Kulturgeschichte der Seife

Der Schaum der Tage

06:53 Minuten
Detailaufnahme einiger Seifenblasen.
Seife ist heute oft ein Billigprodukt - im Mittelalter galt das Seifensieden als hohe Kunst. © Eyeem / Edith Luethi
Josef Wellmann im Gespräch mit Stephan Karkowsky |
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So wichtig wie im Moment war sie wohl selten: Die Seife erlebt in Zeiten von Corona wohl den Höhepunkt ihrer Karriere. Die ist von Höhen und Tiefen geprägt, berichtet der Chemiker und ehemalige Seifenproduzent Josef Wellmann.
Stephan Karkowsky: Wir schreiben Dienstag, den 5. Mai. Heute ist der Welttag der Handhygiene – wirklich wahr –, und das schon lange, seit über zehn Jahren, lange vor der Coronakrise, ausgerufen von der Weltgesundheitsorganisation. Das kann man sich auch schön merken: 5.5., zweimal fünf Finger, Welttag der Handhygiene. Wir nehmen das zum Anlass für ein Gespräch mit Josef Wellmann. Der Chemiker hat jahrzehntelang in der Kappus Seifenfabrik in Krefeld selbst Seife produziert.
Herr Wellmann, für alle, die es nicht wissen, was ist das eigentlich, Seife, aus was besteht so ein Seifenstück?
Josef Wellmann: Seife, die hat die Aufgabe, Fett zu lösen, und deshalb haben die Chemiker beziehungsweise die Erfinder der Seife sich ausgedacht, wir brauchen ein Molekül, was zur einen Hälfte aussieht wie Seife, wie Fett, und auf der anderen Seite aussieht wie Wasser. Dann kann es vermitteln und das Fett mit dem Wasser verbinden, sodass das Wasser das Fett wegtragen kann. Also besteht Seife aus einem Teil des Fettes, und in dem Produktionsprozess wird dieser Teil des Fettes gelöst und hat dann ein Ende, was sich frei mit Wasser verbindet. Es ist im Grunde genommen von Bauchfett, und man braucht eine Lauge, um dieses Fett zu spalten.

Auch Seifen müssen gewaschen werden

Karkowsky: Wo kommt dieses Fett her?
Wellmann: Das Fett waren in der Vergangenheit sehr oft tierische Fette, neuerdings nimmt auch sehr viel mehr pflanzliche Fette. Allerdings war es immer so, dass auch ein gewisser Teil pflanzliche Fette in der Qualität sehr gut war. Das sind die Fette, die besonders kurze Fettsäuren, besonders gut wasserlösliche Fettsäuren enthalten, und die können sehr schön schäumen. Deshalb hat man also immer neben den tierischen Fetten auch pflanzliche Fette eingesetzt.
Karkowsky: Ich habe gelernt, dass es wie beim Bier auch für Seife ein Reinheitsgebot gibt. Ludwig XIV. soll es erlassen haben, 1688.
Wellmann: Ja, früher stand die Seifenfabrik immer direkt neben der Abdeckerei. Das lag daran, dass Fette natürlich sehr teuer waren und sehr kostbar, sie waren ja ein ganz wichtiges Nahrungsmittel, und daraus wollte man jetzt keine Seife machen. Man konnte Seife auch herstellen aus Fetten, die nicht ganz so gut waren, und um dort Pfuschern das Handwerk zu legen, fühlte sich natürlich damals die Obrigkeit veranlasst, ein Reinheitsgebot zu erlassen.
Es ist so, dass wenn Sie Seife herstellen, das erste Produkt, was Sie bekommen, noch sehr roh ist. Sie müssen die Seife anschließend waschen. Das hört sich lustig an, dass man Seife waschen will, aber das macht man mit heißem Salzwasser. Da löst sich die Seife nicht drin, und damit kann man dann die Seife waschen, und in diesem Reinheitsgebot steht drin, wie oft die Seife mit Salzwasser gewaschen werden muss.

