Wo Aphrodite dem Meer entstiegen sein soll
Die kleine Hafenstadt mit der großen Geschichte ist die erste Kulturhauptstadt Europas auf der geteilten Insel Zypern: Paphos trägt gemeinsam mit dem dänischen Aarhus in diesem Jahr den Titel. Mehr denn je hoffen die Menschen dort auf eine Wiedervereinigung.
In der Stadt, die an der Südwestküste des griechisch-zyprischen Teils der Insel liegt, leben rund 33.000 Menschen. Paphos ist für seine römischen Mosaiken und antike Ruinen bekannt. 1980 wurde die archäologische Stätte von Kato Pafos in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen.
Zwischen Aphrodite-Felsen und Wandertrails laden die zyprischen Gastgeber zur Erkundung der interessanten Geschichte und der heutigen Kultur. Insgesamt können sich Urlauber auf mehr als 300 kulturelle Events aus Anlass des Kulturhauptstadtjahres freuen.
Dass sich das alles in einer Zeit trifft, in der viele Menschen auf der geteilten Insel noch stärker als zuvor auf eine Wiedervereinigung hoffen, wird den Besuchern nicht verborgen bleiben.
Unser Korrespondent Thomas Bormann ist für die "Weltzeit" nach Paphos gereist.
Das Sendungsmanuskript im Wortlaut:
Pétra tou Romioú – die Bucht im Süden Zyperns galt schon vor Jahrtausenden als göttlicher Ort. Hier soll einst Aphrodite dem Meer entstiegen sein. Aphrodite, die Göttin der Liebe, die Göttin der Schönheit – sie wurde in den Fluten des Mittelmeers geboren und betrat hier irdischen Boden - so lehrt es die griechische Mythologie: Pétra tou Romioú ist der Geburtsort Aphrodites. "Aphrodite's Birthplace” steht denn auch auf dem Hinweisschild an der Ausfahrt der Autobahn A 6 von Nikosia nach Paphos, die in Sichtweite an der Bucht entlangführt.
Beliebte Bucht der Aphrodite
Am Kieselstrand tummeln sich zu jeder Jahreszeit die Touristen, sie bestaunen die aus Meer emporragenden Felsen, und sie hoffen auf den Zauber Aphrodites. Ein Besuch an dieser Bucht soll angeblich wie ein Jungbrunnen wirken. Die Reisebuch-Autorin Marike Langhorst aus Berlin weiß, was die Einheimischen seit Generationen über den Aphrodite-Zauber erzählen:
"Man muss schwimmen, man muss schwimmen bei Vollmond - man muss drei Mal um den hinteren Felsen, der im Wasser steht und ganz vom Wasser umgeben ist, drum herumschwimmen, während die vorderen Felsen ja zu dicht am Strand sind. Also: Bei Vollmond drei Mal drumrum bringt 30 Jahre jünger."
Jetzt bin ich vorhin um den vorderen Stein geschwommen, aber nur einmal - wie viele Jahre jünger werde ich?
"Ich glaube, das bringt gar nichts, ehrlich gesagt - ist auch kein Vollmond heute."
Auch der Einheimische Dimítris Michailídis muss schmunzeln:
"Yes, many people have tried it, but it doesn't work. - I know lots of people that have."
Er wisse von vielen Leuten, die es versucht haben, aber es funktioniere nicht, sagt er. Dimítris Michailídis ist Archäologe – er kennt sich aus wie kein zweiter, wenn es um griechische Götter und antike Stätten auf Zypern geht. In Alt-Paphos pilgern Besucher noch heute zum "Aphrodite-Heiligtum”, wo die Göttin der Liebe schon vor 3200 Jahren verehrt wurde. Von dem jahrhundertelang verschütteten Heiligtum ist allerdings nicht mehr viel zu sehen. Die ersten Entdecker hatten im 19. Jahrhundert allzu eifrig nach antiken Überresten gegraben:
"Die Leute haben nach einem Tempel gesucht, nach einem klassischen Tempel wie dem Parthenon. Ihnen war damals nicht klar, dass es solche Anlagen früher im östlichen Mittelmeerraum gar nicht gab. Das Heiligtum war nach orientalischem Vorbild gebaut worden, als offene Fläche unter freiem Himmel. Während sie also vergeblich nach Überresten eines Tempels gruben, haben sie damit das Heiligtum zerstört, eben weil sie es nicht besser wussten."
