Kein schmutziges Geld mehr für die Kunst
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Lange wurde in England nicht so genau gefragt, wo das Geld für Kultursponsoring herkam. Seit die Tate Britain keine Spenden mehr von der Familie Sackler annimmt, weil die durch umstrittene Schmerzmittel reich wurde, ändert sich das langsam.
Ein Frühlingstag in Kensington: Touristen flanieren dem Hintereingang des Victoria & Albert Museum entgegen, wo gerade eine mit Markenlogo beworbene Ausstellung über den Designer Christian Dior stattfindet. Der in futuristischer Ästhetik gestaltete Vorplatz, den sie dabei queren, ist der sogenannte Sackler Courtyard, 2017 feierlich eingeweiht von der Herzogin von Cambridge. Niemand scheint den auf einer spiegelnden Plakette verewigten Namen der Sackler Foundation zu bemerken, die diesen Ort finanziert hat.
Ihm sei das egal, sagt einer der Touristen, er möge ohnehin kein modernes Design. Nur ein einziger Passant hat von der in Amerika brodelnden Kontroverse rund um die Familie Sackler und ihre Rolle im Kultursponsoring gehört. Wie er dazu stehe? Eine komplizierte Frage, die er nicht beantworten kann.
Eine Frau, die sich selbst als Künstlerin bezeichnet, stößt sich wiederum weniger am Namen Sackler als am Prinzip des Kunstsponsoring durch Konzerne an sich: "Es macht mich zornig. Statt sich bei der Finanzierung von Kunst auf solche Leute zu verlassen, sollte man eine Kultursteuer bezahlen, um damit all unsere Leben zu bereichern" meint sie.
Öffentliche Quellen mussten durch private ersetzt werden
Tatsächlich wird die öffentliche Kunstförderung in Großbritannien schon seit den Neunzigern aus den Profiten der nationalen Lotterie finanziert. Nach der Finanzkrise wurde dem für die Verteilung dieser Mittel zuständigen Arts Council England das Budget radikal um 30 Prozent gekürzt. Da wuchs selbst für große Museen und Galerien wie die Londoner Tate Modern der Druck, sich an private Quellen wie die Sacklers zu wenden. Als letzte Woche dort eine Ausstellung der Fotografin Nan Goldin anlief, kam die Galerie dem zu erwartenden Protest der Künstlerin zuvor und kündigte der Sackler Foundation öffentlichkeitswirksam die Zusammenarbeit auf.
Die Direktorin der Tate, Maria Balshaw, fand in einem Fernsehinterview Mut zu Grundsätzlichem: "Kunstsammlungen wurden ursprünglich von Königen, Königinnen, Prinzen und dann reichen Sammlern gegründet, erst später für die Öffentlichkeit oder durch öffentliche Gelder, Kunst ist also immer politisch, denn sie operiert in einem kulturpolitischen Kontext."
"Geld stinkt nicht" gilt nicht mehr
Ein erfrischendes Bekenntnis in einem Land, dessen Kunstbetrieb bis vor kurzem noch den Pragmatismus zum höchsten aller Prinzipien erhob. Der alte Konsens, dass schmutziges Geld nicht abfärbt, solange es gute Kunst ermöglicht, scheint zu fallen - nicht zuletzt dank einer neuen Generation von Aktivistinnen und Aktivisten, die ihn immer lautstärker in Frage stellen.
Die Protest-Gruppe "BP or not BP?" hält schon seit 2012 sogenannte Performances in vom Ölkonzern BP gesponserten Institutionen wie der Royal Shakespeare Company, dem Design Museum oder dem British Museum ab. Danny Chivers ist Mitglied der Gruppe. Er sagt, dass BP durch selektives Sponsoring mitbestimmt, welche Sonderausstellungen die großen Schlager im Programm des British Museum werden.
"Das zeigt ganz klar, dass Konzerne durch den Gebrauch von Kunst für ihre eigenen Zwecke die Unabhängigkeit der Institutionen und der Kunst beschädigen. Zum Glück gibt es nun eine Gegenbewegung dazu, damit wir nicht zu jenen düsteren Zeiten zurückkehren, als man Kunst nur machen konnte, wenn jemand Schrecklicher sie finanzierte", sagt Chivers.
Glaubhaftigkeit ist das wertvollste Kapital
In Zeiten wachsender Proteste zur Bekämpfung des Klimawandels werden Stimmen wie die von "BP or not BP?" ganz sicher nicht so bald verstummen, und bloß eine dicke Haut alleine wird Institutionen wie dem British Museum dagegen auf Dauer nicht reichen. Denn gerade in Kunst und Kultur sind die Glaubhaftigkeit und deren öffentliche Wahrnehmung letztlich das wertvollste Kapital.