"Wir wollen die Stadt aufwecken"
"Linking continents - bridging cultures" - das ist das Motto von Paphos, eine der beiden europäischen Kulturhauptstädte 2017. Der Ort an der Südwestküste Zyperns will das Jahr nutzen, um Einwohner und Gäste für zeitgenössische Kultur zu begeistern.
Bisher zog es Kulturinteressierte kaum nach Paphos, obwohl der die Hafenstadt an der Südwestküste Zyperns einiges an archäologisch interessanten Stätten zu bieten hat. Aber das wird sich ändern, denn Paphos ist eine der beiden europäischen Kulturhauptstädte 2017.
Obwohl wegen der Finanzkrise statt der ursprünglich veranschlagten 22 Millionen Euro nur fünf Millionen zur Verfügung standen, plant die künstlerische Leiter Georgia Doetzer ein vielfältiges Programm, das das Interesse der Bewohner an zeitgenössischer Kultur wecken soll.
"Die Stadt war eigentlich die erste Hauptstadt von Zypern und verfügt über ein sehr reiches archäologisches Heritage. Also, daher ist die Stadt schon kulturinteressant. Aber vielleicht nicht so sehr interessant für eher moderne Kultur, das war vielleicht, was der Stadt fehlte."
Ausdrücklich streckt die Stadt auch ihre Fühler in Richtung türkisch-zypriotischer Künstler aus. "sehr viele Künstler sind dahin eingeladen worden, ihre Arbeit zu präsentieren, mit griechisch-zypriotischen Künstlern zusammenzukommen, viel über unsere Vergangenheit zu sprechen und zu machen", sagte Doetzer im Deutschlandradio Kultur.
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Wer den Namen der Stadt Paphos in eine Suchmaschine im Internet eingibt, der landet sofort bei zahlreichen Reiseportalen. Der Ort an der Südwestküste Zyperns ist nämlich ein beliebtes Touristenziel. In diesem Jahr will Paphos aber auch Besucher anlocken, die mehr als nur Sonne und Strand suchen, denn es ist eine der beiden europäischen Kulturhauptstädte, die andere ist Aarhus in Dänemark. Wir sprechen jetzt mit Georgia Doetzer, sie ist die künstlerische Leiterin von Paphos 2017. Schönen guten Morgen, Frau Doetzer!
Georgia Doetzer: Guten Morgen!
Reiches archäologisches Erbe vorhanden
Kassel: Ich habe es ja schon zugegeben, aber ich habe eigentlich bisher Paphos eher nicht mit Kultur in Verbindung gebracht. Wie ging es Ihnen denn, als Sie das erste Mal in die Stadt kamen?
Doetzer: Ich komme natürlich aus Zypern, daher kannte ich die Stadt schon sehr gut. Aber ich glaube, da haben Sie ein bisschen … sind wir vielleicht nicht ganz gerecht der Stadt gegenüber, denn die Stadt war eigentlich die erste Hauptstadt von Zypern und verfügt über ein sehr reiches archäologisches Heritage. Also, daher ist die Stadt schon kulturinteressant. Aber vielleicht nicht so sehr interessant für eher moderne Kultur, das war vielleicht, was der Stadt fehlte.
Kassel: Wird denn das jetzt kommen in diesem Jahr, die eher moderne Kultur?
Doetzer: Das wird eher kommen, das wird natürlich in so einem Maße kommen, dass wir davon auch hoffen, dass es hält auch für die nächsten Jahre. Und dass es dann natürlich dazu führt, dass in der Stadt selber Sachen entwickelt werden, Institutionen, auch ein Kapital, ein menschliches Kapital, was für die nächsten Jahre dafür sorgt, dass mehr Contemporary Culture [zeitgenössische Kultur] zustande kommt.
Nur fünf statt 22 Millionen fürs Programm
Kassel: Nun war, als die Planungen für die Kulturhauptstadt begannen, Zypern noch ein relativ wohlhabendes Land. Dann aber kam die Finanzkrise. Mussten Sie jetzt für die Kulturhauptstadt Geld mit noch mehr Kreativität ersetzen oder ist das eine Schmalspurveranstaltung?
Doetzer: Das mussten wir, das ist uns auch zu einem sehr großen Grad natürlich gelungen, aber natürlich soll man schon irgendwie nicht meinen, dass mit weniger Geld viel gemacht werden kann. Wir haben unser Bestes gegeben und wir waren auch sehr glücklich, dass wir auf unserem Wege zu 2017 auch sehr viele Partner gefunden haben, die uns geholfen haben, uns unterstützt haben. Aber natürlich war das ein Schlag für die Kulturhauptstadt Paphos 2017, dass von den 22 Millionen, die sie meinte oder plante auszugeben für das Programm, dann nur noch fünf waren.
Kassel: Aber macht nicht das … Aber veranstalten kann man eine Menge, wir werden auch gleich darüber reden, dass Sie da auch die sehr, sehr guten Klimaverhältnisse nutzen und einfach sehr, sehr viel draußen machen werden. Aber macht nicht so ein kleines Budget es auch schwieriger, das zu erreichen, was Sie schon gesagt haben, nämlich nicht nur dieses Jahr lang etwas zu veranstalten, sondern auch etwas zu schaffen, was bleibt?
Doetzer: Richtig.
Kassel: Also, ich nehme an, neue Konzertsäle werden Sie nicht gerade bauen können mit dem Geld.