Sehr gut erhalten hingegen sind die farbenfrohen Boden-Mosaiken aus den römischen Palästen im Archäologischen Park von Paphos – gleich neben dem kleinen Fischerhafen am Ende der Ufer-Promenade. Ein Mosaik zeigt Dionysos, den Gott des Weines, lebensgroß beim Festgelage – wer hat in den Villen mit diesen prachtvollen Böden gewohnt?
Von den Ägyptern als Steinbruch genutzt
"Wir wissen es nicht. Aber wir vermuten, dass hier reiche Händler oder reiche Landbesitzer wohnten."
Dimítris Michailídis kennt den Archäologischen Park in Paphos wie sein Wohnzimmer – sein Jahrzehnten erforscht er die Mosaiken der antiken Villen. Das müssen eindrucksvolle Paläste gewesen sein damals, vor zweitausend Jahren, meint der Archäologe, allerdings sind die meisten Steine, aus denen einst die Mauern und die Säulen dieser Paläste gebaut wurden, inzwischen vermutlich in Ägypten. Im 19. Jahrhundert nämlich, als Zypern noch zum Osmanischen Reich gehörte, wurde das antike Paphos als Steinbruch genutzt:
"Als der Sueskanal gebaut wurde, hatten die osmanischen Behörden der Baugesellschaft von Ferdinand de Lesseps die Erlaubnis gegeben, Steine von hier für den Kanalbau in Ägypten zu verwenden – Paphos war damals besonders betroffen."
Glücklicherweise blieben damals die Boden-Mosaiken unentdeckt. Sie überstanden all die Jahrhunderte unter einer dicken Schicht Schutt und Erde.
Die Hälfte der Straßen sind aufgerissen
"Even the mobile is a nightmare, we cannot live without it."
Elena Taliotou, 49, Rechtsanwältin, Mutter zweier Söhne und waschechte Paphoserin, steht ständig unter Strom. "So ein Handy ist ein Alptraum, aber ohne können wir nicht leben”, seufzt sie und drückt ein ankommendes Telefongespräch weg. Elena nimmt sich jetzt Zeit, um ihren Besuchern die Altstadt von Paphos zeigen:
Immer noch ist die Hälfte aller Straßen aufgerissen. Die Stadt putzt sich heraus für das Kulturhauptstadt-Jahr. Im Altstadtviertel Moutallas zeigt Elena Taliotou auf die zweisprachigen Straßenschilder: Odos Chatzi Ali Aja, steht da auf Griechisch, darunter in türkischer Sprache: Haci Ali Aga Sokagi. Dıe Straße führt zur Moschee:
"Sie ist sehr schön renoviert; fürs Kulturhauptstadtjahr Paphos 2017. Die Moschee zeigt uns, wie hier früher die Menschen friedlich zusammenlebten und jeder seiner Religion nachgehen konnte. Ein Vorbild für uns Jüngere, wie die Kulturen zusammenlebten."
Die Moschee von Paphos ist zwar schön renoviert, aber niemand kommt zum Beten hierher. Im Jahr 1974 – am Ende des Zypern-Krieges, mussten die dreitausend türkischen Einwohner von Paphos aus der Stadt flüchten. Sie zogen alle in den Norden der Insel, den die türkische Armee seit 1974 besetzt hält. Seither leben alle griechischen Zyprer im Süden der Insel, und alle türkischen Zyprer im Norden, voneinander geteilt durch Stacheldraht und Wachttürme – und durch eine Pufferzone, in der Blauhelme der UNO bis heute darauf achten, dass die Kämpfe nicht wieder aufflammen.
