"Mittelgroße Kulturhäuser werden sich kaum erholen"
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Durch die Maßnahmen in der Coronakrise befürchtet der ehemalige Intendant der Berliner Festspiele, Ulrich Eckhardt, große Schäden für die Kulturlandschaft und die Gesellschaft. Dabei seien diese Institutionen gerade in einer solchen Situation essenziell.
Nicht nur die Zahlen der möglichen Schreckensszenarien der Coronaepidemie stiegen exponentiell, auch die sozialen Schäden nähmen mit der gleichen Steigerung täglich zu, sagt Ulrich Eckhardt. Und darum hält der 86-jährige Musiker und Kulturmanager, der rund 30 Jahre die Berliner Festspiele als Intendant geleitet hat, die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus für überzogen.
"Mit jedem Tag wachsen die Zerrüttungen, die wir erfahren werden", befürchtet er - und betont mit Blick auf die Zukunft: "Als alter Mensch bin ich ja sowieso am Ende meines Lebens angekommen und kann sagen: Alles, was jetzt geschieht oder auch alles, was jetzt nicht geschieht, betrifft unsere Nachkommen. Und sie müssen am Ende auch alles bezahlen."
Hunger nach Kultur zum Anfassen
Die gesundheitlichen Gefahren durch das Virus hält er in Deutschland für beherrschbar - im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern. Etwa in Frankreich und Spanien habe auch eine "verfehlte Finanzpolitik" nach der Finanzkrise von 2008 zu den jüngsten Katastrophenbildern als Ausdruck eines überlasteten Gesundheitssystems geführt. Deshalb fordert Eckhardt: "Das Signal muss gesetzt werden, und vor allem die produzierende Wirtschaft muss wieder angekurbelt werden."
Zunächst werde es ein starkes Bedürfnis nach Kultur geben: "Weil die Ersatzunternehmungen natürlich nicht befriedigend sind. Man braucht ja dieses persönliche, direkte Erleben." Folgenschwer werde sein, dass insbesondere Einrichtungen mit zahlenmäßig starkem Publikum, also Theater und Konzerthäuser in der Reihe der Lockerungen als letzte drankommen würden.
Es treffe vielleicht weniger die ganz Großen, die könnten sich irgendwie retten, meint Eckhardt. "Aber die in der mittleren Größe, die werden sich davon kaum erholen." Bei wochen- oder monatelang geschlossenen Türen auch für Kulturhäuser seien die Folgen "ganz verheerend". Eigentlich müsste aber von da eine neue Kraft kommen.
Lösungen aus der Vergangenheit
Als junger Mann hat Eckhardt das Nachkriegsdeutschland erlebt und hofft, dass man sich zur Bewältigung auch jetzt an Lösungen von damals erinnert: "Damals etwas ganz Wichtiges: dass die Lasten gerecht verteilt wurden." Es habe das Lastenausgleichsgesetz gegeben. Er wolle "dringend daraufhinweisen, etwas ähnliches diesmal wieder zu machen". Es sei seine allergrößte Sorge, dass das diesmal vergessen werden könnte, und die Lasten ungleich verteilt würden. Das gelte nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa.
(mle)