Doetzer: Ja, da wollen wir allerdings sagen, dass das Budget von den 22 Millionen, das war ja nur das Programm. Das ging ja nicht um die Infrastruktur, also nicht um die Bauten. Die Bauten – und da wird Gott sei Dank vieles gemacht –, das hat die Stadt übernommen und die hat es wirklich gut geschafft, trotz der Krise sehr viele Gebäude hier in der Stadt hochzuziehen. Und das ist für die Stadt doch ein großes Glück, dass das gemacht wird. Nicht Riesendinge, aber ein neues Theater kommt zustande, eine kleine multifunktionale Halle kommt zustande, ältere Sachen, ältere Gebäude werden jetzt renoviert, die Hauptplätze der Stadt werden jetzt united, werden jetzt zusammengebracht und neu gemacht. Also, es sind ein paar kleinere Sachen, aber wichtig, sehr wichtig für die Stadt. Und natürlich Imbrahims Khan nicht zu vergessen, das war ja auch ein großer Vorteil von unserem Programm, das war ein ehemaliges altes Khan, was total am Verfallen war, und das wird ja jetzt neu gebaut, und da entstehen natürlich große Capacities, da haben wir ein kleines Theater, haben wir ein kleines Open Cinema, also, da entsteht eine ganze Reihe von Infrastruktur, die der Stadt sehr zugute kommt.
Kassel: Auch gerade angesichts dieser Dinge, die Sie jetzt gerade aufgezählt haben, die ja bleiben werden: Was ist denn im Moment noch vor offiziellem Beginn des Kulturjahrs für eine Stimmung in der Stadt, nicht bei den Touristen, sondern bei den Einwohnern? Sind die dabei, freuen die sich drauf oder sagen die, ja komm, lass die Großen mal machen?
Doetzer: Ja, ich glaube, in Paphos gerade … Ich weiß ja nicht, wie es in anderen Städten ist, ich habe das aus meiner Erfahrung mal gesehen und ich glaube, da ist es mehr, da geht es mehr um die Touristen. Hier in Paphos geht es eigentlich mehr um die Einwohner. Denn unsere Vision, wenn wir so sagen können, war eigentlich, dass wir die Stadt ein bisschen aufwecken, dass wir die Einwohner eben dazu bringen, dass sie die Kultur besser schätzen als bisher, dass wir das Publikum, was es hier gibt, vergrößern.
Und natürlich, das alles kommt auch den Touristen zugute, denn die werden natürlich eine viel lebendigere Stadt erleben, wenn sie die Stadt besuchen kommen dieses Jahr. Sie werden natürlich viel mehr zu sehen bekommen, als sie das bis dahin gemacht haben. Und die Stadt wird an sich eine viel interessantere Stadt. Aber unser erster Gedanke war eigentlich die Stadt und deren Einwohner. Und mit deren Einwohnern meinen wir natürlich nicht nur die griechisch-zypriotischen Einwohner, die auch die Mehrheit ausmachen, aber auch die sehr vielen Ausländer, die hier in der Nähe von Paphos wohnen, auch in der Stadt selbst, die aus sehr vielen Ländern kommen, Deutschland, England, aus Skandinavien. Und die leben ja hier für sehr viele Jahre und sind ein großer Bestandteil dieser Gesellschaft hier.
Auch türkisch-zypriotische Künstler sind eingeladen
Kassel: Europäische Kultur findet mit Sicherheit statt, aber Zypern selbst ist ja auch ein geteiltes Land. Wird eigentlich in Paphos auch der türkische Teil der Insel eine Rolle spielen, wird türkische Kultur vorkommen?
Doetzer: Der türkische Teil spielt insofern eine große Rolle, als das ein Bestandteil unseres Programms ist. Wir haben ein Motto, unser zentrales Motto heißt "Linking Continents – Bridging Cultures". Damit gemeint ist auch die Annäherung der beiden Gemeinden. Wir haben sehr viele türkisch-zypriotische Künstler eingeladen, an dem Programm teilzunehmen, das haben wir auch geschafft, das Imbrahims Khan, von dem ich vorhin gesprochen habe, wird ein Platz, wo eben sehr viel Dialog stattfinden wird, sehr viele Künstler sind dahin eingeladen worden, ihre Arbeit zu präsentieren, mit griechisch-zypriotischen Künstlern zusammenzukommen, viel über unsere Vergangenheit zu sprechen und zu machen. So, ich denke, doch, das ist ein großer Teil auch, was den türkisch-zypriotischen Künstlern und auch den Leuten… Denn wir haben auch unsere türkisch-zypriotischen Mitbewohner. Denn hier Paphos hatte einen Großteil türkisch-zypriotische Bewohner vor 74, die haben wir alle eingeladen und ich hoffe, dass es uns auch gelingt, sehr viele von denen nach Paphos zu bringen während des Jahres.
Kassel: Das hoffe ich mit Ihnen! Herzlichen Dank, Georgia Doetzer war das, sie ist die künstlerische Leiterin von Paphos 2017. Paphos ist eine der beiden Kulturhauptstädte Europas in diesem Jahr. Danke fürs Gespräch!
Doetzer: Danke Ihnen!
Kassel: Und weil sie gar keine Gelegenheit mehr hatte, es zu sagen, soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass es natürlich auch – das gehört zu einer Kulturhauptstadt dazu – große Namen geben wird in Paphos: die Berliner Philharmoniker werden da zum Beispiel auftreten am 1. Mai und im Sommer dann auch Ute Lemper, und fast alle unter freiem Himmel. Wetter ist angeblich immer schön da, ist garantiert.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.