Kulturszene in der Ukraine

Angriff der Engstirnigen

04:59 Minuten
Das alternative Kulturzentrum "Tschju" in Mariupol, Ukraine
Das alternative Kulturzentrum "Tschju" in Mariupol, Ukraine, wurde schon öfters Ziel von Angriffen. © Deutschlandradio - Sabine Adler
Von Sabine Adler |
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In der Ukraine blüht die alternative Szene. Überall entstehen Galerien, kleine Theater und Kunstzentren. Doch zugleich häufen sich die gewaltsamen Übergriffe auf Andersdenkende, Minderheiten und auch auf die Kunst.
Mariupol ist Frontstadt. Das bekommen in der Ukraine vor allem junge Kreative zu spüren, die sich nicht so einfach in das Freund-Feind-Schema einsortieren lassen wollen. Diana Berg zum Beispiel, die Chefin des Alternativen Kulturzentrums "Tju", das mehrfach überfallen wurde.
Die Ukrainerin war aus Donezk geflohen, als dort die Separatisten die Herrschaft übernommen hatten und der Widerstand gegen sie lebensgefährlich wurde. Denn sie stand auf der Schwarzen Liste. Dass die 39-jährige Designerin aber in Hafenstadt am Asowschen Meer sofort wieder zur Zielscheibe werden sollte, hatte sie nicht erwartet.
Als sie sich am Tag der "Kiew Pride Parade" in eine Regenbogenfahne wickelte und aus Solidarität durch das Stadtzentrum von Mariupol lief, wurde sie angepöbelt und beschimpft.

Überfall auf Buchpräsentation

"Es geht nicht nur um die Überfälle auf die Kiew Pride Parade, auf Homosexuelle, sondern zum Beispiel um eine Attacke auf eine Vorlesung über Gender-Forschung. Veranstaltungen zu Gleichstellungsfragen wurden in Saporischje und Lemberg angegriffen, es gab Verletzte", sagt Berg. Selbst eine Buch-Präsentation sei attackiert worden.
"Es ging um das Kinderbuch von Larissa Denisenko 'Maja und ihre Mütter', das zeigt, wie unterschiedlich Familien sein können."
 Diana Berg, Leiterin des Alternativen Kulturzentrums "Tschju" Mariupol, Ukraine
Diana Berg, Leiterin des Alternativen Kulturzentrums "Tschju" Mariupol, Ukraine © Deutschlandradio - Sabine Adler
Im Alternativen Kulturzentrum bewahren sie das Kinderbuch in einem zum Bücherregal umfunktionierten Kühlschrank auf. Die ukrainischen Erfolgsautorin thematisiert unterschiedliche Arten von Elternschaft und wurde schon zur Buchmesse 2017 in Lemberg nicht zugelassen, weil die Veranstalter gewaltsame Ausschreitungen fürchteten, wie es sie auch an anderen Orten gab.
Erzählt werden Geschichten von 17 Kindern, eines wurde durch künstliche Befruchtung gezeugt, andere haben ausländische, geschiedene oder eben lesbische Eltern. Ein Appell zur Toleranz.

Minderheiten unter Druck

Der Krieg in der Ostukraine und parallel dazu die Annäherung an die Europäische Union zerreißen das Land. Der griechischen Minderheit, die rund 95.000 Personen umfasst, wird mit mehr Ressentiments begegnet, weil sie von vielen Ukrainern pauschal als Moskaufreundlich angesehen wird, sagt Afina Chadschinowa, die als Oppositionelle selbst der griechischen Minderheit angehört.
"Man hat uns lange erklärt, dass Katharina die Zweite uns Griechen vor den Tataren gerettet hat durch die Ansiedlung hier am Asowschen Meer", sagt sie. Viele Griechen seien aus der Ukraine nach Zypern und Griechenland umgesiedelt und nähmen dort klare prorussische Positionen ein.
"Aber hier in der Ukraine ist die griechische Minderheit nicht mehr oder weniger Russland freundlich als die Ukrainer. Zu sagen, dass wir Griechen hier in der Ukraine besonders Russland freundlich sind, wäre ungerecht."

Attacke auf Punkmusiker

Es sind die Minderheiten, die es derzeit schwer haben in der Ukraine. Sogar wenn es um Musik geht. Elektropop von MC Brehunets, was auf Deutsch Lügner heißt, ist unstrittig, die Punkband oDemontaGo dagegen sorgte für Ausraster.
"Eine ganz junge Punk-Band, die ihr allererstes Konzert geben wollte, wurde hier bei uns angegriffen. Vermutlich wurden sie wegen ihrer Texte, in dem es auch um Antidiskriminierung geht, attackiert", sagt Berg.
Kritik wird es auch an dem geplanten Workshop für alternative Bildung geben, bei dem das Zentrum auf die Möglichkeiten der Inklusion von Behinderten hinweisen will. Auch das ist in Mariupol noch ein recht unbekannter Ansatz und Teil des Kampfes um Werte. Die Gegner in dieser Auseinandersetzung arbeiten sich unter anderem an der Fassade des alternativen Kulturzentrums ab.

Kreativ gegen Schmiereien

Nationalistische Hass-Aufrufe, Hakenkreuze in hellblauer Farbe heben sich an dem teerschwarzen Grund der Wand deutlich ab. Die alternativen Künstler halten mit ihren Botschaften dagegen. Dazu Berg: "Eine Künstlerin aus Charkiw, Olga Fjodorowna, hat auf die Schmierereien unsere Botschaften gesetzt und so unsere Hausfassade in ein Kunstwerk verwandelt."
Die Aktivisten haben das Gebäude gemietet, sie bekommen kein Geld vom Staat, das macht sie unabhängig aber mitunter eben auch verwundbarer.
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