Kulturhauptstadt mit NS-Vorlage

Das österreichische Linz ist 2009 Kulturhauptstadt Europas. Diesen Titel sollte es schon einmal innehaben, allerdings unter gänzlich anderen Vorzeichen: Nach dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland wollte Adolf Hitler Linz zu einer Art deutschnationaler Kulturmetropole machen mit Ausstrahlung für ganz Europa.
Hitler, der in der Nähe von Linz geboren wurde und einige Jahre seiner Kindheit in der Stadt verbracht hatte, verfolgte seine hochfliegenden Pläne vehement bis zum Kriegsende. Allerdings wurden tatsächlich nur wenige Bauten realisiert, wie Martin Heller betont. Er leitet die Organisation des Kulturhauptstadtjahres 2009.

Mit einer großen Ausstellung und Diskussionsreihen will sich Linz nun diesem unrühmlichen Kapitel seiner Geschichte widmen. Heller zufolge kommt diese Auseinandersetzung Linz zugute. "Wir haben da nichts zu vertuschen und zu verbergen", betont er. Im Gegenteil: Es helfe auch der eigenen Bevölkerung, "diese ganze Geschichte nochmals aufzunehmen."

Schließlich werde in Gesprächen immer wieder deutlich, dass die Thematik des Nationalsozialismus nicht bloß eine historische sei, sondern, so Heller, "bis in gegenwärtige Familien hinein besetzt ist mit biografischen Erfahrungen."

Heller zufolge muss für eine derartige Geschichtsaufarbeitung auch eine Gelegenheit geschaffen werden. Die Kulturhauptstadt 2009 sei eine solche Gelegenheit.

Die Ausstellung "Kulturhauptstadt des Führers", die schon jetzt eröffnet wird, untersucht die Ästhetik des Nationalsozialismus, die NS-Kulturpolitik, die Pläne für den Umbau Linz' und wie sie (nicht) realisiert wurden. Der Stadt sollte eine faschistische Architektur quasi übergestülpt werden, sagt Heller. Das Schlossmuseum, in dem die Ausstellung gezeigt wird, sollte später als Altersruhesitz Hitlers werden.

Linz sei eine große Utopie Hitlers gewesen, die ihn bis zum Ende nicht losgelassen habe, wie ein Foto aus dem Führerbunker zeige, auf dem sich Hitler über ein Modell "seines" Linz beugt. Linz sollte als Vorbild für den nationalsozialistischen Städtebau dienen. Von den Plänen wurde jedoch kaum etwas umgesetzt.

Sie können das vollständige Gespräch mit Martin Heller mindestens bis zum 16.01.2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot hören. MP3-Audio