Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt

AfD will Theater sanktionieren

Das Opernhaus in Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt an einem sonnigen Tag.
Die AfD in Sachsen-Anhalt fordert mehr deutsche Stücke an den Bühnen des Landes - auch am Opernhaus in Halle an der Saale. © imago / Michael Nitzschke
Von Christoph Richter |
Deutsche Kultur statt Vielfalt: Wenn es um Kultur und Theater geht, will die AfD in Sachsen-Anhalt das Rad der Zeit zurückdrehen. Sie übt Druck auf die Kulturinstitutionen im Land aus - und fordert sogar die Entlassung von Intendanten.
"Für das, was im Moment vor allem an der Oper und am Neuen Theater gemacht wird, ist aber jeder Cent Steuergeld ein Cent zu viel …"
Hans-Thomas Tillschneider, Landtagsabgeordneter der AfD in Sachsen-Anhalt, hält nicht viel von Kulturförderung. Erst vor wenigen Monaten hat er in einer Rede im Landtag den Hallenser Opernintendanten Florian Lutz angegriffen. Er verhunze die Oper, er liefere keine intelligenten Werkinterpretationen.
Der 38-Jährige Opernchef Florian Lutz sorgt gerne für Aufsehen. In seinen Inszenierungen sitzt das Publikum schon mal mitten auf der Bühne. Oder darf bei einem 12 stündigen gar im Opernhaus übernachten. Lutz geht es oft um experimentelle Zugänge, was für kontroverse Debatten sorgt. Nach Ansicht der AfD widerspricht das dem eigentlichen Auftrag. Theater und Oper seien eine Erziehungsanstalt, die der deutschen Nationalbildung dienen, weshalb Tillschneider - der dem rechtsnationalen Flügel um Björn Höcke nahesteht - nun fordert:
"Ich schlage vor, Florian Lutz wird entlassen, als Nachfolger wird ein Charakterkopf vom Format eines Attila Vidnyánszky gesucht. Dann muss die ganze Willkommenspropaganda aus dem Spielplan …"

"Das Theater macht, was die Regierung will"

Attila Vidnyánszky hatte Ungarns Regierungschef Viktor Orbán 2013 ans Nationaltheater in Budapest geholt, da er als williger Gefolgsmann des nationalkonservativen Regierungschefs gilt. Sein liberaler Vorgänger wurde geschasst. Ein Vorgehen, das Tillschneider ausdrücklich begrüßt.
"Der aktuelle Theaterbetrieb ist leider sehr einseitig. Wenn man es in politischen Kategorien ausdrücken will, ist er links. Deshalb ist es auch sehr billig, wenn Merkel und die etablierten Parteien immer die Kunstfreiheit rühmen. Das funktioniert aber nur so reibungslos, weil das Theater macht, was die Regierung will. Die Theater in unseren Bundesländern lesen ja Merkel jeden Wunsch von den Lippen ab",
die Theater betrieben "Refugees welcome" Propaganda. Dagegen müsse man vorgehen, sagt Tillschneider in Richtung der Bühnen in Dessau und Halle.
"So was wollen wir nicht fordern, so was müssen wir nicht fördern."
Stefan Rosinski schüttelt angesichts dieser Worte irritiert den Kopf. Er ist Generalintendant an der Hallenser Theater-, Oper- und Orchester GmbH und stellt sich vor seinen Opernchef Florian Lutz. Wer wie die AfD sein Programm "Hauptsache deutsch" nenne, wolle schlicht keine diskursive Auseinandersetzung. Kunst habe die Aufgabe, Fragen zu stellen. Die AfD dagegen habe historisierende Aspekte und Haltungen im Blick, so Rosinski weiter.

