Die Wirtschaft sonnt sich in der Kunst
BMW, H&M, COS, Chanel und Co.– private Unternehmen finanzieren in Frankreich vor allem Museen mit hohen Summen und kassieren dafür Steuervorteile. Zunehmend nehmen die Sponsoren Einfluss darauf, welche Kunstwerke in Ausstellungen gezeigt werden.
Mitte Dezember kam eine Rekordmeldung aus dem Centre Pompidou: Noch nie hatte eine Ausstellung dort in so kurzer Zeit so viele Besucher wie die Jeff Koons-Retrospektive. 112.844 in 17 Tagen, um genau zu sein.
Die publikumswirksame Museums-Schau mit den hochpreisigen Hochglanz-Objekten des amerikanischen Kunstmarktstars wäre ohne freundliche Unterstützung kaum möglich gewesen. Das Centre Pompidou organisierte die Koons-Ausstellung mit einem potenten privaten Partner: der Gagosian Gallery, dem führenden Global Player auf dem Kunstmarkt.
Ist das nicht etwas viel privatwirtschaftliches Engagement in einem öffentlichen Museum, mehr als es das Ideal der Freiheit der Kunst verträgt? Bernard Blistène, Direktor des Museums für Moderne Kunst im Centre Pompidou und Kurator der Koons-Schau, sieht da kein Problem:
"Problematisch wäre es, wenn wir nur Werke der Gagosian-Galerie zeigten. Es sind aber kaum welche zu sehen, nur eins oder zwei, glaube ich. Problematisch wäre auch, wenn uns die Auswahl aufgezwungen worden wäre. Aber ein Haus wie das Centre Pompidou lässt sich keine Entscheidungen diktieren! Diese Partnerschaft ist positiv, weil sie uns ermöglicht, Werke aus der ganzen Welt zu versammeln. Ich würde sie sogar als warmherzig bezeichnen, denn es gab nicht die geringste Einmischung. Solange wir diese Freiheit bewahren, können wir auch in Zukunft so ambitionierte Ausstellungen organisieren, für die man die Mittel ja erst einmal finden muss."
Und das ist oft deutlich schwieriger als im Fall des Kunstmarktkönigs Jeff Koons. Während die Liste der Mäzene der Koons-Schau lang ist – von BMW bis H&M – fand sich für die große und von der Kritik zu Recht sehr gelobte Marcel Duchamp-Ausstellung des Centre Pompidou in diesem Herbst kein einziger privater Unterstützer.
Ohne private Partner läuft nichts im Palais de Tokyo
Im Palais de Tokyo, dem Pariser Zentrum für Gegenwartskunst, hätte ein solcher Mäzen-Ausfall wohl zur Absage der Ausstellung geführt. Ohne private Partner läuft nichts im Palais de Tokyo. Der französische Staat subventioniert nur 40 Prozent des Budgets. Seit knapp drei Jahren funktioniert der Palais de Tokyo nach dem Geschäftsmodell einer Kapitalgesellschaft in vereinfachter Form. Jean de Loisy, den Direktor des Palais de Tokyo, plagen keine Berührungsängste mit der Welt der Wirtschaftsunternehmer.
"Wir sind davon überzeugt, dass Unternehmen zur Sprache einer Epoche dazugehören. Und dass es im Interesse sowohl des Kunstpublikums wie der Künstler ist, Beziehungen zur Wirtschaft zu haben. Das Verhältnis zwischen Kunstbetrieb und Wirtschaftsunternehmen ist wie das zwischen den Impressionisten und der Landschaft!"
Ähnlich bildhaft beschrieb neulich auch der Wirtschaftswissenschaftler Christophe Rioux das innige Verhältnis von Kunst und Wirtschaft in Frankreich: Gegenwartskunst, sagte er, sei das Botox der Luxusindustrie – eine Verjüngungsspritze also fürs Image. Für Unternehmen, die nicht ohnehin schon wie Louis Vuitton oder Cartier ihr eigenes Museum gebaut haben, ist der Palais de Tokyo mit seinen 22.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche ein Traumpartner. Mehrere Ausstellungen waren dort in den vergangenen Monaten und Jahren schon ganz explizit großen Markennamen der Modewelt gewidmet. "No5 Culture Chanel" hieß zum Beispiel eine Schau im vergangenen Jahr.