Früher half der Bader beim Waschen

Karkowsky: Man hört ja immer wieder in historischen Erzählungen, dass es zu Hofe ziemlich doll gestunken haben muss früher. Seit wann ist denn Seifenbenutzung im europäischen Raum überhaupt üblich?
Wellmann: Ja, das mit dem Waschen zum Beispiel am französischen Hof, darüber gibt es viele Geschichten. Es ist so, dass die Seife in Europa bekannt wurde etwa ab dem neunten Jahrhundert, da haben die Phönizier das nach Frankreich gebracht, nach Marseille, und die ersten europäischen Seifensieder saßen in Marseille. Im Mittelalter war eigentlich das Waschen durchaus üblich. Es gab den Bader, und der Bader, der hat dafür gesorgt, dass Menschen sich waschen konnten.
Das ging dabei auch nicht immer ganz im Sinne der Kirche zu, und nachdem dann die Spanier Amerika entdeckt hatten, dort die Masern hingebracht und die Syphilis mitgebracht haben von dort, wurde es plötzlich sehr gefährlich, zum Bader zu gehen, und man bekam sehr viel Angst vorm Waschen.
Weil auch Wasser in der Regel nicht keimfrei war, hat man sehr viel Angst vorm Waschen gehabt und hat stattdessen sich lieber mit Parfüm eingesprüht. Das war aber dann in der Zeit des Barocks, das heißt, im Mittelalter selber war das Waschen eigentlich durchaus noch üblich, obwohl die hygienischen Verhältnisse natürlich damals katastrophal waren aufgrund der Wohnsituation.

Die Flüssigseife hat die Stückseife verdrängt

Karkowsky: Auch heute ist der Bader nicht ganz groß in Mode, sondern die Seife tatsächlich, sie erlebt eine echte Renaissance, Corona zwingt uns zur Handhygiene. Was glauben Sie, wie verbreitet ist eigentlich die Stückseife noch in deutschen Haushalten im Vergleich zur Flüssigseife?
Wellmann: Ungefähr seit 1980 ist der Verbrauch an Stückseife sehr stark zurückgegangen, man kann sagen, mit etwa im Durchschnitt drei Prozent pro Jahr. Stattdessen hat die Flüssigseife im Spender einen Siegeszug angetreten. Vor allem nachdem Kunststoffe und Spender so billig wurden, dass man sich das leisten konnte, haben die großen Kosmetikfirmen natürlich auch Wert drauf gelegt, ein Produkt in den Markt zu bringen, mit dem man einen viel größeren Umsatz machen kann, und das waren dann die Flüssigseifen. Die haben dann, weil die Stückseifen gar nicht mehr beworben wurden, auch sehr schnell dann die Stückseife verdrängt.
Karkowsky: Nun lernen wir ja jede Menge über das Händewaschen dieser Tage, wir werden alle wie Kinder erinnert an das richtige Händewaschen. Gibt es aus Ihrer Sicht, aus Sicht des Seifenexperten, eine richtige und eine falsche Seifenbenutzung?
Wellmann: Nein, das gibt es nicht. Wichtig ist, dass man die Seife mit ordentlich Wasser zu einem Schaum verbindet und sich mit diesem Schaum die Hände massiert. Ob dieser Schaum nun von einer Flüssigseife kommt oder von einer Stückseife, das spielt erst mal für die Reinigungswirkung und damit auch die Reinigung von Bakterien keine Rolle.

Seife verschenken weniger altmodisch als früher

Karkowsky: Am Sonntag ist Muttertag, ist es eigentlich inzwischen erlaubt, einer Frau, also einer Mutter, Seife zu schenken statt Blumen?
Wellmann: Na ja, da fragen Sie einen Menschen, der in einem Blumenladen aufgewachsen ist und später beruflich sich mit der Seife beschäftigt hat, da kann ich Ihnen wirklich keinen Rat geben. Ich denke schon, dass ein schönes Stück Seife vielleicht nicht mehr so altmodisch ist, wie es vor 20 oder 15 Jahren war.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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