Liebling von Königen und Kleinbürgern
"Am tiefsten unter den Hunden steht unleugbar der Mops", heißt es in Brehms "Tierleben". Der Zoologe mag den überzüchteten Hund verachtet haben – Könige, Kleinbürger und Dichter jedoch liebten ihn. Und spätestens Loriot machte den Mops zum Popstar.
(Wiederholung vom 25.11.2015)
Der Großmeister des geheimen Mopsordens wendet sich an den Ersten Logen-Aufseher.
"Was bedeutet der Lärm, den ich soeben gehört habe?"
Der Aufseher antwortet.
"Hier ist ein Hund hereingelaufen, der kein Mops ist, und die Möpse wollen ihn beißen."
"Fragen Sie ihn, was er will!"
"Er will Mops werden."
"Wie kann eine solche Metamorphose vor sich gehen?"
"Wenn er sich uns anschließt."
"Ist er dazu fest entschlossen?"
"Ja, Groß-Mops."
"Fragen Sie ihn, ob er alle Statuten der Gesellschaft gehorsam befolgen will!"
"Ja, Großmops."
"Treibt ihn Neugierde dazu, bei uns einzutreten?"
"Nein, Großmops."
"Hat er irgendwelches (finanzielles) Interesse?"
"Nein, Großmops."
"Welches Motiv hat er dann?"
"Den Vorteil, einer Körperschaft eingefügt zu werden, deren Mitglieder unendlich achtbar sind."
"Fragen Sie ihn, was er will!"
"Er will Mops werden."
"Wie kann eine solche Metamorphose vor sich gehen?"
"Wenn er sich uns anschließt."
"Ist er dazu fest entschlossen?"
"Ja, Groß-Mops."
"Fragen Sie ihn, ob er alle Statuten der Gesellschaft gehorsam befolgen will!"
"Ja, Großmops."
"Treibt ihn Neugierde dazu, bei uns einzutreten?"
"Nein, Großmops."
"Hat er irgendwelches (finanzielles) Interesse?"
"Nein, Großmops."
"Welches Motiv hat er dann?"
"Den Vorteil, einer Körperschaft eingefügt zu werden, deren Mitglieder unendlich achtbar sind."
Der detaillierte Bericht über das Aufnahmeritual in den Kreis dieser "unendlich achtbaren" Gesellschaft stammt aus der Feder eines Franzosen. Sein Name: Gabriel L. Pérau. Wir schreiben das Jahr 1745. Im liberalen Amsterdam erscheint eine sogenannte Verräterschrift mit dem geheimnisvollen Titel "L'ordre des Francs-Macons trahi et le Secret des Mopses révélé". Kurz darauf kommt auch die deutsche Übersetzung in Umlauf: "Der verrathene Orden der Freymäurer und das offenbarte Geheimnis der Mopsgesellschaft". Um was für ein Dokument handelt es sich bei der Pérauschen Schrift?
Im 18. Jahrhundert gab es überall in Europa Mopsgesellschaften
Die Spur führt vom protestantischen Amsterdam ins katholische Rom. 1738 erlässt Papst Clemens XII. dort eine Bannbulle gegen das damals in Europa grassierende Freimaurertum. Der Erlass "In eminenti apostolatus specula" richtet sich gegen derartige Umtriebe, da ihre Initiatoren "vermessen genug sind, die Tugend auf die natürliche Beschaffenheit des Menschen zu stützen" – also nicht auf Gott. Wer sich widersetzte, dem drohte die Exkommunikation.