Jean de Loisy: "Chanel, aber auch Roger Vivier oder Chloé sind Unternehmen, die Geschichte und Kultur ihrer Marke zeigen wollten. Und sie haben unsere Spielregeln akzeptiert: Keine zeitgenössischen Künstler in keiner der drei Ausstellungen! Und die Kuratoren haben wir gemeinsam gefunden mit dem Ziel, den Ausstellungsraum der Gegenwart neu zu erfinden. Es sollte eine zeitgenössische Erfahrung für die Besucher werden – ein Eintauchen in eine zeitgenössische Welt, ohne dass irgendein Künstler sich in den Dienst eines Produkts stellt."
Jean de Loisy: "Chanel, aber auch Roger Vivier oder Chloé sind Unternehmen, die Geschichte und Kultur ihrer Marke zeigen wollten. Und sie haben unsere Spielregeln akzeptiert: Keine zeitgenössischen Künstler in keiner der drei Ausstellungen! Und die Kuratoren haben wir gemeinsam gefunden mit dem Ziel, den Ausstellungsraum der Gegenwart neu zu erfinden. Es sollte eine zeitgenössische Erfahrung für die Besucher werden – ein Eintauchen in eine zeitgenössische Welt, ohne dass irgendein Künstler sich in den Dienst eines Produkts stellt."
Gezeigt wird Kunst, die zum Modelabel COS passt
Doch auch wenn nach diesem Dogma Künstler keine Werke für die Ausstellungen von Chanel und Co. produzieren, sind die Grenzen oft fließend. In der aktuellen Ausstellung mit dem Titel "Inside" hat das Modelabel COS eine monumentale Raum-Installation des Künstlerkollektivs Numen/For use gesponsert. Die Arbeit sei "auf einer Linie" mit der Ästhetik von COS, wurde mitgeteilt – eine 'Information', die vor allem Modezeitschriften bereitwillig weiterverbreiteten. "Inside" ist deshalb keine schlechte Ausstellung – im Gegenteil – aber sie illustriert einmal mehr, dass das Verhältnis von Kunst und Wirtschaft im Palais de Tokyo tatsächlich so ist wie das der Impressionisten zur Landschaft.
Dass heute ausgerechnet in Frankreich, dem Land der 'exception culturelle', Mäzenatentum und private Kulturförderung so eine große Rolle spielen, hat wesentlich mit einem Gesetz aus dem Jahr 2003 zu tun, der Loi Aillagon, benannt nach dem damaligen Kulturminister Jean-Jacques Aillagon. Das Gesetz ermöglicht Firmen, die als Kulturmäzene tätig werden oder eigene Kulturstiftungen gründen, erhebliche Steuererleichterungen. Der Staat verliert dadurch also auch Geld.
Jean-Jacques Aillagon hält sein Gesetz heute noch, in den klammen Zeiten schwindender Kultur-Subventionen, für den richtigen Weg. Der frühere Kulturminister arbeitet heute unter anderem als Berater für den Unternehmer Francois Pinault, einen der wichtigsten Kunstsammler und Mäzene Frankreichs.
"In meinen Augen bedeutet privates Engagement überhaupt nicht, dass die öffentliche Förderung verkümmert. Im Gegenteil. Es geht um ein Plus, nicht um ein Minus: Wir brauchen beides. Und ich persönlich habe es noch nie als widersprüchlich empfunden, wenn ich einerseits für den Staat oder für eine regionale Institution wie den Louvre arbeite und andererseits für einen privaten Unternehmer wie Francois Pinault. Ich hatte immer den Eindruck, den gleichen Beruf zu haben – ich erfülle immer die gleiche Mission, mit dem gleichen Ziel und für das gleiche Publikum."
Ob das aber so auch noch für die öffentlichen Museen in Frankreich gilt, ist mehr als fragwürdig. Denn welche Kunst für relevant und wichtig gehalten und also gezeigt wird, das bestimmen nicht nur im Palais de Tokyo nicht mehr unabhängige Museumskuratoren allein.