Meteorologie

Kleine Kulturgeschichte der Wetteraufzeichnung

06:35 Minuten
Die Entdeckung des Barometers im Jahr 1643: Torricelli experimentiert in den Alpen, zu sehen auf einem Ölgemälde von Ernest Board
Galileos Nachfolger als Hofmathematiker in Florenz, Evangelista Torricelli, entwickelte 1643 das Barometer - hier zu sehen auf einem Ölgemälde von Ernest Board. © IMAGO / piemags
Von Ulrike Köppchen · 21.09.2022
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"Seit Beginn der Wetteraufzeichnung ..." - der Satz ist uns aus den Nachrichten vertraut. Aber welches Datum ist eigentlich gemeint? Und wie sagten die Menschen noch viel früher das Wetter vorher? Schließlich hing davon nicht weniger als ihr Überleben ab.
Der heißeste Juli seit Beginn der Wetteraufzeichnung. So warm war es im Januar noch nie seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Der schlimmste Sturm, die größte Dürre seit Beginn der Wetteraufzeichnung. In den letzten Jahren häufen sich beim Wetter die dramatischen Rekorde.
Seit Beginn der Wetteraufzeichnung – das klingt nach: von alters her. Aber wenn im Wetterbericht davon die Rede ist, ist ein relativ junges Datum gemeint: 1881. Damals gab es in Deutschland etwa 170 bis 180 Wetterstationen, die Temperatur und Niederschläge maßen und die Daten aufzeichneten. Und zwar zur gleichen Zeit, sodass die Werte auch vergleichbar waren.

Unheimliche Macht in den Griff bekommen

Die Geschichte der Wetteraufzeichnung und Wetterbeobachtung ist aber natürlich viel älter. Spätestens, seit die Menschen vor zehn- bis zwölftausend Jahren sesshaft wurden, interessieren sie sich dafür, das Wetter zu verstehen und vorherzusagen. Vor allem, um diese unheimliche Macht in den Griff zu bekommen, von der nicht weniger als das Überleben abhing: In der Landwirtschaft sowieso, wo es galt, den richtigen Zeitpunkt für Aussaat und Ernte zu bestimmen.
Mit Bauernregeln wollten sich da schon die alten Ägypter nicht zufriedengeben, sondern sie entwickelten den sogenannten Nilometer, einen Höhenmesser, mit dem sich der Pegelstand des Nils bestimmen ließ. Der überflutete regelmäßig die Felder, und die Bauern mussten den richtigen Zeitpunkt finden, um die Aussaat auszubringen.

Schlachten - vom Wetter entschieden

Auch Schlachten wurden immer wieder vom Wetter entschieden. Vielleicht ist der Sieg der Germanen in der Schlacht im Teutoburger Wald weniger der Kampfkraft von Hermanns Truppen zu verdanken als schlicht dem Matschwetter, in dem die römischen Legionen mit ihrer schweren Ausrüstung schlicht nicht vorwärtskamen.
Und wie würde England heute aussehen, wenn es nicht im Juli 1588 schwere Stürme über dem Ärmelkanal gegeben hätte, die viele Schiffe der spanischen Armada zerstörten, die mit Kurs auf England unterwegs war?
Kein Wunder also, dass die Einrichtung des ersten internationalen Wetterdienstes auf ein Kriegsereignis zurückging: Nachdem im Krimkrieg Mitte des 19. Jahrhunderts seine Flotte einem Orkan zum Opfer fiel, ließ der französische Kaiser Napoleon III. die Pariser Sternwarte die Wetterlage analysieren. Das Ergebnis: Man hätte den Sturm mithilfe der Wetterdaten von Messstationen vorhersagen können. Daraufhin wurde ein Konzept zur telegrafischen Übermittlung von Wetterdaten unterschiedlicher Orte entwickelt.

Bahnbrechende Erfindungen

Das wäre nicht möglich gewesen ohne eine Reihe bahnbrechender Erfindungen seit Beginn der Neuzeit, die die Wetterbeobachtung mehr und mehr auf eine wissenschaftliche Grundlage stellen wollte. So musste man überhaupt erst mal in der Lage sein, etwa die Temperatur zu messen. Natürlich wurden auch in der Antike und im Mittelalter Wetterdaten aufgeschrieben, wenn auch nicht systematisch. Aber das waren subjektive Eindrücke und was der eine als kühl empfindet, mag für den nächsten lauwarm sein.
Vielleicht war das Ärgernis mit der Subjektivität auch ein Grund, warum sich Galileo Galilei gegen Ende des 16. Jahrhunderts daranmachte, ein Temperaturmessgerät zu erfinden. Das war zwar noch kein Thermometer im modernen Verständnis, aber Galilei machte sich die Erkenntnis zunutze, dass die Dichte von Flüssigkeiten sich in Abhängigkeit von Temperaturveränderungen ändert. Sodass ein in der Flüssigkeit schwimmender Gegenstand bei Erwärmung absinkt und bei kühler werdenden Temperaturen aufsteigt.
Nachdem dann Galileos Nachfolger als Hofmathematiker in Florenz, Evangelista Torricelli, 1643 das Barometer entwickelt hatte, standen Instrumente zur Verfügung, um zwei Kerndaten der Wetterbeobachtung zu erheben: Temperatur und Luftdruck.

Als Meteorologie zur Wissenschaft wurde

Wirklich systematische Wetteraufzeichnungen waren aber erst eine Angelegenheit des nerdigen 19. Jahrhunderts mit seiner Sammelwut und dem unerschütterlichen Fortschrittsglauben, man könne die Geheimnisse der Welt durch Vermessung entschlüsseln. Nicht umsonst wurde das meteorologische Institut in Berlin 1849 auf Initiative des großen Weltvermessers Alexander von Humboldt gegründet.
Meteorologie wurde dann auch im 19. Jahrhundert zur Wissenschaft und die Wetterbeobachtung systematisiert und standardisiert. So legte man zum Beispiel fest, dass Lufttemperaturen immer in einer Höhe von zwei Metern über dem Boden gemessen werden, um die Werte vergleichen zu können.

Gründung des Deutschen Wetterdienstes

Infolge der Verwissenschaftlichung der Meteorologie entstanden auch immer mehr Institute, die Wetterdaten sammelten: die Norddeutsche Seewarte zum Beispiel oder 1873 die Internationale Meteorologische Organisation IMO gegründet, eine Vorläuferorganisation der heutigen UN-Sonderorganisation World Meteorological Organization, kurz WMO.
Vor 70 Jahren wurde dann der Deutsche Wetterdienst gegründet, der bis heute die Rolle eines nationalen meteorologischen Dienstes der Bundesrepublik innehat. Der DWD macht Wettervorhersagen und überwacht gleichzeitig das Klima. Denn Wetterbeobachtung heißt gleichzeitig immer auch Klimaforschung. Möglicherweise haben im pharaonischen Ägypten die Menschen noch nicht an Klimaforschung gedacht, als sie auf die Nilflut warteten. Aber sie wussten, dass sie ab einem bestimmten Zeitpunkt das Wasser erwarten können, und dafür braucht es Erfahrung und Wissen – und Daten.

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