Zerstört, geklaut und verhökert
Neben den zahllosen Menschenleben haben die Gefechte in Syrien dem Land auch sein kulturelles Erbe geraubt. Viele alte Moscheen, antike Städte und römische Tempel wurden von randalierenden Islamisten zerstört. Zudem verramschten die Dschihadisten das Kulturerbe des Landes auf dem Schwarzmarkt.
Kriegsschauplatz Aleppo: Die syrische Armee liefert sich schwere Gefechte mit den Rebellen. Doch es ist nicht irgendein Häuserkampf, der in dem verwackelten Handy-Video zu sehen ist. Die jungen Männer in Tarnuniformen gehen in Jahrhunderte alten Säulengängen in Deckung. Sie haben sich in der berühmten Ummayaden-Moschee verschanzt.
"'Sie feuern Raketen auf die Moschee ab! Auf das Minarett von Aleppo!' schreit einer der Kämpfer seinen Kameraden zu. Er verflucht Syriens Präsident Baschar al Assad und lässt der nächsten Salve aus seinem Maschinengewehr ein Glaubensbekenntnis folgen. Die Armee antwortet mit weiteren Granaten."
Und dann passiert es: Das Minarett der Moschee wird getroffen. Eine Steinlawine schleudert tonnenweise Trümmer in den Innenhof. Eine riesige Staubwolke wirbelt hoch: Das knapp 45 Meter hohe Minarett, seit über 900 Jahren das Wahrzeichen der Altstadt von Aleppo, ist eingestürzt. Die dramatischen Video-Bilder gehen an diesem 24. April 2013 schon kurz darauf um die Welt.
Der Bürgerkrieg in Syrien – neben mehr als 200.000 Menschenleben hat er auch Kulturerbe vernichtet. Aleppo ist da nur ein Beispiel von vielen. Hier könne nicht mehr nur von Kollateralschäden gesprochen werden, klagen Experten. Inzwischen liege mehr als die Hälfte des historischen Zentrums von Aleppo liegt in Trümmern.
Auf Drogen und Waffen folgen Kulturgüter
Und was der Krieg in Syrien unbeschadet ließ, wird täglich Stück für Stück verscherbelt. Nach den Granaten kamen die Gangs, die mit Raubkunst das große Geschäft machen. Dr. Stefan Weber, Direktor des Islamischen Museums in Berlin, arbeitete in Syrien mehr als zehn Jahre lang an Forschungs- und Restaurierungsprojekten.
"Ich bin vor vielen Jahren in ein Haus reingegangen aus dem 16. Jahrhundert mit Bauresten aus dem 14., 15. Jhd. sehr bedeutend, mit einer wunderbaren Holzvertäfelung. Die hab ich auch fotografiert und ich kann mich heute noch an den Tag erinnern, weil die so schön war und weil ich mich so gefreut habe, dass ich die gefunden habe.
Und dieses Haus kennen auch meine Kollegen, wir können noch zeigen, wo es war und den abschreiten, wo es gewesen ist, und hören gerade aus der Stadt Aleppo, dass dort Milizionäre bewaffnet mit einem Schreiner rein gegangen sind. Diese Holzvertäfelung abgebaut haben und sie verschickt haben. Es war wohl eine Auftragsarbeit."
Nach dem Handel mit Drogen und Waffen rangiert der mit Kulturgütern inzwischen weltweit auf Platz drei der organisierten Kriminalität. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" soll mit der Raubkunst Millionen verdienen und damit ihre Waffen finanzieren. In Syrien können sie dabei aus dem Vollen schöpfen:
"Syrien ist ein Land, in dem alle Kulturen einmal durchgekommen sind, und das seit der Steinzeit. Also wir haben Grabungsorte von den frühen Menschheitsfunden bis zu den ersten, frühesten Städten. Und dass man so viel Geschichte dicht an dicht hat über viel tausend Jahre, ist besonders. So was, wenn es jetzt alles verloren ist, kommt auch nicht mehr wieder."
Palmyra war einst ein blühender Handelsplatz
Aber es kommt in Stücke zerlegt nach Europa. Dort sitzt nämlich ein Teil der Käufer. Der Mainzer Archäologe und Wissenschaftsblogger Dr. Reiner Schreg sammelt seit Beginn des Bürgerkrieges Informationen, die er im Internet über den illegalen Handel mit syrischen Kulturgütern finden kann. Dabei hatte er auch schon diverse Verkaufsangebote auf dem Bildschirm.
"Wir finden hier beispielsweise auf einem Portal: Grabrelief eines bärtigen Mannes aus Palmyra mit der Inschrift. Das ist mit Sicherheit nicht im Handgepäck transportiert worden. Vor gut zwei Jahren gab es im Internet ein paar Videos, wo dann umstritten war, wer die gefilmt hat. Es waren Uniformierte, die eben solche Grabreliefs auf den Lkw verladen und abtransportiert haben. Und das sind Objekte, die auf dem Markt gefragt sind."
Palmyra ist eine antike Oasenstadt. Römische Tempel, Säulenstraßen, Thermen: Selbst die Ruinen der Bauten in der syrischen Wüste lassen erkennen, dass hier einst ein blühender Handelsplatz war. Seit Ausbruch des Krieges findet der Ausverkauf statt: Antike Reliefs und Statuen werden einfach aus den Bauten herausgeschlagen. Selbst auf Satellitenbildern lässt sich das Ausmaß der Zerstörung inzwischen erkennen, sagt Stefan Weber vom Islamischen Museum in Berlin:
"Es gibt das Ruinenstädte, die sehen inzwischen aus wie Mondlandschaften. D.h. dass sie zum Teil mit Bulldozern arbeiten, um da an Sachen zu kommen. Und hier finanzieren sich Kriegsparteien durch Antikenschmuggel. Bewaffnete Banden, die gehen mit Schwerbewaffneten rein, fangen an auszugraben und rauben in großem Stil diese Orte leer."