Kunst aus Müll
Mit seinen unkonventionellen Ausstellungsideen sorgte der mexikanische Künstler Gabriel Orozco immer wieder für Aufsehen. Jetzt ist Orozco in Berlin zu Gast. Unter dem Titel "Asterisms" hat er für das Museum Deutsche Guggenheim ein Auftragswerk angefertigt. Besser gesagt angesammelt - und sortiert.
Es gab Zeiten, da befestigte Gabriel Orozco eine Hängematte in einem Skulpturengartens oder er präsentierte einen leeren weißen Schuhkarton - und fertig war die Ausstellung. Schräge, oft nihilistische Gesten, die die Erwartungen der Kunstszene enttäuschten - und doch voll befriedigten! Diesmal in der Deutschen Guggenheim ist das anders. Zumindest quantitativ betrachtet. Denn Orozco hat so einiges mit nach Berlin gebracht: von New Yorker Sportplätzen und Mexikanischen Küsten. Passend zur Jahreszeit kommt hier ein wenig Sommer-Sonne-Strand-Feeling auf: Bojen, Ruderpinnen, Muscheln, ja sogar ein gelbes Quietscheentchen sind da versammelt. Marine Mitbringsel, die allerdings ihre besten Tage hinter sich haben. Rost und Modder haben ihnen zugesetzt. Schließlich handelt es sich um Treibgut, dass an die Baja California Sur in Mexiko angeschwemmt wurde. Kuratorin Nancy Spector:
"Die Arbeit heißt Sandstars. Dafür ist Gabriel nach Isla Arena zurückgekehrt. Ein Schutzgebiet für Wale, in dem er vor einigen Jahre die Knochen sammelte, die er für eine Installation verwendet hat. Und während er da so durch den Sand lief, fiel ihm auf, wie viel Müll da rum lag. Industrieabfälle, angespült aus dem Pazifik. Das hat ihn fasziniert, dieser Gegensatz."
Über Tausend Objekte hat Orozco dort eingesammelt und jetzt im Guggenheim ausgebreitet. Sorgsam nebeneinander angeordnet finden sich Glasflaschen, Glühbirnen, Bojen, Bauhelme, Schiffsmasten.
"Ja, ich wollte die Dinge in aller Klarheit präsentieren, deswegen habe ich sie so angeordnet. Habe Gruppen gebildet, Formationen. Habe die Fundstücke mal nach ihrer Größe, mal nach dem Material oder der Farbe sortiert ... es gibt unendlich viele Möglichkeiten - und ich will auch gar keine Ordnung vorgeben für den Betrachter. Er soll sich seine eigenen Gedanken machen, er kann die Dinge für sich ordnen, Erlebnisse Erinnerungen assoziieren. Ja, er bekommt vielleicht auch einfach ein Gespür für diese Dinge, für die vielen Geschichten, die sie erzählen mögen."
Sagt Gabriel Orozco. So folgt der Konzeptkünstler keinem strengen Konzept, ist vielmehr offen für sinnliche Eindrücke. Und frönt seiner Sammelleidenschaft - nicht nur in seiner Heimat Mexiko, sondern auch in New York, wo er neben Paris und Mexiko City mit seiner Familie lebt. Hier trug er zusammen, was auf einem Sportplatz liegen blieb.
"Er nennt die Installation Astroturf - so bezeichnet man den Kunstrasen auf solchen Sportplätzen. Und die kleinen Dinge, die hat er von diesem Rasen aufgesammelt. Und sie geordnet. Dabei geht es ihm nicht um eine wissenschaftliche Erhebung. Eine Klassifikation. Nein, er bringt ein bisschen Ordnung in das Chaos - und fängt dann an damit zu spielen."
Die Dinge, die Orozco auf seine Art in Ordnung bringt, geben bei ihrer musealen Präsentation Rätsel auf. Denn sie sind klein, oft nur noch in Bruchstücken vorhanden. Hier ein Stück gebogenes Metall, das könnte eine Gürtelschnalle gewesen sein, da der seltsame Klumpen - ein ausgekautes Kaugummi. Teils hässliche Überbleibsel der Konsumgesellschaft, die eine wirkungsvolle Formation bilden, erzählen sie doch von der alltäglichen Vergänglichkeit
"Es ist als Installation zu sehen. Also, einzeln würden die Dinge sicher nicht so wirken. Aber zusammen betrachtet sind sie oft einfach schön. Ja, ich bin immer wieder erstaunt, wie schön die Dinge sind, die hier weggeworfen wurden. Die Farben, die Materialien."
