Die Alternative zur Ziegelscheune
Der Münchner Architekt Stephan Braunfels hat einen Alternativentwurf für die Neugestaltung des Berliner Kulturforums vorgelegt: Die Erweiterung für die Nationalgalerie und ihre Sammlung der Kunst des 20. Jahrhunderts soll nicht mehr in der Mitte dieser Ödnis entstehen.
Braunfels hat schlichtweg Recht. Das seit Jahrzehnten verfahrene städtebauliche Problem "Berliner Kulturforum" ist nicht einfach mit einem großen Neubau zu lösen − so, wie es sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Stadt Berlin, die Kunstsammler und Kulturstaatsministerin Monika Grütters vorstellen. Sie haben im vergangenen Herbst den Entwurf der Schweizer Architekten Herzog und de Meuron ausgewählt, eine gigantische Scheune aus Ziegelstein.
Seitdem tobt − wenigstens in Architektenkreisen − der Spott, aber auch die Kritik: Dieses Projekt sei unmöglich für die 200 Millionen Euro zu realisieren, die der Bund zur Verfügung gestellt hat; nur die Bedürfnisse der Nationalgalerie mit ihrer Sammlung der Kunst des 20. Jahrhunderts würden befriedigt, alle anderen Abteilungen würden künftig unter den hohen Betriebskosten leiden; die Aussicht auf die weltberühmten Bauten rund um das Kulturforum, auf die Neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe, die Philharmonie und die Neue Staatsbibliothek Hans Scharouns, würde verstellt.
Trotzdem wird eifrig weiter geplant. Ob Braunfels mit seinem Gegenvorschlag durchdringen kann, der all die vielen Probleme der Museen, des Städtebaus, der Philharmonie weit besser löst, einfach, indem er den Neubau an einer anderen Stelle als der von der Stadt vorgegebenen bauen will − das ist höchst unwahrscheinlich.
Warum muss es ein Neubau sein?
Nun sagen Sie: Okay, mal wieder Berliner Fehlplanung, mal wieder die Aussicht auf ein Dauerdesaster und extrem erhöhte Kosten. Daran ist man ja gewöhnt, siehe Flughafen, Staatsoper oder Museumsinsel. Aber so einfach sollten wir es uns nicht machen. Denn das, was am Kulturforum droht, die Durchsetzung eines Plans, obwohl eine bessere Alternative vorliegt, geschieht immer wieder und keineswegs nur in Berlin. In Weimar und in Dessau entstehen Bauhaus-Museen vor allem deswegen, weil das Geld dafür da ist. Gäbe es dieses nicht, würden andere, wahrscheinlich bessere Lösungen entstehen. Wie oft hat Köln seine Museen in den vergangenen 30 Jahren erweitert?
Oft würde es ausreichen, die bestehenden Gebäude zu ertüchtigen und zu erweitern. Aber ein Neubau ist eben repräsentativer, die Investoren und die Mäzene drängen, die Wähler wollen Erfolge sehen, die Politiker Erfolge vorweisen. Diese Klage ist nicht neu. Und das Gegenrezept auch nicht: Hört auch auf diejenigen, die nerven. Wie etwa Stefan Braunfels. Er ist ein höchst streitbarer Mann, und sein Selbstbewusstsein ist schlichtweg anstrengend. Aber er ist eben auch deswegen so anstrengend, weil er oft Recht hat.
Die Schweiz als Vorbild
200 Millionen Euro sind sehr viel Geld. Sein Projekt einfach von der Hand zu weisen, nur weil es bereits einen Wettbewerb gegeben hat, wäre, pardon, dumm. Denn viel zu oft wird gerade im Bereich des öffentlichen Bauens auf kurze Frist gedacht, statt endlich in langfristigen Strukturen zu planen.
Vielleicht hilft der Blick nach Süden, in die Schweiz: Dort ist es üblich, dass bei jedem Bauprojekt, sei es Garage oder Museum, erst einmal ein abstraktes Stangenmodell am Bauplatz errichtet wird. Damit sind wenigstens die Dimensionen des Neubaus auch der Öffentlichkeit klar. So manches Projekt ist schon an dieser kleinen Hürde gescheitert.
Und wer jetzt sagt, das dauert zu lange, der erinnere sich: Häuser sollten mindestens vier Generationen halten.