Bedeutet Inklusion Banalisierung?
Seitdem 2009 das Recht auf kulturelle Teilhabe zum Menschenrecht wurde, spaltet das Thema Inklusion die Museumslandschaft. Während die Befürworter die Vorteile inklusiver Museen preisen, befürchten die Kritiker Trivialisierung. Das zeigte sich auch bei einer Podiumsdiskussion im DHM in Berlin.
Audio-Guide für Blinde: "Das Bild ist ein Ölgemälde und ist 1,40 Meter hoch und 1,80 breit. Die Untergrundfarbe ist blau, mit einem Stich ins Gelbe. Auf dem Gemälde sind vier Gebäude zu sehen. Links, im Vordergrund steht ein großes Hochhaus mit vielen Fensterreihen. Auf einem nach oben spitz zulaufenden dreieckigen Sockel."
Haben Sie es erkannt? So beschreibt der Audio-Guide für Blinde das Neo-Rauch-Gemälde "Das Gefecht" im Deutschen Historischen Museum. Detailliert wird jede Einzelheit, jede Farbgebung nacherzählt - "übersetzt" aus dem Visuellen in die Vorstellungswelt einer Person, die nicht sehen kann. In der Ausstellung "Alltag Einheit" hat das Deutsche Historische Museum alles aufgefahren, was es an inklusiven Angeboten gibt.
Haben Sie es erkannt? So beschreibt der Audio-Guide für Blinde das Neo-Rauch-Gemälde "Das Gefecht" im Deutschen Historischen Museum. Detailliert wird jede Einzelheit, jede Farbgebung nacherzählt - "übersetzt" aus dem Visuellen in die Vorstellungswelt einer Person, die nicht sehen kann. In der Ausstellung "Alltag Einheit" hat das Deutsche Historische Museum alles aufgefahren, was es an inklusiven Angeboten gibt.
Kunstvermittlung für Blinde und Sehbehinderte
"Das Konzept beginnt vor der Ausstellung, denn die Idee ist, dass hier möglichst selbständig auch Blinde und Sehbehinderte die Ausstellung besuchen können. Und es gibt ein taktiles Bodenleitsystem, hier außen ist es dreistreifig mit Aufmerksamkeitsfeldern, die sind ganz vielen Punkten bestehen, 45 mal 45 cm, das ist so etwas was man eigentlich von Bahnhöfen kennt."
Erläutert Friedrun Portele-Anyangbe, Museumspädagogin am DHM. Mit dem Langstock können Blinde und Sehbehinderte ihren Weg zuerst zur Kasse und dann durch die Ausstellung finden. Inklusive Kommunikationsstationen führen in die Themen ein, dabei soll möglichst vieles berührt, angefasst, erfahren werden.
"Das Konzept beginnt vor der Ausstellung, denn die Idee ist, dass hier möglichst selbständig auch Blinde und Sehbehinderte die Ausstellung besuchen können. Und es gibt ein taktiles Bodenleitsystem, hier außen ist es dreistreifig mit Aufmerksamkeitsfeldern, die sind ganz vielen Punkten bestehen, 45 mal 45 cm, das ist so etwas was man eigentlich von Bahnhöfen kennt."
Erläutert Friedrun Portele-Anyangbe, Museumspädagogin am DHM. Mit dem Langstock können Blinde und Sehbehinderte ihren Weg zuerst zur Kasse und dann durch die Ausstellung finden. Inklusive Kommunikationsstationen führen in die Themen ein, dabei soll möglichst vieles berührt, angefasst, erfahren werden.
Es gibt Tast- und Riechstationen: Wie roch der Westen, wie der Osten? Süß und krümelig: Der Duft eines Westpaketes, dumpf ölig kratzig: Kohleöfen. Oder, erstaunlich widerlich, Lux-Seife aus dem Westen. Vor allem aber sind alle Ausstellungstafeln in sechs Sprachen verfasst: Deutsch, Englisch, Braille-Schrift, in Großschrift für Sehbehinderte, in Gebärdensprachevideos, und in Leichter Sprache. Der Beginn des Einführungstext zur Ausstellung klingt darin so:
"Diese Ausstellung heißt: Alltag Einheit. Das bedeutet: West-Deutschland und Ost-Deutschland haben sich vereinigt. Das ist am 3.10.1990 vor 25 Jahren. Davor gibt es zwei deutsche Staaten. Die Deutsche Demokratische Republik. Das kurze Wort ist: DDR. Und die Bundesrepublik Deutschland."
"Diese Ausstellung heißt: Alltag Einheit. Das bedeutet: West-Deutschland und Ost-Deutschland haben sich vereinigt. Das ist am 3.10.1990 vor 25 Jahren. Davor gibt es zwei deutsche Staaten. Die Deutsche Demokratische Republik. Das kurze Wort ist: DDR. Und die Bundesrepublik Deutschland."
Droht bei Vereinfachung die Trivialisierung?
Doch wo hört der hehre Anspruch, alles an alle vermitteln zu wollen, auf und wo fängt die Trivialisierung an? Braucht es nicht eine gewisse Komplexität, um historische Themen, um Kunst und Kultur zu vermitteln? Ja, kritisierte Wolfgang Hasberg, Professor für Geschichtsdidaktik. Auf einer Podiumsdiskussion zum Thema, veranstaltet vom Deutschen Historischen Museum, kritisierte er, dass viel zu wenig erforscht sei, was bei den Besuchern eigentlich tatsächlich ankomme.
Hasberg: "Wann funktioniert leichte Sprache, wie gerade behauptet wurde. Da gibt es meines Wissens keine Forschung zu. Und ich frage mich, auch wenn ich jetzt gerade in der Ausstellung gesehen habe, wenn alles im Präsens geschrieben wird, dann scheint irgendwie das zeitliche Verständnis doch auf eine andere Wesie angesprochen zu werden. Und es tut mir leid, aber: Der Historiker liebt das Plusquamperfekt und auch das Konditional."
