vorwort.
Anstatt wie so oft die Nase über die massenhafte Aneignung von Meisterwerken zu rümpfen, stellen die Autoren genau diesen Vorgang in den Mittelpunkt des Interesses: Wie wird ein Kunstwerk zu einer Ikone der Populärkultur?
Warum kann das Magazin "Der Spiegel" in einer Anzeigenkampagne aus dem Jahr 1999 eine Barbiepuppe in Denkerpose auf einen Stein setzen – und viele erinnert das an Auguste Rodin? Warum funktioniert das Werbeplakat der Restaurant-Kette "Pizza Hut" in Kuala Lumpur von 2003, auf der eine Frau, die im Stil der "Mona Lisa" mysteriös in die Kamera lächelt und ein Stück "echt italienische" Pizza in der Hand hält?
Massenhafte Verbreitung eines Kunstwerks
Die Kunsthistorikerin Francesca Bonazzoli macht darauf aufmerksam, dass die meisten Klassiker der Kunstgeschichte in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts zu Ikonen wurden: In einer Zeit, in der die Allgegenwart der Bilder in Zeitungen und Magazinen, Fernsehen und Kino den Siegeszug des audiovisuellen Zeitalters einläuteten.
Erst die massenhafte Verbreitung eines Kunstwerks und seine Aneignung durch die Werbeindustrie machen ein Werk zu einer Ikone der Populärkultur. Und umgekehrt setzten im Zuge der Konsumexplosion der 60er-Jahre Künstler wie Andy Warhol auf den Massenmarkt und bedienten sich bei der Werbung für ihre Kunst.
Francesca Bonazzoli widerspricht dabei vehement der berühmten These des deutschen Philosophen Walter Benjamin, das Kunstwerk habe im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit seine Aura verloren. "Im Gegenteil, die quasireligiöse Anziehungskraft der Kunst wirkt stärker als je zuvor. In Scharen pilgern die Menschen ins Museum, um das Original, das sie so oft in reproduzierter Form Gelegenheit hatten zu bewundern, endlich mit eigenen Augen zu sehen. Wie in römischer Zeit oder in der Renaissance vergrößert die Kopie den Ruhm des Originals."
Klassiker-Status durch Kunstraub und Skandale
Anhand von 30 Hochkarätern der Kunstgeschichte zeichnen Francesca Bonazzoli und der Kunstkritiker Michele Robecchi den Aufstieg eines Meisterwerks zur globalen Ikone nach – von Sandro Botticellis "Die Geburt der Venus" über Edvard Munchs "Der Schrei" bis zu Piet Mondrians "Kompositionen in Blau, Gelb und Rot". Warum genau diese und nicht andere Bilder zu Ikonen wurden, dafür bedürfen die Meisterwerke Gesprächsstoff: "Was wird von ihnen erzählt, wer redet über sie, wie tut er es und wo ist es zu sehen?"
So machte erst der Kunstraub aus dem Louvre im Jahr 1911 die "Mona Lisa" weltberühmt und Skandale wie Goyas detailgetreue Darstellung eines namentlich bekannten Modells erhob die "Nackte Maya" in den heutigen Rang eines Klassikers.
Reich bebildert und mit kurzen, verständlichen Texten, die jedem der farbig abgedruckten Meisterwerke zwei Doppelseiten widmen, liest sich "Da Vinci bei den Simpsons" äußerst unterhaltsam und kurzweilig. Die wohltuende Abwesenheit eines erhobenen Zeigefingers, der vor der "illegitimen" Aneignung der Hochkultur warnt, eröffnet eine unvoreingenommene Perspektive.
Das unergründliche Lächeln der Marge Simpson auf dem Buchcover dürfte sich manchem Betrachter dauerhaft ins Gedächtnis einbrennen!

Francesca Bonazzoli/Michele Robecchi: "Da Vinci bei den Simpsons. Wie aus Kunst Kult wird"
Mit einem Vorwort von Maurizio Cattelan, übersetzt von Achim Wurm
Prestel-Verlag, München 2014
144 Seiten, 24,95 Euro