Elena war noch ein kleines Kind, als die 3000 türkischen Einwohner aus ihrer Heimatstadt flüchteten:
"Ich hatte leider nicht die Gelegenheit, mit türkischen Leuten zusammenzuleben, aber meine Eltern hatten das und vor allem meine Schwiegermutter: Ihr Haus war im Zentrum der Stadt und sie sind zum Einkaufen zum Markt ins türkische Viertel gegangen. Sie haben viele Geschichten von früher erzählt, sie haben sich gut verstanden und haben viel erzählt über den alten Marktplatz."
Friedliches Miteinander ist vorbei
Vorbei - das friedliche Miteinander scheint endgültig vorbei. Insgesamt 40.000 türkische Zyprer flohen damals, im Jahr 1974, in den Norden der Insel. Von dort wiederum wurden insgesamt 160.000 griechische Zyprer vertrieben - hinter die Waffenstillstandslinie in den Süden Zyperns.
Ein Drittel der Insel-Bewohner wurde über Nacht zu Flüchtlingen. Einer von ihnen ist Krysantos:
"Ich bin Flüchtling aus Zodia. Zodia war das reichste Dorf Zyperns. Es liegt in der Nähe von Morfou, im Westen der Insel."
Krysantos ist Wirt eines kleinen Cafés. Zwei alte Männer trinken hier wie jeden Tag ihren griechischen Kaffee und spielen dabei stundenlang Tavli – also Backgammon. In dicken Lettern steht der Ortsname "Zodia” über dem Cafe von Krysantos – das Cafe liegt direkt neben der Moschee im ehemaligen türkischen Viertel von Paphos. Flüchtling Krysantos bekam 1974 den Wohnort Paphos zugewiesen. Mit vielen an-deren griechisch-zyprischen Flüchtlingen zog er ins einst türkische Viertel von Paphos ein, wurde hier aber nie so richtig heimisch, klagt er.
Viele Häuser hier sind verfallen; viele Läden seit Jahren geschlossen. Krysantos wirft einen skeptischen Blick auf all die Baumaschinen in seinem Viertel. Er mag nicht so recht an die Versprechen glauben, mit dem Kulturhauptstadtjahr werde alles wieder besser werden, auch hier in Moutallas, dem ehemaligen türkischen Viertel von Paphos.
Ein Programm, das verbinden soll
"Wir haben ein Programm für die türkisch-zyprische Gemeinde. Wir wollen den Moutallas-Platz zu neuem Leben erwecken", sagt Galatia Georgiou. Die junge Frau mit den glattgekämmten, dunkelbraunen Haaren ist Kultur-Managerin und bastelt das Programm für das Kulturhauptstadtjahr 2017 zusammen.
"Wir haben ein Projekt, das heißt: 'Geschmack verbindet' – dort wird es einen Markt für Speisen geben, Imbiss-Stände und so. Das wird eine gute Gelegenheit für griechische und türkische Zyprer sein, sich ein bisschen näher zu kommen.
Die Grenze zwischen den beiden Teilen Zyperns ist zwar seit zwölf Jahren offen, aber nur selten kommen türkische Zyprer nach Paphos , erzählt Elena Taliotou:
"Manchmal treffe ich hier Leute aus Paphos, die kommen von der anderen Seite und besuchen hier ihre frühere Heimat – also wirklich: dann fühl' ich mich traurig. Neulich hab ich zufällig eine türkische Familie getroffen, die waren hier hergefahren, um das Haus ihrer Familie zu sehen. Das ist traurig. Ich kam mit denen ins Gespräch und sie sagten: Alles, was wir brauchen, ist Frieden und gutes Zusammenleben. Deshalb hoffe ich, dass die Verhandlungen irgendwann Erfolg haben werden."