Ob die Gründung der um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts aus dem Boden sprießenden Mopsorden allein auf das päpstliche Verbot zurückging oder ob nicht auch ein zeittypischer Hang zu Divertissement ein Übriges tat: Bis ins späte achtzehnte Jahrhundert gab es androgyne Mopsgesellschaften in ganz Europa. In Frankfurt will Pérau dem eingangs beschriebenen Aufnahmezeremoniell beigewohnt haben. Es endet, so der Autor, mit der Frage des Großmeisters, ob der Novize nun den Hintern des Mopses zu küssen wünsche. Nachdem dieser die Frage mit "Ja" beantwortet und einem Wachshündchen den Bundeskuss aufs Hinterteil verpasst hat, wird der Novize an einem Hundehalsband zum Großmeister geführt. Hier hat er zu wiederholen, was dieser ihm vorsagt:
"Ich verspreche dieser illustren Versammlung und der gesamten Mopsgesellschaft, ihre Gesetze und Statuten genau zu befolgen, sie niemals zu enthüllen, weder mit der Stimme noch mit Zeichen oder Schrift, und zwar ihre Geheimnisse und ihre Mysterien."
Natürlicher Ausweis totaler Künstlichkeit
Was macht den Mops eigentlich zum Popstar unter den Hunden? Seit seiner Einführung, Etablierung und mehrfachen Reanimierung in Europa ist er so etwas wie der natürliche Ausweis totaler Künstlichkeit. Keine seiner Eigenschaften wirkt zweckmäßig im Sinne einer natürlichen Ordnung – weder seine viel zu kurzen Beine, noch sein gebärunfreudiges Becken, noch sein röchelnder Atemapparat, der schon so manchen Tierschützer auf die Barrikaden getrieben hat. Auch das Aussehen des Mopses – ein Tier ohne Nase, mit hervorstehenden Augen, watschelndem Gang und täppischem Charakter – lässt den Mops mehr in den Bereich der Artefakte rücken als in die Nähe der ihm evolutionsgeschichtlich nahe stehenden Wölfe.
Möpse aus Berlin
"Ihr seid ja so still, was'n los heute?... Es gibt kaum eine Rasse, die so anpassungsfähig ist wie der Mops. Ich sage immer, unsere sind schlanker, die können auch richtig laufen, neben dem Fahrrad laufen, die können joggen, die können auch drei Stunden mal unterwegs sein, aber sie müssen nicht. Das heißt, die können genauso gut mal drei Stunden faul auf der Couch herumliegen und Fernsehen gucken – nur keine Tierfilme, da regen sie sich auf!"
Thomas und Beate Zupan beherbergen in einem Reihenhaus im Süden Berlins derzeit neun langschnauzige und langbeinige Möpse in den Farben Beige, Schwarz und Apricot. Jeder Welpe wird von den Zupans von Hand aufgezogen, das heißt gepflegt, bespielt und bekocht. Eine frische Möhre gibt es zu jeder Mahlzeit. Das hält Würmer fern.
"Also, 16 Prozent Hähnchenhälse, 7 Prozent Rinderblättermagen, 3 Prozent Kuheuter, 10 Prozent Rinderpansen, 6 Prozent Rinderlunge, 4 Prozent Hähnchenleber und 4 Prozent Hähnchenherzen. Das ist so'n Mix, das ist so'n Spezialmix. [Autorin: Und wieviel Kilo Fleisch verkochen sie da täglich so?] Ja, das sind zwei Kilo, plus Flocken, plus Gemüse, plus das. Also ungefähr, rund drei Kilo sind dann zwei Mal Essen, also einmal mittags, einmal abends. Also, die Menge, die die Möpse kriegen, liegt so bei 350 Gramm pro Tag, mehr nicht."
Die Zupans sind mit der Zucht sogenannter Sportmöpse dem Trend zum gesunden Hund gefolgt. Denn seine im Verlauf der Züchtungsgeschichte nahezu zum Verschwinden gebrachte Nase macht es dem Möpschen schwer, sich hundewürdig durch den Alltag zu schlagen.
"Das berühmte Kindchenschema. Also runder Kopf, große traurige Augen, niedliche Schnute. Das haben die Leute insbesondere am Anfang des letzten Jahrhunderts und in den 50er-Jahren bevorzugt. Da war natürlich der Mops, der ohnehin schon ein kurzer runder Hund ist, das Objekt der Begierde, das heißt die Hunde, die früher Nasen hatten, hatten plötzlich keine mehr. Dann wurden auch die Köpfe immer größer. Natürlich auch aufgrund von Inzucht, weil der Genpool nicht sehr groß ist. Die Glubschaugen, die raushängende Zunge, alles, was ein bisschen hilflos aussieht. Und das ist das, was ich als Qualzucht bezeichnen würde. Ein Tier, was keine Lebensqualität hat, weil's keine Luft kriegt, weil's nach zehn Metern schon umfällt, sekundär ein krankes Herz kriegt, durch die Luftnot."
