KulturSchock

Satire für Europa - oder soll man es lassen?

33:05 Minuten
Journalist, Satiriker und Mitglied des Europäischen Parlaments, Martin Sonneborn, macht eine Siegerpose mit den Händen, dabei leuchten die Sterne der EU-Flagge über seinem Kopf
Fünf Jahre im EU-Parlament: Noch wurde keiner der Himmelsköper im Hintergrund nach Martin Sonneborn benannt. © picture-alliance/dpa/EPA/Patrick Seeger
Von Caro Korneli, Diana Marossek, Wolfgang M. Schmitt, Knauer und Zantofff |
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Am 26. Mai werden nicht die "Euro Millions" verlost, sondern das EU-Parlament. Als Gewinn winkt Martin Sonneborn. Wir fragen nach. Auch bei der Klima-APO: Wollt ihr es so schlimm wie 1989 mit Treuhand und Massenarbeitslosigkeit? Und wie klingt Effi Briest ohne Gender Pay Gap? Reinhören!
Bei der EU-Wahl steuert "Die Partei" hart auf zwei Prozent der Stimmen zu. Das wäre eine Verdreifachung. Aber in der Elefantenrunde dürfte der Vorsitzender trotzdem fehlen. Das sei erniedrigend, so Martin Sonneborn gegenüber dem KulturSchock, das Satireformat von Deutschlandfunk Kultur. "Demütigend ist auch, dass wir immer noch ungefähr zwölf Prozent hinter der SPD liegen", aber beide Seiten würden an einer Annäherung arbeiten.
Unterstützung in Brüssel und Straßburg erhält der ehemalige Titanic-Chefredakteur nach der Wahl wohl von Satiriker Nico Semsrott. Der solle dann die ganze Arbeit machen.

2019 wie 1989 - "Macht nicht den Fehler wie wir damals!"

Deutschland erlebt schon wieder eine Revolution: Wie vor 30 Jahren strömen jede Woche Tausende auf die Straßen. Zugegeben, früher waren es die Montage und es gab Breuler, aber sonst sieht Caro Korneli viele Gemeinsamkeiten und will die Schüler stoppen. Sie erklärt den Minderjährigen wie schlimm es nach 1989 wurde: Treuhand, Massenarbeitslosigkeit und Björn Höcke.
Schülerprotest "Fridays for Future" mit gelbem Plakat.
"Ohne Klima ist alles Käse".© dpa / Roland Weihrauch (Montage: Deutschlandradio)
Mit der geforderten Klimarevolution könnte es noch schlimmer kommen: SUV, Billigflieger und Traumschiff, alles weg, nur, damit die Landschaften wieder blühen. Ist es das wert oder sollten wir nicht lieber auf die Profis von Christian Lindner hören, die oft schon die zehnte Klasse hinter sich haben?

70 Jahre Grundgesetz: Jetzt auch in Kurzdeutsch

Es war lange eine Tradition in Deutschland: Abends lasen die Eltern ihren Kindern aus dem Grundgesetz vor und spätestens bei dem Kapitel mit der Enteignung für das Gemeinwohl waren alle eingeschlafen. Nun feiert das Grundgesetz seinen 70. Geburtstag und die Kids fragen sich: Gibts das auch auf TikTok? Nein! Aber ab jetzt auf Kurzdeutsch!
Ein Kind liest in einem Mini-Grundgesetz. 
Kurzdeutsch ist etwas für alle. © imago stock & people
Soziolinguistin Diana Marossek hat für den KulturSchock erstmals weltweit das Grundgesetzes ins Kurzdeutsche übersetzt. Diese Sprache der urbanen U40-Generation reduziert sich auf das Wesentliche. Wer kurzdeutscht, hat mehr Zeit für YouTube und Yoga. Auch nachzulesen in: "Kommst du Bahnhof oder hast du Auto?" – bei Hanser Berlin erschienen.

Alexa belauscht Ameisen: Irgendwas mit Bombe

Die KI von Amazons Abhördings "Alexa" kann inzwischen auch Insekten belauschen und übersetzen. Die Mitschnitte beweisen: Die Ameisen planen etwas!
Der Amazon Echo Dot ist ein Lautsprecher, der auf den Namen "Alexa" hört und als Sprach-Schnittstelle zu Amazon-Produkten fungiert.
Kinderarbeit in Deutschland: Laut Alexa müssen die Kinder 40 Stunden pro Woche zuhören.© dpa / picture-alliance
Bevor die Menschen alls zubetonieren würden, "sollten wir die Bombe hochgehen lassen", so eine Ameise und ergänzte, sie seien als Bio-Erdlinge schon viel länger da und überhaupt könnten sie als Mehrheit auch bestimmen.
Dann verflacht das Gespräch in Stammtisch-Parolen über Menschen: "Was ist der Unterschied zwischen einem kleinen Menschen und einer Raupe? Aus der Raupe wird mal was Nützliches", lacht eine Ameise und will noch einen drauf setzen: "Fragt ein Tausendfüßler einen Menschen: Warum hast Du denn nur zwei Beine? Kannste nicht bis drei zählen?"
Als erste Reaktion twitterte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer: "Witze über Minderheiten gehen garnicht. Holt den Kammerjäger!"