Nun, die Verhandlungen zwischen den griechischen und den türkischen Zyprern haben bislang kein Ergebnis gebracht. Kultur-Managerin Galatia Georgiou meint lapidar:
"Wir glauben, dass die Kultur uns näher zu einer Lösung bringen wird als die Politik."
Abstecher in die Hauptstadt Nikosia
Von Paphos bis zur Hauptstadt Nikosia sind es 150 Kilometer. Nikosia liegt in der Mitte Zyperns. Wie das gesamte Land, so ist auch die Hauptstadt geteilt: in einen griechischen Süden und einen türkischen Norden. Die Grüne Linie, so heißt die Grenze, die die beiden Volksgruppen voneinander trennt, läuft mitten durch die Altstadt. Hubert Faustmann lebt im griechischen Teil Nikosias. Vor 17 Jahren zog er von Mannheim nach Nikosia. Hubert Faustmann leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung auf Zypern, unterrichtet an der Uni Nikosia als Politikprofessor und er beobachtet, wie die beiden Volksgruppen auf Zypern versuchen, sich näher zu kommen:
"Man geht sehr höflich miteinander um. Es ist weitgehend ungefährlich für ein Mitglied der einen Volksgruppe, auf der anderen Seite unterwegs zu sein. Das ist schon mal eine Riesen-Errungenschaft in Gesellschaften, in denen es Gewalt zwischen den beiden Volksgruppen gab. Das kann man gar nicht genug betonen. Was fehlt bei vielen, ist einfach der Kontakt. Es ist ein friedliches Nebeneinander, aber es ist noch kein friedliches Miteinander."
Ein Grenzübertritt in der geteilten Stadt Nikosia gleicht einem lockeren Spaziergang: Man schlendert die Fußgängerzone entlang, die Ledra-Straße – vorbei an Straßenmusikern, links und rechts reihen sich Cafés, Souvenir-Läden und Boutiquen aneinander, dann plötzlich ein kleiner Pavillon mit griechisch-zyprischen Polizisten. Die Beamten schauen mal gelangweilt, mal skeptisch auf die Spaziergänger, die sich auf den Weg in den türkischen Teil machen. Aus Sicht der griechisch-zyprischen Beamten ist das hier gar keine Grenze. Das Gebiet auf der anderen Seite der Grünen Linie gehört aus ihrer Sicht genau wie der Süden ebenfalls zur Republik Zypern, ist allerdings seit dem Jahr 1974 illegal von türkischen Truppen besetzt. Die ganze Welt sieht das so, das nur die Türkei nicht – und natürlich die türkischen Zyprer. Sie haben auf ihrer Seite der Grünen Linie ein großes Schild aufgestellt: "Welcome to the Turkish Republic of Northern Cyprus” – Willkommen in der Türkischen Republik Nordzypern.
Dieselbe Straße in einer anderen Welt
Einmal den Pass vorzeigen, Stempel rein – und man ist zwar immer noch in der Ledra-Straße in Nikosia, aber irgendwie in einer anderen Welt. Hier zahlt man nicht mehr in Euro, sondern in türkischen Lira; hier hört man nicht mehr Kirchenglocken, sondern den Muezzin; hier sind die Werbetafeln Türkisch, nicht mehr Griechisch.
300.000 Einwohner hat die Türkische Republik Nordzypern. Ein selbsternannter Mini-Staat, den die ganze Welt nicht anerkennt – und mit dem die ganze Welt keinen Handel treibt. Alles, was nach Nordzypern importiert werden soll – jedes Auto, jeder Sack Reis, jedes Kaugummi - muss über die Türkei geliefert werden. Wir leiden darunter, sagt der Journalist Hasan Hastürer aus Nord-Nikosia:
"Wir türkischen Zyprer sind traumatisiert. Wir wissen nicht, wo wir hingehören", sagt er.