Um dem entgegenzusteuern, wurde vor mehr als zehn Jahren der Mops- und Pekinesen-Rassehunde-Verband gegründet. Der sportliche Mops mit langer Schnauze und schlanker Taille befindet sich seitdem unaufhaltsam auf dem Siegeszug.
"Die Ella und die Krümel wollen ein Eckstück von der Möhre.
"Kommen Sie dazu, für sich selbst noch was zu kochen?"
"Danach. Wenn wir fertig sind mit den Hunden. Ich muss sagen, wir ernähren unsere Hunde besser als uns selbst."
"Kommen Sie dazu, für sich selbst noch was zu kochen?"
"Danach. Wenn wir fertig sind mit den Hunden. Ich muss sagen, wir ernähren unsere Hunde besser als uns selbst."
Woher kommt der Mops eigentlich?
Woher kommt er überhaupt, der Mops? Aus China ist unter dem Namen Lo-Sze seit Langem ein Bruder des chinesischen Palasthündchens, des Pekinesen, bekannt, der aussieht wie eine abgewandelte Form des Mopses. Irgendwie muss er sich dann aus dem Umkreis dieser Knautschschnauze verabschiedet und den Weg nach Europa gefunden haben. Erste, wenn auch nur kolportierte Hinweise für sein Leben in der Diaspora finden sich ab Mitte des 16. Jahrhunderts. Wilhelm I. von Oranien soll den kleinen Wegbegleiter an seinem Hof salonfähig gemacht haben.
Ein Mops namens Pompey, so will es die Legende, hatte den heimtückischen Überfall spanischer Truppen auf das Feldlager des damaligen Oranier-Prinzen vereitelt, indem er anschlug. Dass ein anderer Oranier, Wilhelm III. ein paar Generationen später Möpse gehalten hat, ist verbürgt. Als König von England verfügte er sogar über eine eigene Zucht. Der Mops trug als Ausweis seiner noblen Herkunft ein orangefarbenes Halsbändchen.
Der Name "Mops" lässt sich etymologisch auf das niederländische Wort "mopperen" zurückführen, was so viel bedeutet wie "brummende Geräusche von sich geben". Aus der germanischen Wurzel "mup" wie aus dem englischen "to mope" bezieht das Wort einen zusätzlichen Nebensinn: "das Gesicht verziehen" oder "Fratzen machen". Der Mops trägt sein Schicksal als unzufriedener Grimassenschneider also schon im Namen.
Die ihm zugeschriebenen Eigenschaften decken ein breites Spektrum ab. Von "dumm", "träge" und "dekadent" bis hin zu "aristokratisch", "treu" und "todesmutig" findet sich in den einschlägigen Nachschlagewerken so ziemlich alles, was sich über besonders kleine Hunde sagen lässt. Alfred Brehm erblickte in den Möpsen eine degenerierte Abart der stolzen Doggenhunde, dementsprechend abfällig fiel der Kommentar in seinem "Thierleben" aus:
"Am tiefsten unter den Hunden steht unleugbar der Mops. Er ist durch geistige Versinkung entstanden und kann sich begreiflich durch sich selbst nicht heben. Er erfasst den Menschen nicht und der Mensch ihn nicht."
Der Literaturwissenschaftler Slaven Waelti sieht das anders. Er lässt die europäische Karriere des Mopses auf dem Theater beginnen.
