Kunst auf dem Wanderweg

Von Katja Lückert |
In Bad Berleburg im Siegerland gibt es einen einzigartigen Waldskulpturen-Wanderweg, der jetzt kurz vor seiner Fertigstellung steht. Insgesamt elf riesige Skulpturen unter anderem von Künstlern wie dem deutschen Land-Art-Künstler Nils-Udo, von Alan Sonfist oder Gloria Friedmann kann man auf dem 23 Kilometer langen Wanderweg zwischen Bad Berleburg und Schmallenberg besichtigen. In diesem Sommer wird gerade die vorletzte Skulptur unter dem Titel: "Das Ei" von Magdalena Jetelová errichtet.
Der Weg verläuft von einem kleinen Parkplatz in Kühhude steil bergan, zwischen Fichten, an Stapeln von Holzstämmen vorbei bis zu einer Stelle, wo das Gelände plötzlich ein großes Plateau bildet. Dann muss man sich noch ein wenig durch das hohe Gras schlagen und steht unvermittelt vor einem gewaltigen Steinbrocken, der von einem Karree aus mächtigen Holzstämmen eingefaßt ist, fast wie ein archaischer Säulentempel.

"Stein-Zeit-Mensch" heißt die monumentale Skulptur mit dem 150 Tonnen schweren Quarzitbrocken, die der deutsche Land-Art-Künstler Nils-Udo hier errichtet hat, weil sich genau an dieser Stelle in vorchristlicher Zeit eine germanische Kultstätte befunden haben soll. Dass die Skulpturen die Geschichte dieser Kulturlandschaft und ihrer Menschen widerspiegeln, war eine Prämisse, die der Planung des Waldskulpturenwegs im Siegerland zu Grunde lag, erklärt der Leiter der Wittgensteiner Akademie Wolfgang Völker:

"Es geht eigentlich um zweierlei Dinge: Zum einen geht es darum, dass Kunst in die Natur integriert wird und zum anderen: Bad Berleburg im Wittgensteiner Land und Bad Berleburg im Sauerland sind zwei unterschiedliche Städte mit einer völlig unterschiedlichen Geschichte. Da gibt es also heute noch eine durchaus unsichtbare Grenze, die über den Rothaarkamm verläuft. Und der Weg, der nun diese beiden Städte miteinander verbindet, über einen sogenannten Grenzweg, der verbindet in gewisser Weise auch zwei Welten."

Der 23 Kilometer lange Kunstwanderweg soll also die tatsächliche Grenze, die einst zwischen zwei Fürstentümern bestand, überwinden. Nämlich dem calvinistischen Wittgensteiner Land, das durch ein Fürstenhaus Jahrhunderte lang beherrscht wurde, und dem unter dem Kurkölschen Einflußbereich stehenden Sauerland. Darüber hinaus gibt es seit jeher auch eine nur empfundene Grenze zwischen unterschiedlichen Mentalitäten diesseits und jenseits des Rothaargebirges.

"Es war viele Jahrhunderte undenkbar, dass zum Beispiel Ehen geschlossen wurden über den Rothaarkamm hinweg. Also ein Schmallenberger eine Wittgensteiner Braut heiratete oder auch umgekehrt. Das hat sich natürlich in der heutigen Zeit natürlich verflüchtigt und trotzdem gibt es insbesondere in den Köpfen vieler älterer Wittgensteiner und Sauerländer eine unsichtbare Wand und eine Grenze dort oben auf dem Rothaarkamm, die wird nicht so leicht überschritten."

Der Rothaarsteig, der in einem Wanderlied besungen wird, ist mit einer Länge von 154 Kilometern der Hauptwanderweg, der auf dem Gebirgskamm des Rothaargebirges verläuft. Seit neun Jahren kreuzt ihn der Waldskulpturenweg in dem kleinen Dorf Schanze, wo eine weitere der insgesamt elf vorgesehenen Skulpturen steht: Der siebeneinhalb Meter hohe Krummstab aus geschliffenem Aluminium des Documenta-Künstlers Heinrich Brummack, habe auch mit der Geschichte der beiden Orte zu tun, so Wolfgang Völker:

"Der Krummstab nimmt Bezug auf beide Städte Schmallenberg und Bad Berleburg. Der ursprüngliche Bezug geht zurück auf das Kloster Grafschaft auf Schmallenberger Seite. Dieser Krummstab ist in den Wirren des Siebenjährigen Krieges verloren gegangen. Das Kloster Grafschaft ist zugleich auch verantwortlich für die Gründung der Stadt Bad Berleburg. Sodass dieser Krummstab in Schanze, gewissermaßen in der Mitte zwischen Schmallenberg und Bad Berleburg gelegen, für beide Städte als Symbol dastehen kann."

Anfangs- und Endpunkt des Waldskulpturenwegs bildet: "Der Wettbewerb" - eine Idee des Konzeptkünstlers Jochen Gerz, der Schmallenberger und Bad Berleburger Bürger zu einem Briefwechsel eingeladen hatte. Sie sollten einander schreiben, warum sie in der jeweiligen Stadt leben, was ihnen dort gefällt und was nicht. Diese Briefe wurden dann wie Straßenschilder vor den Häusern der jeweils anderen Stadt angebracht. So entstand ein Werk mit vielen Mitwirkenden, das den Dialog anregte - denn jeder, der seinen Brief anschauen wollte, musste sich dazu in die jeweils andere Stadt begeben.

Ein riesenhafter Falke aus aufgeworfenen Erdwällen von Alan Sonfist, ein grünes Haus, durch dessen Dach die Bäume nach oben ragen von Gloria Friedman und ein archaischer Hexenplatz von Lili Fischer- Eine Million Euro haben die riesenhaften Skulpturen auf dem Kunstwanderweg bisher gekostet, das Geld stammt zu einem nicht unmaßgeblichen Teil auch von privaten Sponsoren.

"Wir planen in diesem Jahr eine weitere Skulptur fertigzustellen. Das ist eine Arbeit von Magdalena Jetelová unter dem Titel: 'Das Ei' und im nächsten Jahr wird Timm Ullrichs auf Schmallenberger Seite die letzte, die 11. Skulptur installieren."

Der Waldskulpturenweg im Siegerland verbindet nicht nur zwei einst rivalisierende Städte, er bietet auf einzigartige Weise die Möglichkeit, Natur- und Kunsterlebnisse gleichermaßen zu genießen.