Schließlich hört er auf der südlichen Seite der Grünen Linie, bei den griechischen Zyprern, immer wieder: Euren Staat Nordzypern gibt's gar nicht; in Wirklichkeit seid ihr auch Bürger unseres Staates, der Republik Zypern. In der Tat kann sich jeder türkische Zyprer im Süden einen Pass der Republik Zypern besorgen, also einen EU-Pass. Hasan Hastürer bekommt vor lauter Pässen Identitätsprobleme:
"Ich habe drei Pässe: Den türkischen Pass, den ich benutze, wenn ich in die Türkei reise. Aber ich empfinde diesen Pass nicht wirklich als den meinen. Dann hab ich den Pass der Europäischen Union. Den hat mir der griechisch-zyprische Beamte so ausgestellt, als hätte ich eigentlich kein Recht darauf. Ich empfinde ihn also auch nicht als den meinen, so wie ihn einer meiner griechisch-zyprischen Freunde als den seinen empfindet. Und schließlich hab ich den Pass der Türkischen Republik Nordzypern, den die ganze Welt nicht anerkennt. Aber der ist mir, glaube ich, noch am nächsten. Der definiert mich noch am meisten."
Niedrigerer Lebensstandard als im Süden
Der Lebensstandard im Norden Zyperns ist niedriger als im Süden, aber der Norden holt auf, verdient vor allem mit Tourismus Geld. Investoren aus der Türkei und auch aus Großbritannien haben die Küsten Nordzyperns mit Hotels und Ferienhäusern vollgestellt. Wer noch Ruhe, Idylle und einsame Buchten sucht, der sollte zum äußersten Zipfel Zyperns fahren – auf die langgezogene Karpas-Halbinsel, die wie ein Speer ins östliche Mittelmeer ragt. Die Strecke allerdings zieht sich.
Nach drei Stunden Fahrt in die hinterste Ecke der Türkischen Republik Nordzypern erklingen dann plötzlich wieder griechische Töne: Die Mönche des Andreas-Klosters an der Ostspitze der Karpas-Halbinsel wurden nach der Teilung der Insel 1974 nicht in den Süden vertrieben. Sie durften bleiben. Sie haben das Kloster erhalten als Wallfahrtsort der zyprisch-orthodoxen Kirche am Ende der Insel Zypern. Von hier aus sind es nur noch 100 Kilometer Luftlinie bis zur Küste Syriens:
"Turkey mountain and Syria mountain - Yes, you can see."
Ja, die türkischen Berge im Norden und die syrischen Berge im Osten – die kann man manchmal sehen, sagt Hüseyin Erenköylu, der Wirt des Camping-Platzes hier an der Ost-Spitze Zyperns. Auf seinem Campingplatz parkt ein Wohnmobil aus Osnabrück. Hier sind viele Weltenbummler unterwegs – und viele Besucher aus dem griechischen Teil der Insel. Wird Zypern eines Tages wiedervereinigt? Hüseyin Erenköylü antwortet sehr schnell:
"Nein! Das ist Politik. Wenn die das wollen, ja. Aber das liegt nicht an uns", sagt er.
Die Inselteile kommen sich näher
Politiker aus beiden Inselteilen sind sich in den Verhandlungen der letzten Monate zwar sehr nahe gekommen, aber:
"Ich bin immer noch sehr skeptisch, weil es in der Vergangenheit immer schief lief."
Meint auch Hubert Faustmann von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Nikosia. Vor allem bei den griechischen Zyprern im Süden der Insel gebe es viele Vorbehalte, den türkischen Zyprern in einem gemeinsamen Staat Zugeständnisse zu machen:
"Man darf nicht vergessen, dass es dem Süden relativ gut geht, der Leidensdruck relativ gering ist. Aber, das muss man natürlich auch sehen - so eine Wiedervereinigung natürlich ein erhebliches Risiko mit sich bringt. Wieder friedlich zusammenzuleben, die Macht zu teilen mit einer anderen Volksgruppe ist eine schwierige Aufgabe, also man muss kein böser Hardliner sein, um sich zu fragen, ob man nicht getrennt stabiler unterwegs ist als man das wiedervereinigt ist. Also: Der Idealist in einem sagt: Bitte wiedervereinigt Euch, das ist eine Tragödie, so eine Insel zu teilen. Der Realist sagt: Es wird schwierig nach einer Wiedervereinigung. Man kann sich mit guten Gründen überlegen, ob man das will."
