Finanzierung bei patriotischer Grundhaltung
04:59 Minuten
Das Vermögen der Oligarchen spielt im Kultursponsoring in Russland eine große Rolle. Ob die Gelder auf legalem Wege erwirtschaftet wurden, ist dabei nicht so wichtig. Hauptsache, es wird keine Kritik am herrschenden System und Vladimir Putin geübt.
In Nikolaj Rimskij-Korsakows Oper "Die Zarenbraut" verwickeln sich der russische Herrscher, seine Geheimdienstler und deren Geliebte in große Tragik, aufgeführt auf der wohl bekanntesten Bühne Russlands, dem Bolschoi-Theater in Moskau. Dessen Orchester und Tanzensemble zählen zum Besten, was das Land zu bieten hat. Karten können mehrere hundert Euro kosten.
Das Bolschoi-Theater finanziert sich nach Angaben seines Direktors zu gut zwei Dritteln durch staatliche Förderung und benötigt für den Rest neben Kartenverkäufen vor allem Sponsoren. Die Bank Credit Suisse zählt zu ihnen, auch BMW, und russische Unterstützer wie der Milliardär Roman Abramowitsch, der im Rohstoffgeschäft reich geworden ist.
Gelder der Milliardäre ermöglichen Kultur
Roman Abramowitsch spendete auch eine große Summe, um den am Fluss Moskwa gelegenen Gorki Park vor rund zehn Jahren zu einem modernen, populären Areal umzugestalten. Seine dritte Frau, Darja Schukowa, von der er inzwischen geschieden ist, eröffnete dort vor vier Jahren den Umbau des Garage-Museums für zeitgenössische Kunst.
"Die Leute haben moderne Kunst zuerst skeptischer wahrgenommen als heute; ihr Interesse bleibt stabil", erzählt Schukowa dem Staatsfernsehen in einem Interview. "Unsere junge Generation ist gebildet. Sie kennt sich in der modernen Kunst aus."
Keine Förderung für Putin-Kritiker
Es ist ein post-sowjetisches Schema: Geld von Oligarchen schmückt Städte, allerdings vor allem Moskau und Sankt Petersburg. Dabei kommt zumeist klassische Hochkultur heraus, die wie im Bolschoi-Theater nur selten provoziert. Kleine Fenster, in denen etwas frischerer Wind weht, werden gestattet, wenn sie eine Regel einhalten: Die Oligarchen dürfen das herrschende System um Wladimir Putin nicht in Frage stellen. Wer, wie der Milliardär Alischer Usmanow, Kunst auf dem Weltmarkt aufkauft und sie dann staatlichen Museen schenkt, darf weiter von diesem System profitieren:
"Es bleibt sehr viel Zeit für echte und ernst gemeinte Philanthropie. Ich verbringe viel Zeit mit Künstlern."
Dunkle Quellen des Sponsoring
Dabei ist bekannt, dass praktisch alle Oligarchen ihren immensen Reichtum nicht immer nur auf legalem Wege angehäuft haben. Doch eine Debatte darüber, ob Sponsoring aus diesen dunklen Quellen moralisch legitim ist, findet nicht statt.Diskutiert wird aber durchaus, welchen Nutzen oder Schaden staatliche Förderung haben kann. Viele Künstler wissen um den Horizont, den etwa Kulturminister Wladimir Medinskij pflegt. Wer nicht auf dessen Linie einschwenkt, nach der Kultur dem Staat in patriotischer Grundhaltung zu dienen hat, wird nicht gefördert. Das bekannte Filmfestival "Artdocfest" hat so seine gesamte staatliche Finanzierung verloren.
Prominenz schützt nicht vor Konsequenzen
Der Regisseur Konstantin Raikin, der selbst ein staatlich finanziertes Theater führt, nahm sich vor zwei Jahren die Freiheit, die Atmosphäre im Land harsch zu kritisieren:
"Diese Angriffe auf die Kunst und unter anderem auf Theater: diese total gesetzeswidrigen, extremistischen, frechen, aggressiven Angriffe, die sich hinter Worten über Moral verstecken und Begriffen wie Patriotismus, Heimat und Sittlichkeit."
Konstantin Raikin ist für seinen Standpunkt nicht belangt worden. Dass Prominenz aber nicht jeden Künstler vor Konsequenzen schützt, zeigt das Verfahren gegen Kirill Serebrennikow, auch er ein Theaterregisseur. Er hatte eine staatliche Förderung angenommen. Jahre später, als es dem Staatsapparat passte, gab es Durchsuchungen, saß er anderthalb Jahre unter Hausarrest, das Urteil steht noch aus.
Crowdfunding für die Unabhängigkeit
Das Signal an die Kulturszene ist klar: Sie kann sich auf den russischen Staat nicht verlassen. Das Herrschaftssystem hat an ihrer Arbeit so gut wie kein Interesse. Deshalb machen etliche Künstler um staatliche Förderung einen weiten Bogen, wie etwa Garri Bardin, der mit einem Youtube-Video für sein Crowdfunding-Projekt wirbt – ein neuer Trickfilm.
"Weil Filme zu drehen, das ist mein Leben. In diesem Sinne: Verlängern Sie mein Leben. Ich danke Ihnen vorab. Garri Bardin."
Auf Plattformen wie planeta.ru suchen tausende Projekte nach Spendern, viele durchaus erfolgreich. Aber es ist ein ständiger Kampf um jeden Rubel.