"Das ist nichts anderes als Zensur"

"Also die Konsequenz ist doch ganz klar: Zensurbehörde. Es muss doch eine Gruppe, eine Entität, einen Ausschuss geben, der dann befindet darüber: Okay, dieses Programm ist deutsch und kann subventioniert werden und dieses Programm ist nicht deutsch und kann daher nicht subventioniert werden. Das ist nicht anderes als die Bewertung nach normativen Erwartungen, mit anderen Worten: Zensur."
Im vergangenen Jahr hatte die AfD ein Jugend-Tanztheaterprojekt mit syrischen Flüchtlingen - realisiert durch das Theater Dessau – attackiert. Der frühere Merseburger AfD-Landtagsabgeordnete Gottfried Backhaus hatte daraufhin das Grundrecht der Kunstfreiheit – also Grundgesetz Artikel 5 - in Frage gestellt.
Man spürt es deutlich, die AfD übt auf die Kulturinstitutionen in Sachsen-Anhalt Druck aus, schüchtert ein.
"Es geht weder darum jetzt in eine Panik zu verfallen, also die feindliche Machtübernahme steht kurz bevor und jetzt müssen wir doch überlegen, ob wir nicht in die AfD eintreten, als Kulturschaffender, damit man weiter Subventionen bekommt; auf der anderen Seite sollte man keine Überreaktion zeigen. Meine persönliche Empfehlung: Nicht weggucken. Das Theater ist ein Drittes, das die Elemente aufnimmt und das mal durchspielt. Theater sollten das mal machen …"
Wer Kunst mundtot mache, nach einem festgelegten Kanon vorgehe, wie es die AfD propagiert, installiere ein Propagandasystem, so Rosinski weiter. Seit 2016 ist er Generalintendant in Halle, vorher war er unter anderem Chefdramaturg an der Berliner Volksbühne, bei Götz Friedrich hat er in Hamburg Musiktheaterregie studiert.
Sachsen-Anhalts CDU-Kulturminister Rainer Robra will sich zu den verbalen Angriffen der AfD auf die Theater nicht äußern. Anders Posaunist Andreas Schumann, der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Magdeburger Landtag. Er verurteilt die Rhetorik der AfD. Auch wenn er – ähnlich wie die AfD – nur wenig mit den Aufführungen von Halles Opernchef Florian Lutz anfangen könne. Aber deswegen die Subventionen zu streichen oder ihm deswegen gar zu kündigen, das gehe gar nicht, so Schumann weiter.
"Hier einzugreifen in künstlerische Freiheiten, das halte ich absolut für daneben. Da sind wir wieder bei DDR-Zeiten, wo wir vorgeschrieben bekommen, wie viel Stücke wir von wo spielen dürfen. Das wollen wir absolut nicht, das kann es nicht sein."

Die AfD sucht Anschluss an nationale Identitäten

Der in Rumänien geborene und in Deutschland aufgewachsene Hans-Thomas Tillschneider wiederholt trotzdem unermüdlich: Die AfD werde es nicht zulassen, dass Deutschland aus falsch verstandener Toleranz sein kulturelles Gesicht verliere.
"Die Romantik wäre vor allen Dingen wichtig. Und die steht leider etwas zu stark im Schatten in den letzten Jahren. Aber dabei ist gerade die Romantik für uns Deutsche enorm wichtige Epoche. Es ist die Epoche, zu der wir zu uns gefunden haben."
Den Magdeburger Rechtsextremismus-Experten David Begrich überrascht nicht, dass die AfD gerade an den nationalistisch-völkischen Begriff der Romantik anknüpft.
"Die Rechte hat immer eine politische Romantik favorisiert, die sie in Stellung gebracht hat, gegen den dekadenten Liberalismus, der die Identitäten verwischt, dass sind alles Topoi, Begriffe aus der Kulturkampfzeit der Rechten der Wilhelminischen Ära oder der Weimarer Republik. Und der Begriff von Theater, der dahinter steht, ist, dass zur Erbauung, natürlich zur nationalen Erbauung, der Zuschauer dient. Das ist das Theaterverständnis nicht mal des 19. Jahrhunderts, eigentlich das Theaterverständnis der Vor-Goethezeit."
Letztlich suche die AfD den Anschluss an nationale Identitäten, ein transnationales Kultur – und Geschichtsverständnis werde abgelehnt, so Begrich weiter.
Die Marschroute scheint klar: Eine lebendige, streitbare Theaterszene in Sachsen-Anhalt kommt der AfD und Hans-Thomas Tillschneider nicht in den Sinn. Stattdessen möchte man zwischen Arendsee und Zeitz eine gefühlige und gemütliche Heimat-Operetten-Theaterlandschaft.
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