Inklusion hat Grenzen, argumentierte auch der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich. Nicht jeder Künstler, der etwa eine Skulptur als ein visuelles Kunstwerk geschaffen habe, sei glücklich damit, dass sie zu einem Tastobjekt gemacht werde.
Doch wo hört der hehre Anspruch, alles an alle vermitteln zu wollen, auf und wo fängt die Trivialisierung an? Braucht es nicht eine gewisse Komplexität, um historische Themen, um Kunst und Kultur zu vermitteln? Ja, kritisierte Wolfgang Hasberg, Professor für Geschichtsdidaktik. Auf einer Podiumsdiskussion zum Thema, veranstaltet vom Deutschen Historischen Museum, kritisierte er, dass viel zu wenig erforscht sei, was bei den Besuchern eigentlich tatsächlich ankomme.
Hasberg: "Wann funktioniert leichte Sprache, wie gerade behauptet wurde. Da gibt es meines Wissens keine Forschung zu. Und ich frage mich, auch wenn ich jetzt gerade in der Ausstellung gesehen habe, wenn alles im Präsens geschrieben wird, dann scheint irgendwie das zeitliche Verständnis doch auf eine andere Wesie angesprochen zu werden. Und es tut mir leid, aber: Der Historiker liebt das Plusquamperfekt und auch das Konditional."
Inklusion hat Grenzen, argumentierte auch der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich. Nicht jeder Künstler, der etwa eine Skulptur als ein visuelles Kunstwerk geschaffen habe, sei glücklich damit, dass sie zu einem Tastobjekt gemacht werde.
Metzger: Mittelschicht hat Museen in Beschlag genommen
Folker Metzger vom Bundesverband Museumspädagogik widersprach vehement. Jeder habe das Recht und auch die nötige Kompetenz, Kunst so zu rezipieren, wie er sie empfinde. Die Museen als Hort der Kultur würden in Beschlag genommen von einer durch Abstiegsängste geplagten weißen Mittelschicht.
Metzger: "Und diese Mittelschicht schafft Ausgrenzung. Das heißt, es kommen gar nicht alle rein. Das sehen Sie schon an dem Angebot im Museumscafé, da gibt’s Ingwer-Karottensuppe und keine Currywurst. Es gibt keinen Raum, wo man mit Familien mal hingehen kann, um seine Stullen auszupacken. Und fängt natürlich auch schon mit dem Eintritt an. Wenn Sie in England in Kunstmuseen gehen, jedenfalls in die ständigen Sammlungen, dann ist es dort voll. Das ist 'ne ganz andere Form von Kunstrezeption. Und das halte ich für viel wichtiger, dass das als ein Teil des öffentlichen Raumes gesehen wird. Und da gibt’s gute Beispiele, das Museum Ludwig, da kann man eben auch mal mit dem Skateboard rein fahren."
Metzger: "Und diese Mittelschicht schafft Ausgrenzung. Das heißt, es kommen gar nicht alle rein. Das sehen Sie schon an dem Angebot im Museumscafé, da gibt’s Ingwer-Karottensuppe und keine Currywurst. Es gibt keinen Raum, wo man mit Familien mal hingehen kann, um seine Stullen auszupacken. Und fängt natürlich auch schon mit dem Eintritt an. Wenn Sie in England in Kunstmuseen gehen, jedenfalls in die ständigen Sammlungen, dann ist es dort voll. Das ist 'ne ganz andere Form von Kunstrezeption. Und das halte ich für viel wichtiger, dass das als ein Teil des öffentlichen Raumes gesehen wird. Und da gibt’s gute Beispiele, das Museum Ludwig, da kann man eben auch mal mit dem Skateboard rein fahren."
Delgado: Da wird ein Menschenrecht verletzt
Viel zu abstrakt und am Thema vorbei werde die Debatte geführt – so lautete am Ende die Kritik aus dem Publikum, in dem viele unmittelbar Betroffene saßen. Für ihn sei Inklusion keine gesellschaftliche Debatte, sondern eine Frage der individuellen Teilhabe, sagte Rainer Delgado vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband.
Delgado: "Wo es darum geht, darf ich dabei sein oder nicht? Und wenn dann Leute sich hinstellen und sagen, nee, also dieses Kunstwerk das ist visuell, da hast du nichts mit verloren, ja dann fühle ich mich ausgegrenzt, exkludiert, und seit der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen kann ich auch sagen, da wird mein Menschenrecht verletzt. Und insofern hoffe ich, dass letzten Endes diese Macht dieser Menschen, die definieren, wer irgendwo rein darf und mitmachen darf, letzten Endes auch brechen."
Viel zu abstrakt und am Thema vorbei werde die Debatte geführt – so lautete am Ende die Kritik aus dem Publikum, in dem viele unmittelbar Betroffene saßen. Für ihn sei Inklusion keine gesellschaftliche Debatte, sondern eine Frage der individuellen Teilhabe, sagte Rainer Delgado vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband.
Delgado: "Wo es darum geht, darf ich dabei sein oder nicht? Und wenn dann Leute sich hinstellen und sagen, nee, also dieses Kunstwerk das ist visuell, da hast du nichts mit verloren, ja dann fühle ich mich ausgegrenzt, exkludiert, und seit der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen kann ich auch sagen, da wird mein Menschenrecht verletzt. Und insofern hoffe ich, dass letzten Endes diese Macht dieser Menschen, die definieren, wer irgendwo rein darf und mitmachen darf, letzten Endes auch brechen."