"Also Harlekin, wie Colombine oder Pierro oder Scaramuz, das sind alles Figuren aus dem italienischen Theater des 17. und 18. Jahrhunderts. La Commedia dell' Arte. Und die sind alle in Neapel entstanden und die sind heute weltweit bekannt. Und es gibt dort in dieser Tradition eine bestimmte Figur, die so einen bestimmten Anzug hat... und eine schwarze Maske. Und schon damals hatte man diese Figur auch ausgestattet mit einem kleinen Accessoire, nämlich mit einem Affen, der das Groteske auch noch einmal übersteigt. Nun sind Affen spezielle Tiere und wie man mit Affen umgeht, kann kompliziert werden. Möpse sind pflegeleichter. Und auf Bühnen sind auch Möpse aufgetreten an Stelle von Affen.
Und wenn man das weiter verfolgt: In Frankreich und in den meisten romanischen Sprachen heißt der Mops nicht Pug oder Mops, sondern Carlin. Und dieser Name kommt aus der Commedia dell' Arte die in dieser Zeit, also im 18. Jahrhundert, in Frankreich wirklich auch sehr erfolgreich war mit Autoren wie Marivaux unter anderem, und da gab's damals einen sehr berühmten italienischen Schauspieler.., und der ist eben oft mit einem Mops aufgetreten. Und der Name auf Französisch "carlin" und auf italienisch "carlino" geht auf diesen Schauspieler zurück, also bis heute. Da ist diese tiefe Verbindung zwischen Commedia del Arte, Mops und Theater und alles, was Spaß und Verkleidung ist. Also da ist alles drin."
So wurde Carlo Bertinazzi, genannt Carlino, Mitte des 18. Jahrhunderts zum Namensgeber des Mopses im romanischen Sprachraum. Mit plissiertem Kragen, Zweispitz und Glöckchen behängt lief das für damalige Maßstäbe exotische Tier auf den Hinterbeinen über die Bühne, machte sich zum Gespött der Leute.
Seine größten Triumphe feiert der Mops allerdings im Barockzeitalter, das ein Faible für groteske Formen hatte. Das Exotische war damals en vogue. Und wer etwas auf sich hielt, besaß viel davon. Der Mops kam aus einem fernen Land, vermutlich aus dem gleichen, das auch die Kunst des Teetrinkens hervorgebracht hat und dazu passend das Porzellan, weswegen unzählige Möpse auf historischen Service abgebildet sind.
Auch ist es sicher kein Zufall, dass ausgerechnet 1745 überall in Europa Filialen des geheimen Mopsordens aus dem Boden schießen. Immanuel Kant hatte seinen kategorischen Imperativ zwar noch nicht gesprochen, aber der Aufruf zur Mündigkeit des Einzelnen gilt schon in der Jahrhundertmitte als Regieanweisung für den anstehenden Geisteswandel.
Der Mops, so will es scheinen, muss in seiner kindlichen Verspieltheit das ideale Wappentier einer Emanzipationsbewegung gewesen zu sein, die förmlich auf den Hund gekommen war. Und wenn es stimmt, dass jede Revolution ihre Kinder frisst, so befand sich auch der Mops als erst adeliges, dann als bürgerliches Avantgardetier bald auf verlorenem Posten.
Einmal schaffte er es noch in die Geschichtsbücher, so soll der Legende nach ein Mops Napoleon die runzelige Stirn geboten haben. Angeblich hat Fortuné, das Möpschen seiner Gefährtin Joséphine de Beauharnais, ihn in der Hochzeitsnacht ins Bein gebissen. Danach hören die Heldenlegenden mit Möpsen auf. Das 19. Jahrhundert macht aus dem einstigen Exzentriker ein träges Sofakissen fürs kleinbürgerliche Interieur.
Der Mops im 19. Jahrhundert
"Der Mops ist der echte Altejungfernhund und ein treues Spiegelbild solcher Frauenzimmer, bei denen die Bezeichnung 'Alte Jungfer' als Schmähwort gilt, launenhaft, unartig, verzärtelt und verhätschelt im höchsten Grade, jedem vernünftigen Menschen ein Greuel. Die Welt wird also nichts verlieren, wenn dieses abscheuliche Thier samt seiner Nachkommenschaft den Weg alles Fleisches geht."
