Zwischen #MeToo und Humboldtforum
Die kulturpolitischen Debatten hierzulande wurden in diesem Jahr teilweise sehr heftig geführt. Der Journalist und Kunstwissenschaftler Nikolaus Bernau wirft einen Blick zurück auf #MeToo, das Humboldtforum und die Debatte um koloniale Raubkunst.
Die #MeToo-Debatte habe sich in der deutschen Kulturpolitik kaum niedergeschlagen, sagt Nikolaus Bernau. Als Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen den Regisseur Dieter Wedel laut geworden seien, habe es zuerst geheißen: "Jetzt haben wir unseren Harvey Weinstein. Und dann war ganz schnell Schluss mit der Debatte." Das habe etwa zwei Monate gedauert, es habe Selbstanklagen und Beschuldigungen gegeben, aber im Großen und Ganzen habe die Debatte aufgehört.
#MeToo, Donald Trump und das Bildungsbürgertum
"Die Debatte wurde in Deutschland von extrem frauenfeindlichen Argumenten getragen.", sagt Bernau. "In den Leserbriefen gab es Argumente wie: 'Dann sollen die sich doch Hosen anziehen' oder 'Das sind doch nur dumme Jungen-Streiche gewesen'. Diese Argumente machten dann klar: Diese ganze #MeToo-Debatte hat etwas zu tun mit Donald Trumps Wahlsieg, mit dem Putsch gegen Dilma Rousseff in Brasilien, mit diesen Rufen: 'Merkel muss weg'. Da geht es immer um die 'Frauen-Frage'."
Die Debatte habe möglicherweise in Deutschland nicht so richtig Fuß fassen können, weil sie sich immer in einem Rahmen bewegt habe, der vom Bildungsbürgertum sowieso als "Skandal" begriffen werde. "Das sind Schauspieler, Politiker, auch Leute in den Medien, das 'lockere Volk'. Was auffiel: Es gab keinerlei Anklagen gegen Museumsdirektoren, gegen Architekten, gegen Bibliotheksleute, gegen Menschen in der Verwaltung. In diesen Bereichen üben Menschen genau wie beim Theater oder Film direkte Macht gegen andere Menschen aus, die abhängig von ihnen sind. Darüber wurde überhaupt nicht debattiert."
Grütters hat für Veränderungen gesorgt
Die Debatte werde wohl aber dennoch weitergeführt werden, sagt Bernau. Man könne nämlich jetzt schon sehen, was es für Auswirkungen habe, wenn Frauen an entscheidender Stelle säßen. "Wenn man sich die Berufungspolitik in den großen deutschen Kulturinstitutionen anschaut, seitdem Monika Grütters Kulturstaatsministerin ist: Da gibt es einfach unglaublich viele Frauen, die nach oben kommen." Auch das Humboldtforum in Berlin, das lange eine sehr männlich dominierte Institution war, sei in gutes Beispiel.
Humboldtforum-Gründungsintendanten gescheitert
Für das Humboldtforum an sich sei die Berufung von Hartmut Dorgerloh zum Generalintendanten ganz zentral gewesen, so Bernau. "Das habe eines klar gemacht: Die Gründungsintendanten Parzinger, MacGregor und Bredekamp sind eklatant gescheitert. Die haben dem ganzen Institut niemals eine Idee gegeben, eine Aufgabe. Das ist jetzt die Aufgabe von Dorgerloh. Dafür hat er jetzt anderthalb Jahre Zeit und das ist sehr kurz. Darüber hinaus muss er jetzt ein Chaos von Institutions-Interessen und -Konflikten aufarbeiten."
Bei der Debatte um koloniale Kunst, die im Rahmen der Debatte um das Humboldforum auch immer geführt wurde, sei ihm aufgefallen, dass in der hiesigen Debatte vernachlässigt werde, dass der allergrößte Teil der Objekte schlichtweg gekauft wurde. "Auf dem afrikanischen Markt, auf den Märkten in pazifischen Regionen. Es gab einen blühenden Produktionsmarkt für europäische Interessen." Dennoch müssten die Herkunftsgesellschaften viel mehr in die neuen Planungen der Museen in Europa integriert werden. "Man merkt ja an den Inszenierungen, ob über die Leute geredet wird oder sie über sich selbst reden können."
(rj)