Erdogan mobilisiert Anhänger

Verbote in der türkischen Kulturszene als Wahlkampfmethode

06:08 Minuten
Schattenriss von Recep Tayyip Erdogan mit erhobenem Zeigefinger und Mikrofon.
Verbote durchsetzen zum eigenen Machterhalt: der türkische Präsident Erdogan. © picture alliance / AA / Mustafa Kamaci
Susanne Güsten im Gespräch mit Susanne Burkhardt |
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Die Mehrheit der Kulturschaffenden in der Türkei lehnt das Regime von Präsident Erdogan und seiner AKP ab. Experten sehen dies klar als Ursache für die aktuelle Verbotswelle in der Kultur, so die Einschätzung von Korrespondentin Susanne Güsten.
"Die Situation hat sich sehr stark verschärft", sagt Susanne Güsten, Korespondentin in Instanbul. "Verbot, Zensur und Künstler im Gefängnis gab es hier bereits, aber was jetzt passiert, das hat das Land noch nie gesehen."
In den letzten Wochen würden in der Türkei reihenweise "landauf, landab Konzerte, Veranstaltungen, Theater und andere Aufführungen abgesagt, untersagt, verboten", so Güsten. "Diese Verbote kommen oft im letzten Augenblick, sie werden meistens ausgesprochen von Kommunen, die von der Regierungspartei AKP kontrolliert und regiert werden." Hier sei es oft so, dass Publikum und Künstler sogar bereits dort seien.

Verbote von Musik, Theater und bildender Kunst

Betroffen seien hier vor allem Musikvorführungen, Theater, aber auch bildende Kunst. Diese Verbotswelle habe zum Monatsbeginn mit dem Verbot eines Auftritts der kurdischen Sängerin Aynur Kahraman in der Osttürkei begonnen, in der Westtürkei sei zudem die Aufführung einer kurdischen Theatertruppe aus Diyarbakir abgesagt: "Sie wollte dort Don Quijote auf Kurdisch geben." Dies allerdings war Güsten zufolge erst der Beginn der Verbotslawine.
Inzwischen aber sind viele Künster betroffen, die nicht in den Mainstream der Türkei passen. So sei das Konzert eines Künstlers in einer Stadt an der Schwarzmeerküste abgesagt worden, weil er "nicht die Werte der Stadtverwaltung" teile. Oder an der Universität in Ankara sei ein ganzes Musikfestival verboten worden - kurzfristig nur wenige Minuten vor dem Start - mit der Begründung, es dürfe nicht stattfinden wegen der Trauer um gefallene Soldaten. Die Begründungen seien vielfältig, aber immer fadenscheinig.

Anlass für die Verbote: Wahlen in einem Jahr

Die Ursache für dieses Vorgehen sind vermutlich die in einem Jahr anstehenden Wahlen zum Präsidentenamt und zum Parlament. Nach Einschätzung von Güsten sind diese Verbote nun der Beleg für einen Kurs des Polarisierens. Die Umfragen für die Regierungspartei AKP seien schlecht, doch mit diesen Verboten und dem Schaffen einer Art Front soll nun eine neue Einigkeit geschaffen werden, ein Trick Erdogans, den er bereits mehrfach bei vergangenen Wahlen angewendet habe: "Seine eigenen Wähler aufzuputschen, die Gesellschaft zu polarisieren, indem die andere Seite als unmoralisch, als verräterisch hingestellt wird."

Rockfestivals gelten als Horte des Drogenkonsums

Diesen Weg gehe Erdogan innenpolitisch und vor allem in der Kultur: "Die meisten Künstler sind in Opposition zur Regierung." Sie würden als Verräter dargestellt, als "unmoralisch". Große Rockfestivals würden verboten, als Horte, wo lediglich Alkohol und Drogen konsumiert werde. Die eigenen Anhänger sollen so um die AKP, um die Regierung geschart werden. Güsten resümiert: "Die Regierung präsentiert sich hier als Retter und Wahrer der Moral und des Guten und Schönen." So werde das Klima verschärft: "Schwere Zeiten erwarten die Kultur bis zu den Wahlen."

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