Der große Alfred Brehm stand mit seiner Meinung nicht allein. Der Kynologe Ludwig Beckmann befand in seiner "Geschichte und Beschreibung der Rassen des Hundes":
"Ein dürrer, hochläufiger Mops und ein solcher mit kurzen Läufen und langem Rücken sind beide durchaus verwerflich."
Den Gnadenschuss gab dem verhätschelten Gesellschaftstier aber kein geringerer als Wilhelm Busch. In seiner Bildergeschichte "Strafe der Faulheit" besiegelte er die neue Verächtlichmachung des Mopses.
"Das Fräulein Ammer kost allhier
Mit Schnick, dem allerliebsten Tier.
Sie füttert ihn, soviel er mag,
Mit Zuckerbrot den ganzen Tag.
Und nachts liegt er sogar im Bett,
Da wird er freilich dick und fett.
Einstmals, als sie spazierengehen,
Sieht man den Hundefänger stehen.
Gern lief er fort, der arme Schnick,
Doch ist er viel zu dumm und dick.
'Den schlacht' ich!' spricht der böse Mann,
'Weil er so fett und gar nichts kann.'
Das Fräulein naht und jammert laut,
Es ist zu spat; da liegt die Haut.
Zwei Gülden zahlt sie in der Stille.
Für Schnickens letzte Außenhülle.
Hier steht der ausgestopfte Schnick. –
Wer dick und faul, hat selten Glück."
Mit Schnick, dem allerliebsten Tier.
Sie füttert ihn, soviel er mag,
Mit Zuckerbrot den ganzen Tag.
Und nachts liegt er sogar im Bett,
Da wird er freilich dick und fett.
Einstmals, als sie spazierengehen,
Sieht man den Hundefänger stehen.
Gern lief er fort, der arme Schnick,
Doch ist er viel zu dumm und dick.
'Den schlacht' ich!' spricht der böse Mann,
'Weil er so fett und gar nichts kann.'
Das Fräulein naht und jammert laut,
Es ist zu spat; da liegt die Haut.
Zwei Gülden zahlt sie in der Stille.
Für Schnickens letzte Außenhülle.
Hier steht der ausgestopfte Schnick. –
Wer dick und faul, hat selten Glück."
Ein sexuell überdeterminierter Hund
Immer wieder findet sich jetzt in der Literatur auch der Hinweis auf das angeblich widernatürlich körpernahe Verhältnis tierliebender Fräuleins zu ihren kleinen Lieblingen. Eine Karikatur aus der Satire-Zeitschrift "Simplicissimus" zeigt 1896 einen abgewiesenen Gatten, der seiner Gefährtin resigniert dabei zuschaut, wie sie unzüchtige Küsse mit ihrem Möpschen austauscht. Sein dekadentes Wesen hatte den Mops von Anfang an zum Gegenstand sodomitischer Phantasien gemacht. Nicht ganz zufällig gehörte es zum Initiationsritual des Mopsordens, dass der Novize das Tier unterhalb seiner Rute zu küssen hatte. Und dass ausgerechnet der Plural "Möpse" im zwanzigsten Jahrhundert synonym für die weibliche Brust verwendet wird, überrascht bei der sexuellen Überdeterminierung des Namensspenders kaum.
Man kann also sagen, dass der Mops die Jahrhundertwende weder ideologisch noch praktisch unbeschadet überstanden hat. Die neuen Gesellschaftsmodelle, Züchtungsideale, Rassenideologien und Moralvorstellungen des bürgerlichen Zeitalters halten für den kleinen Damenhund wenig Positives bereit. Das Frivole und Provokante, das bei Hofe noch zu einem regelrechten Mopsfetischismus geführt hatte, verkümmert zu einem peinlichen Sublimierungsanlass für frigide Tantchen.
