Sasha Waltz muss ihre Tänzer entlassen
Eine Metropole opfert ihr kulturelles Aushängeschild: Die Choreografin Sasha Waltz muss wegen den Sparplänen der Stadt die Tänzer ihrer Kompanie entlassen. Die Feuilletons üben scharfe Kritik.
Der Berliner Doppelhaushalt für 2014/15 ist verabschiedet. Sein prominentestes Opfer heißt: Sasha Waltz, kommentiert Dorion Weickmann in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG die Entscheidung des Berliner Abgeordnetenhauses. Die Choreografin selbst verkündete auf einer Pressekonferenz in Berlin den Exitus ihrer Kompanie in der bisherigen Form. Zum 1. Januar muss sie alle 13 fest angestellten Tänzer entlassen. Damit, so Weickmann, geht eine Ära zu Ende, verliert die derzeit strahlkräftigste und wichtigste Tanzmacherin Deutschlands ihr Werkzeug. Der Autor befürchtet: So endet eine über zwei Jahrzehnte aufgebaute, außergewöhnliche, kontinuierliche Entwicklung. Den Lorbeer, den sie fern der Heimat erntet, dankt ihr in Berlin offenbar niemand. Im zwanzigsten Jahr ihres Bestehens ist die Tanzkompanie Geschichte geworden. Was übrig bleibt, ist ein Personalbüro.
In der BERLINER ZEITUNG formuliert Michaela Schlagenwerth ihr Mitgefühl: Es ist eine absurde Situation: Auf dem Höhepunkt ihres künstlerischen Erfolgs muss Waltz sich wegen Geldnot von ihren Tänzern trennen. Die Autorin vermutet: Einigen SPD-Abgeordneten war es wichtiger bei der Diskussion um den Kulturhaushalt Ärger mit der Klientel ihres eigenen Bezirkes zu vermeiden. So kam die nicht nachvollziehbare Entscheidung zustande, schreibt die B.Z., dass ein Teil des zur Verfügung stehende Geldes, das an Waltz hätte fließen müssen, anders verteilt wurde. Die Zeitung schiebt den schwarzen Peter dem Regierenden Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit zu, der sich, so deutlich wird das formuliert, für die Choreografin schlicht nicht einsetzen wollte.
Die Tageszeitung TAZ nimmt die Trauerfeier für Nelson Mandela zum Anlass, darüber nachzudenken, dass Politiker am Rande von Trauerfeiern keine Zeit mehr füreinander haben. Bettina Gaus erinnert an frühere Begräbnisse und wichtige informelle Gespräche in deren Umfeld, ohne den mit offiziellen Treffen verbundenen Erwartungsdruck. Sie schildert, wie sich Bundeskanzler Helmut Kohl und der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker zum ersten Mal am Vorabend der Beisetzung des sowjetischen Staatsoberhauptes Juri Andropow im Februar 1984 persönlich begegneten. Richtig unkonventionell sei es zugegangen, soll Kohl laut Spiegel hinterher geschwärmt haben.
Die Zeiten sind vorbei, hält die Autorin fest und vermutet: Vom Staatsakt für Nelson Mandela wird der Händedruck zwischen US-Präsident Obama und dem kubanischen Präsidenten Raúl Castro im Gedächtnis bleiben. Eine wichtige symbolische Geste, aber eben auch nicht mehr. Kein Gespräch. Die Zeit ist schnelllebiger geworden, kein Zweifel. Aber es läge auch an einem veränderten Klima seit dem Ende der bipolaren Welt, meint Bettina Gaus: Früher wurden freundliche Signale weltweit erleichtert begrüßt. Inzwischen ist vielerorts die Furcht größer, dass Versöhnungsbereitschaft als Schwäche gilt und zu innenpolitischen Problemen führt.
BERLINER ZEITUNG und SÜDDEUTSCHE ZEITUNG gratulieren einer Magierin der Sprache. Die Schauspielerin Inge Keller wird am 15. Dezember 90 Jahre alt. Seit einem halben Jahrhundert die Grande Dame des Deutschen Theaters und dereinst eine der gefeiertsten Film- und Bühnenstars der DDR, hat sie als Charakterdarstellerin von höchstem Form- und Sprachbewusstsein deutsche Theatergeschichte mitgeschrieben, schreibt Christine Dössel in der S.Z., und weiter: Strenge, Disziplin, Haltung, Bauch rein, Brust raus, dazu ein außerordentliches Arbeitsethos und Pflichtbewusstsein, das machte seit jeher die Grundpositur dieser nachgerade aristokratisch daherkommenden Schauspielerin aus. Ihre Haltung zu ihrem Beruf drückt die Keller so aus. Für einen Schauspieler ist die Sprache eine Droge, sie überkommt einen, und man kann sich nicht wehren gegen sie.