In unserer Mittagssendung "Studio 9" äußerte sich die Journalistin Ursula Weidenfeld zu dem neuen Klimabericht, der einen dramatischen Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 von 3,3 bis 5,4 Grad voraussagt. Ihrer Ansicht nach ist es richtig, solch ein Krisenszenario zu entwerfen, damit die Lage ernst genommen wird und "etwas passiert" – auf der anderen Seite könne man nicht 30 Jahre lang "Apokalypse" rufen, denn der Klimawandel ereigne sich schleichend und jeder, der dagegen angehen will, könne sich immer einbilden, er habe noch sehr viel Zeit.
"Eine Katastrophe ohne großen Knall"
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Der Klimawandel ist nicht zu leugnen, eine neue Prognose zeichnet ein düsteres Bild. Kulturwissenschaftlerin Eva Horn glaubt, trotz der hervorragenden Arbeit von Forschern überstiegen die Veränderungen unsere Vorstellungskraft - und das habe Folgen.
Das globale Klima ist auf einem schlechten Weg, das ist nicht neu. Wenn man sich aber vor Augen führt, dass die Treibhausgas-Emissionen weltweit noch nie gesunken sind, muss man es wohl immer wieder neu thematisieren.
Wissenschaftler der University of California haben nun darauf aufmerksam gemacht, dass die Emissionen derzeit entlang einer Kurve verlaufen, die vor 15 Jahren noch als "Worst-Case-Szenario" galt, also als schlimmster anzunehmender Verlauf.
Menschliche Vorstellungskraft reicht nicht
"Die Klimakrise ist ein sehr seltsamer Typ von Katastrophe", sagt die Wiener Kultur- und Literaturwissenschaftlerin Eva Horn, "nämlich eine ohne großen Knall".
Es gebe eine langsame Verschiebung von Parametern, aber die Dinge änderten sich trotzdem sehr tiefgreifend. Trotz der hervorragenden Arbeit der Klimaforscher könnten wir uns die Veränderungen nicht richtig vorstellen.
Eva Horn, Autorin des 2014 erschienenen Buches "Zukunft als Katastrophe", bemerkt einen Widerspruch zwischen Bücherwelt und Realität: "In der Fiktion und auch im Sachbuch beschäftigen wir uns ganz intensiv mit großen Katastrophen, aber in der Praxis machen wir eigentlich fast nichts. Auf der Liste der politischen Prioritäten stehen Umweltschutz und Artenschutz ganz hinten, denn wir halten die Katastrophen nicht für real."
Reale Katastrophen sind unübersichtlich
Dystopische Romane und Filme könnten wir in gewisser Weise genießen, sie befriedigen nach Horns Einschätzung vor allem unser Bedürfnis, "es immer schon vorher gewusst zu haben, der Schlauberger zu sein".
Reale Katastrophen seien aber anders als die in der Fiktion total unübersichtlich: "Wir stehen vor einer Dunkelheit des Ablaufs", das sei auch zu Anfang der Corona-Pandemie so gewesen. In fiktionalen Katastrophen habe man hingegen "immer den Überblick".
(cre)