Effi Briest ohne Gender Pay Gap

Vor 200 Jahren feierte Theodor Fontane seine Geburt. Da wir damals nicht dabei waren, holen wir das Anstoßen heute nach mit dem Literaturwissenschaftler Wolfgang M. Schmitt. Sonst auf YouTube bei "Die Filmanalyse" zu sehen, liest er hier exklusiv den Blockbuster "Effi Briest ohne Gender Pay Gap":
"In Front des von Familie Briest bewohnten Herrenhauses zu Hohen-Cremmen saß Effi auf einer Schaukel und wartete auf ihren zukünftigen Ehemann Geert von Innstetten. Effi war sich wohl bewusst, dass es etwas albern anmuten könnte, mit 17 Jahren noch zu schaukeln, doch gleichzeitig wusste sie, dass es in Adelskreisen selbst im 21. Jahrhundert noch immer keck wirkte, sich als Tochter der Luft in Szene zu setzen.
Zumal die Kindfrau als pornografische Phantasie in den vergangenen Jahren eine beachtliche Renaissance erfahren hatte. Nicht zuletzt mag dies auch Innstetten gereizt haben, als er vor einigen Monaten auf Effis Instagram-Profil mit diversen, recht koketten Schaukelbildern aufmerksam wurde und sie kurzerhand anschrieb.
Pling. Eine WhatsApp erschien. ´Effi, komm`, schrieb Effis Freundin Hertha, die wenig Verständnis für eine Ehe mit einem mehr als doppelt so alten Mann hatte, und das auch in beharrlicher Regelmäßigkeit in ihrem lila Podcast betonte. Aber da fuhr schon Innstetten mit seinem SUV am Rondell vor, um mit seiner Verlobten nach Kessin aufzubrechen. In dem Ort in Hinterpommern leitete Innstetten das stattliche, zu einem internationalen und wohlbekannten Konzern gehörende Versandzentrum, dessen Personalabteilung alsbald Effi übernehmen würde.
Zwar war sie noch jung an Jahren, hatte aber schon eine Reihe erklecklicher Auslandsaufenthalte absolviert. Es fehlte nur noch das berufsbegleitende B.A.-Studium und die Zukunft schien gesichert, wenn auch zunächst unter Innstettens Aufsicht, was Effi aber bald beklommen machen sollte. So gingen die Jahre dahin, eine Tochter wurde geboren und auf den Namen Annie getauft, weil dieser auf den alljährlichen Listen mit den beliebtesten Vornamen bislang noch nicht getrendet war, er also von einer gewissen Originalität zeugte.
Jedoch ein innerliches Unbehagen über die frühe Ehe mit dem erfolgreichen, aber furchtbar pedantischen Innstetten trübte Effis Stimmung. Kein Frühstück verging, bei dem nicht Innstetten, ein selbst zusammengestelltes Müsli löffelnd, die ungeheure Disziplin und Akkuratesse der Chinesen lobte, an denen sich ein jeder, vor allem aber Effi, ein Vorbild nehmen sollte. Effi schnürte es allmorgendlich den Hals zu. Nur der Hund Rollo und der Apotheker Gieshübler, ein überaus herziger Nerd, wussten Effi aufzuheitern.
Obgleich beruflich arg beansprucht, überzog eine beinahe erstickende Langeweile den Kessiner Alltag. Bis Effi eines Tages Bekanntschaft mit Major von Crampas machte. Innstettens ehemaliger Kamerad aus der gemeinsamen Wehrdienstzeit im Fliegerhorst Wunstorf war ihr bisher nur aus präpotenten Heldengeschichten ihres Mannes bekannt. Gleich war Effi von Crampas Virilität, die leicht mit toxischer Männlichkeit verwechselt werden konnte, angetan. Man verbrachte viel Zeit miteinander, in der digitalen und der analogen Welt.
Und als Innstetten einmal mehr auf Geschäftsreise in China weilte, um die neusten KI-Techniken für den deutschen Postversand zu kopieren, kam es zu einer folgenreichen Ausfahrt. Crampas Tesla flog mit Effi durch Hinterpommern als ein plötzlicher Wintereinbruch die Landpartie abrupt stoppte. Sie blieben im Schnee stecken. Die Akkus gaben auf. Und Crampas überdeckte Effi mit heißen Küssen – wie man wohl im 19. Jahrhundert gesagt hätte. Eine Weile später: Effi hatte vergessen, ihren Laptop herunterzufahren, sodass Innstetten zufällig den E-Mail-Verkehr der beiden entdeckte.
Die Tragödie aber, aus der weiland Jahrhundertromane entstanden waren, blieb selbstredend und zum Glück aller Beteiligten aus; statt ein Duell zu fordern, ja, auch nur daran zu denken, blockte Innstetten Crampas bloß bei Facebook und Twitter.
Effi reichte zügig die Scheidung ein, bewarb sich mit Erfolg als stellvertretende CEO bei einem aufstrebenden Berliner Start-Up, das nicht nur dem Gender-Pay-Gap medienwirksam den Kampf angesagt hatte, sondern zudem über eine hauseigene Kita für die kleine Annie verfügte. Warum das nun aber mit dem unwiderstehlichen Crampas am Ende dennoch nichts wurde? Ach, das ist ein zu weites Feld."
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