Es kann nun also kaum mehr erstaunen, dass die Nationalsozialisten noch weniger für den kleinen Schoßhund übrig hatten. In allem ist dieser décadent nämlich das Gegenteil des hörigen und allzeit kampfbereiten Deutschen Schäferhundes. Ein 1940 im Stürmer-Buchverlag erschienenes Kinderbuch des Bestsellerautors Ernst Hiemer bietet hier aufschlussreiche Lektüre. In "Der Pudelmopsdackelpinscher und andere besinnliche Geschichten" wird der Fall eines suspekten Mischlings mit Mopsanteil geschildert.
"Sein gekräuseltes, schwarzes Haar erinnert an einen Pudel, sein riesiges Maul mit den herabhängenden Lippen an einen Mops! Seine krummen Beine erinnern an einen Dackel und eines seiner Ohren an einen Pinscher."
"Stehlen kann er, das muss man ihm lassen!"
Ist es Zufall, dass die Schilderung der möpsischen Anatomie an die antisemitischen Karikaturen des "Stürmer" erinnert? Juden dargestellt mit gierig hervorquellenden Augen, lefzenartigen Hängebacken und dicken Lippen: zeichnerische Verfahren, um den angeblich raffgierigen Charakter des Juden zu betonen. Die Botschaft der "besinnlichen" Geschichte von Ernst Hiemer wird über solche Klischees heraus schnell klar: Wem so viel unreines Blut durch die Adern fließt, der kann der Volksgemeinschaft nur schaden. Im Buch heißt es dann auch:
"Ebensowenig wie dieser Hund eine Heimat hat und irgendeinen Menschen als seinen Herrn anerkennt, hält er sich an eine Gesellschaftsordnung. Er kümmert sich nicht um die Anstandspflichten, die selbst die Hunde zu erfüllen haben."
Verschlagen und streitsüchtig sei er, dieser läppische Mischling.
"Und stehlen kann er, das muss man ihm lassen!"
Der Mops in der Nachkriegszeit
Als der Mops das nächste Mal Erwähnung in der Literatur findet, ist der Krieg vorbei. Es ist davon auszugehen, dass er im verstockten Ambiente der unmittelbaren Nachkriegszeit als politisch unverdächtiges Tier keine allzu schlechte Entwicklungsprognose hatte. Erneut wird es jetzt seinem späten Ruf des Witwentrösters gerecht. Als "politische Tiere" stehen im demokratischen Zeitalter andere Hunde zur Verfügung. Zum Beispiel Labradore. Berühmte Besitzer sind oder waren François Mitterand, Bill Clinton, Nicolas Sarkozy und sogar Wladimir Putin. Nur ein paar Adelige wie etwa der Herzog von Windsor sowie Vicco von Bülow alias Loriot hielten sie sich weiterhin in alter nobler Tradition Möpse.
Im Jahr 1963 passiert etwas Erstaunliches. Es ist das Entstehungsjahr von Ernst Jandls berühmtem Gedicht "Ottos Mops". Es holt den erst verunglimpften, dann verulkten und schließlich verfemten Kleinhund aus der Dunkelheit des 20. Jahrhunderts wieder ans Licht – und betreibt mit ihm experimentelle Poesie.
"Ottos mops trotzt
otto: fort mops fort
ottos mops hopst fort
otto: soso
otto holt koks
otto holt obst
otto horcht
otto: mops mops
otto hofft
ottos mops klopft
otto: komm mops komm
ottos mops kommt
ottos mops kotzt
otto: ogottogott"
otto: fort mops fort
ottos mops hopst fort
otto: soso
otto holt koks
otto holt obst
otto horcht
otto: mops mops
otto hofft
ottos mops klopft
otto: komm mops komm
ottos mops kommt
ottos mops kotzt
otto: ogottogott"
Auch Loriot hat das komische Potenzial des Mopses sofort erkannt und diese Tradition wieder aufgenommen. In unzähligen Zeichnungen, aber vor allem durch seine berühmten Selbstportraits hat er die zwei Seiten des Mopses endlich miteinander versöhnt: das Biedere mit dem Anarchischen, das Träge mit dem Agilen, das Kleinbürgerliche mit dem Aristokratischen, das Spießige mit dem Exzentrischen. Loriot stammte selbst aus einem mecklenburgischen Adelsgeschlecht, inszenierte aber in seinen Sketchen mit Vorliebe kleinbürgerliche Lebensformen. Legendär wurde ein Sketch, in dem Loriot zwei deutsche Möpse auf den Mond schickt und von der Erde aus das Geschehen kommentiert.
