Kulturkampf in Hamburg

Von Jörg Armbrüster |
Deutschlands prominenteste Kultur-Baustelle wird zum Desaster: Beim Bau der Hamburger Elbphilharmonie explodieren die Kosten - und die Beteiligten schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Star-Architekt de Meuron musste nun in einem Untersuchungsausschuss aussagen.
Pierre de Meuron ist einer der weltweit gefragtesten Architekten. Ein eleganter Mann mit kühnen Visionen, ein Schöngeist. Heute redete der Schweizer im Untersuchungs-Auschuss Tacheles. Für die enormen Kostensteigerungen und Terminverzögerungen seien die Stadt Hamburg als Auftraggeber und die Baufirma Hochtief verantwortlich, sein Team jedenfalls nicht.

"Nein, da muss ich wirklich dezidiert widersprechen. Unser Konzept für die Elbphilharmonie steht seit Jahren – und wir haben nichts geändert. Wir sind Architekten, wir haben einen Auftrag und wir wollen dieses Gebäude realisieren. Aber seit dem Beginn hat sich das Projekt verändert: Nutzerwünsche, dritter Konzertsaal, Investorenwünsche – und das hat natürlich Mehrkosten zur Folge gehabt. Wie hoch diese Mehrkosten sind, das müssen dann andere entscheiden."

Die Ursache für die Kostenexplosion sieht der Architekt auch in der komplizierten Vertragssituation. Die Stadt fungiert dabei als Vermittler zwischen Baufirma und Architekten. Eine unübliche Konstruktion in der Branche, Planer und ausführende Firma reden nicht direkt miteinander. Davor habe er schon von Anfang an gewarnt...

"Und wenn sie eine solche Vertragskonstellation auswählen, dann braucht es eine starke, kompetente und professionelle Bauherrschaft und Projektsteuerung."

Und die vermisst der Architekt bei der Stadt. Gebaut wird auf Europas prominentester Kultur-Baustelle zur Zeit jedenfalls nicht mehr viel. Das bestätigt Hochtief-Sprecher Bernd Pütter...

"In der Tat ist der Bau-Ablauf in verschiedenen Bereichen gestört. Es gibt Stopps bei der Haustechnik-Planung. Da sind wir auch teilweise vom Bauherren angehalten, jetzt nicht weiter zu planen. Was jetzt zum Beispiel noch läuft, sind Ausbauleistungen im Hotel. Aber auch im Bereich des Saaldachs stockt die Arbeit."

Ausgerechnet dort, am Herzstück des Gebäudes, dem großen Konzertsaal. Hochtief hat Bedenken wegen der Statik des Daches. Unsinn, kontert Chefplaner de Meuron, der ohnehin nicht viel von den Baukünsten Hochtiefs hält. Die Statik sei exakt berechnet und sicher. Es könne gefahrlos weitergebaut werden.

"Die Haltung von Hochtief muss sich ändern. Wir haben alles unternommen, um dieses Dach zu planen. Wir haben alles unternommen, aufzuzeigen, dass dieses Dach baubar ist. Man kann bauen..."

Ein mehrstündiges Gespräch zwischen Architekten und Baufirma konnte das Problem aber auch nicht lösen. Der Hamburger Hochtief-Chef Thomas Möller fasst es so zusammen:

"Das Ergebnis dieses Gespräches ist, dass die Widersprüche noch besser eingegrenzt werden können. Es ist aber faktisch noch nicht gelöst worden."

Streit, Missverständnisse, Kommunikationsfehler. Der Bau der Elbphilharmonie - ein Desaster. Eigentlich sollte das Konzerthaus schon im vergangenen Jahr eröffnet werden. Das erste Konzert wird vermutlich aber frühestens 2014 stattfinden. So genau weiß das niemand im Moment. Auch nicht die Hamburger Kultursenatorin Barbara Kisseler.

"Dieses Ding muss irgendwann mal fertig werden – und irgendwann heißt nicht am Sankt Nimmerleinstag. Dafür muss man einen pragmatischen Weg finden, auf beiden Seiten. Anwälte werden die Elbphilharmonie nicht zu Ende bauen."

Zur Zeit verdienen nur eine Menge Anwälte sehr gut an der Elbphilharmonie.
Die Stadt hat die Baufirma verklagt. Sie will festgestellt wissen, dass Hochtief die Schuld an den Verzögerungen trägt. Morgen Vormittag wird es eine erste Verhandlung vor dem Hamburger Landgericht geben.

Alle Beteiligten wissen: Es muss eine Lösung gefunden werden. Und zwar schnell. Aber keiner will Fehler zugeben. Denn das könnte als Schuld-Eingeständnis gewertet werden.

Eine missliche Lage. Das Prestigeobjekt der Stadt wird immer mehr zum Problemkind. So ein schwieriges Projekt habe er noch nie erlebt, stöhnte der 61-jährige Architekt nach der mehrstündigen Befragung. Und nach dem Auftritt von Pierre de Meuron im Hamburger Rathaus muss man sich um die Elbphilharmonie noch viel mehr Sorgen machen als vorher.
Pierre de Meuron
Pierre de Meuron© dpa / picture alliance / Malte Christians