Kundgebung in Köln

Eine Lanze für die Demonstrationsfreiheit

Blick auf die noch leere Bühne der Pro-Erdogan-Kundgebung.
Die Bühne der Pro-Erdogan-Kundgebung in Köln. © Deutschlandradio / Moritz Küpper
Von Moritz Küpper |
Die Unterstützung für Erdogan kann, sie muss aber nicht unbedingt, eine Unterstützung der Demokratie sein, kommentiert NRW-Landeskorrespondent Moritz Küpper nach der Kundgebung in Köln. Heute aber sei als wichtigste Botschaft des Tages deutlich geworden, welch hohes Gut die Demonstrationsfreiheit in Deutschland habe - auch wenn das mitunter ein anstrengendes Gut sei.
Es ist so eine Sache mit den Botschaften: Wir sind hier, um für die Demokratie einzutreten, das sagte beispielsweise der türkische Sport- und Jugendminister Akif Kilic, der in Deutschland geboren wurde. Wir sind hier, um unsere Solidarität mit der Türkei zu zeigen, sagten viele der Teilnehmer im persönlichen Gespräch. "Ja zur Demokratie. Nein zum Staatsstreich", so lautete auch der Titel der Veranstaltung, die von zahlreichen, zumeist türkisch-stämmigen Organisationen angemeldet worden war – und zu der eben viele Menschen gekommen waren. Nicht nur aus Köln und Nordrhein-Westfalen, sondern auch aus dem benachbarten Ausland. Rund 40.000 sollen es letztendlich geworden sein – eine imposante Zahl, die man in der Türkei sicherlich gerne registriert hat. Das ist eine Botschaft.
In Deutschland und in der Berichterstattung hierzulande lief die Kundgebung dagegen eher unter einer Pro-Erdogan-Demonstration – was letztendlich wohl auch nicht ganz falsch sein dürfte: Denn ein Großteil der Teilnehmer unterstützte eben nicht nur die Demokratie, sondern auch den türkischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan. Er sei doch ein großer Demokrat.
Natürlich, Erdogan wurde einst demokratisch gewählt, doch angesichts der jüngsten Nachrichten aus der Türkei, die von Entlassungen, Suspendierungen, Inhaftierungen und Verfassungsänderungen handeln, sollte man dies nicht unbedingt, also zwangsläufig gleichsetzen.
Die Unterstützung für Erdogan kann, sie muss aber nicht unbedingt, eine Unterstützung der Demokratie sein.
Darin liegt ein Unterschied: Dies allerdings zu differenzieren, bleibt wichtig. Für die Demonstrations-Teilnehmer, für die Berichterstattung über diese Kundgebung – aber auch und gerade für die oppositionellen Kräfte in der Türkei.
Pro Demokratie oder Pro Erdogan – das kann ein Unterschied sein. Und es ist dieser Unterschied, der heute deutlich wurde. Denn während ein Großteil der türkischstämmigen Menge sich hierzulande missverstanden fühlt, Solidarität vermisste, gab es auf der anderen Seite, auf der deutschen Seite, die große Diskussion darüber, ob eine unterstützende Kundgebung für ein ausländisches Staatsüberhaupt überhaupt hätte stattfinden dürfen – inklusive Gegenveranstaltungen.

Das Recht auf Meinungsfreiheit ist teuer

Doch darin liegt die wahre Botschaft, die von diesem Sonntag ausgeht: Er zeigt, welch hohes Gut, die Demonstrationsfreiheit in einer Demokratie ist. Es mag im Einzelfall schwer vermittelbar sein, warum zehntausende türkischstämmige Menschen in Deutschland demonstrieren wollen und dann auch dürfen. Und auch, warum krawallbedürftige Hooligans – als Gegenkundgebung – rund um den Hauptbahnhof ziehen können, obwohl ihre politischen Botschaften zumeist nur in einem Faustschlag liegen.
Doch die angerufenen Gerichte haben fast all das gestattet. Sie haben der Kölner Polizei mitunter widersprochen – Aufmärsche genehmigt – und somit für viel Arbeit gesorgt. Die Gerichte haben damit aber auch eine Lanze für die Demonstrationsfreiheit gebrochen. Und gesagt: Dieser Staat schützt das Recht auf Kundgebungen, auf Meinungsfreiheit – und er lässt sie sich dies auch einiges kosten: Steuergelder für Polizeibeamte und mitunter viel Toleranz für politische Botschaften, auch wenn es befremdlich ist, wenn bei der türkischen Solidaritätsveranstaltung Märtyrer gehuldigt werden – und es ist auch unterhalb der Toleranz-Grenze, wenn vereinzelt in der Menge die Todesstrafe gefordert wurde.
Das Demonstrationsrecht ist ein hohes, ein zu verteidigende, mitunter anstrengendes Gut. Der Kölner Kabarettist Jürgen Becker hat es im Vorfeld der türkischen Solidaritätskundgebung so auf den Punkt gebracht hat: "Ich gönne den Türken die Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht", hat Becker gesagt, "auch wenn sie dafür demonstrieren, dass die Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht in der Türkei eingeschränkt werden. Diese Absurdität muss man aushalten."
Und das ist – bei aller Solidarität mit den Menschen in der Türkei, bei allen Beiträgen die auf der Bühne gesagt wurden und bei aller Größe der Menschenmenge – eben die eigentliche Botschaft von Köln. Gerade an eine Türkei in bewegten Zeiten. Es ist nur zu hoffen, dass dies dort ebenfalls erkannt wird.
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