Ein geduldiger Wirt aus Paphos
Zurück in Paphos, wo für die kommenden Wochen noch Planierraupen und Baumaschinen das Straßenbild bestimmen. Dimitris Nikolou ist froh, dass die Bauarbeiter jeden Tag um 18 Uhr Feierabend machen. Sein Restaurant, das vor allem abends gut besucht ist, liegt nämlich am weitläufigen Rathausplatz – und der bekommt gerade einen neuen Belag aus hellgrauen Granit-Platten:
"Ich möchte einmal kurz die Augen schließen und wenn ich sie wieder öffne, dann soll's fertig sein. Aber wir müssen Geduld haben."
Jamas! Gesundheit! Dimitris prostet seinen Gästen mit einem Glas Ouzo zu. Die meisten haben heute Abend Hähnchen bestellt – bei Dimitris ist das ein kulinarisches Erlebnis:
"I marinate this chicken with garlic, honey, basil, Coca-Cola."
Er mariniert das Hähnchen mit Knoblauch, Honig, Basilikum und Coca-Cola. Alles mögliche mischen, Neues ausprobieren, das liegt zyprischen Köchen im Blut:
"Wie Sie ja aus unserer Geschichte wissen – alle sind durch Zypern gezogen: die Franken, die Engländer, Türken, Araber. So haben wir ein bisschen von allem, alle haben ihre Spuren hinterlassen."
Und doch gibt es eine Speise, die ist typisch für Zypern wie keine zweite:
"Halloumi – das ist das Lieblingsgericht auf unserer Karte – der traditionelle Käse auf Zypern. Wir bereiten ihn etwas anders zu – mit Honig, Minze und Knoblauch. Sehr lecker."
Käse aus Ziegenmilch – der wird auf Zypern seit Jahrhunderten gebraten und gegessen, aber mit Honig?
"Die Einheimischen fanden das ja erst etwas merkwürdig. Sie waren skeptisch: Halloumi mit Honig? Aber dann haben sie's probiert!"
Halloumi mit Honig der Renner
Und seither ist Halloumi mit Honig der Renner auf Dimitris Speisekarte in seinem Restaurant mit dem Namen "Koutourou":
"Koutourou, das ist genau genommen ein türkisches Wort. Es bedeutet: Etwas ohne Plan tun. Wir sagen zum Beispiel: Ich backe den Kuchen koutourou – das heißt: ohne Messbecher oder Rezept, sondern vom Gefühl her. 'Ich lebe mein Leben koutourou' – das heißt: nicht so viel Stress haben, frei sein. Wir wissen ja auch nicht, was wir morgen auf der Speisekarte haben. Es ist eine Philosophie."
Und, so merkt Dimitris an, es wäre auch ziemlich "koutourou", wenn sich in diesem Jahr die griechischen und die türkischen Zyprer einigen würden; wenn sie die Grenze und all die Wachttürme, die ihre Insel trennen, in diesem Jahr abbauen würden. Eine Wiedervereinigung im Kulturhauptstadtjahr, ja, das wäre traumhaft, sagt der Wirt Dimitris aus Paphos, und sein Namensvetter, der Archäologe Dimitris Michailidis sieht das genauso. Er sagt auf Türkisch und Griechisch:
"'Inschallah', wie sie sagen, 'makari', wie wir sagen. Ja, hoffentlich kommt es so, hoffentlich!"