Man muss sich die Symbolik dieses vermeintlich harmlosen Sketches deutlich machen. In einer Zeit, in der noch Kalter Krieg herrschte und Sowjetunion und USA sich einen erbitterten Wettlauf um die Vorherrschaft im All lieferten, schickt Loriot zwei deutsche Möpse auf den Mond. Solide Ingenieurskunst wird dem Kräftemessen militärisch hochgerüsteter Weltmächte gegenübergestellt. Eine Frechheit!
Verkörpert die sorgenvolle Miene des Mopses den Gesichtsausdruck unserer Zeit?
Heute steht der Mops für alles, was die Postmoderne einst zum Bollwerk gegen Ideologien aufgewertet hat: verspielte Exaltiertheit, sexuelle Uneindeutigkeit, Pazifismus, Künstlichkeit. Doch das ist nur ein Teil der Erklärung für den neuerlichen Fußgängerzonen-Erfolg des Mopses. Slaven Waelti glaubt, dass die Beliebtheit der Rasse etwa ihrem Gesichtsausdruck zu tun hat: mit der sorgenvollen Miene. Was blickt uns nämlich an, wenn der Mops uns anblickt?
"Man muss sich auch fragen, was ist diese Sorge und das ist eine ziemlich existentielle Dimension bei uns im Menschen. Das ist einfach das erste, was uns angeht. Die Sorge. Wir müssen ständig etwas anrichten, wir müssen ständig ein Haus, ein Dach konstruieren, wir müssen essen, wir müssen arbeiten. Alles ist getragen von einer grundsätzlichen Sorge um die Existenz. Der Mops spiegelt das auf irgendeine Art und Weise. Nur, der spiegelt das auf eine Art und Weise, die irgendwie komplett verniedlicht ist, die irgendwie lustig und spaßig und witzvoll ist. Letzten Endes mögen wir vielleicht den Mops so sehr, weil er einerseits eine Figur für diese Sorge ist, die in uns ist, aber gleichzeitig eine externalisierte Sorge und eine verniedlichte Sorge. Also eine Sorge, die man verkleiden kann, mit der man spielen kann, über die man sich lustig machen kann. Ergo: Wir sind am Ende also dadurch auch entlastet. Der Mops entlastet uns von tiefen existenziellen Sorgen."
...und er weckt unsere Liebe für diesen willigen Lastenträger! Die amerikanische Kulturtheoretikerin Susan Sontag schrieb Anfang der sechziger Jahre einen legendär gewordenen Aufsatz über die Geschmackskaprizen der New Yorker Kunstszene – vor allem über deren merkwürdige Vorliebe für Produkte der Trivialkultur wie Comics oder kitschige Tiffany Lampen. Sontag kam in ihrem Essay zu der Ansicht, dass ein Objekt nicht nur schön aus formalen Gründen sei, sondern auch durch die Liebe, die in seine Herstellung geflossen sei. Doch mit der Liebe für das schön Verfehlte ist es freilich eine zweischneidige Sache.
Daher schließt Susan Sontag ihren Aufsatz mit einem Paradox, das die nun seit Jahrhunderten bestehende Ambivalenz des Mopses vielleicht am besten auf den Punkt bringt: Bestimmte Objekte, sagt Sontag, seien mitunter gut, gerade, weil sie schrecklich seien. Das schönste Objekt, kann oft das hässlichste sein. Insofern haben beide recht: die Verächter des Mopses und seine Fans. Man muss sich einfach entscheiden. Mopsfragen sind in erster Linie Haltungsfragen. Oder wie es der sprechende Mops in der Außerirdischen-Komödie "Men in Black" einmal formulierte:
"If you don’t like it, you can kiss my furry little butt!"