Eine Schönheit, die allerdings nah an der Grenze zum Dekorativen liegt. Den Eindruck verstärken auch die Fotos, die der Künstler von seinen Fundstücken gemacht hat und ebenfalls ausstellt. Und dennoch schaut man immer wieder gerne hin, lässt die Dinge einzeln auf sich wirken, vor allem aber in ihrer Gemeinsamkeit. Denn auch hier setzt Orozco seine künstlich künstlerischen Kategorisierungen fort. Zeigt Reißverschlüsse neben Dosenöffnern, ausgekaut neben zerknüllt, verkohlt neben verschrumpelt.
Sicher, Gabriel Orozco ist nicht der erste und einzige Künstler, der Müll zu Kunst macht und damit unsere Konsumgesellschaft reflektiert. Und sicher tut er das eher gefällig als tiefgründig. Doch während man die vielen Objekte betrachtet, die er in der Deutschen Guggenheim arrangiert hat, stellt man fest, dass sein Konzept durchaus aufgeht: Orozco verdeutlicht die Dinge, er hebt sie hervor in der Masse und lässt sie uns so ein wenig anders betrachten.
Mehr Links bei dradio.de:
Arbeiten des Mexikaners Gabriel Orozco im Kunstmuseum Basel
Das Herz in den Händen
Werke von Gabriel Orozco
Gabriel Orozco erhält den blueOrange Kunstpreis
"Die Arbeit heißt Sandstars. Dafür ist Gabriel nach Isla Arena zurückgekehrt. Ein Schutzgebiet für Wale, in dem er vor einigen Jahre die Knochen sammelte, die er für eine Installation verwendet hat. Und während er da so durch den Sand lief, fiel ihm auf, wie viel Müll da rum lag. Industrieabfälle, angespült aus dem Pazifik. Das hat ihn fasziniert, dieser Gegensatz."
Über Tausend Objekte hat Orozco dort eingesammelt und jetzt im Guggenheim ausgebreitet. Sorgsam nebeneinander angeordnet finden sich Glasflaschen, Glühbirnen, Bojen, Bauhelme, Schiffsmasten.
"Ja, ich wollte die Dinge in aller Klarheit präsentieren, deswegen habe ich sie so angeordnet. Habe Gruppen gebildet, Formationen. Habe die Fundstücke mal nach ihrer Größe, mal nach dem Material oder der Farbe sortiert ... es gibt unendlich viele Möglichkeiten - und ich will auch gar keine Ordnung vorgeben für den Betrachter. Er soll sich seine eigenen Gedanken machen, er kann die Dinge für sich ordnen, Erlebnisse Erinnerungen assoziieren. Ja, er bekommt vielleicht auch einfach ein Gespür für diese Dinge, für die vielen Geschichten, die sie erzählen mögen."
Sagt Gabriel Orozco. So folgt der Konzeptkünstler keinem strengen Konzept, ist vielmehr offen für sinnliche Eindrücke. Und frönt seiner Sammelleidenschaft - nicht nur in seiner Heimat Mexiko, sondern auch in New York, wo er neben Paris und Mexiko City mit seiner Familie lebt. Hier trug er zusammen, was auf einem Sportplatz liegen blieb.
"Er nennt die Installation Astroturf - so bezeichnet man den Kunstrasen auf solchen Sportplätzen. Und die kleinen Dinge, die hat er von diesem Rasen aufgesammelt. Und sie geordnet. Dabei geht es ihm nicht um eine wissenschaftliche Erhebung. Eine Klassifikation. Nein, er bringt ein bisschen Ordnung in das Chaos - und fängt dann an damit zu spielen."
Die Dinge, die Orozco auf seine Art in Ordnung bringt, geben bei ihrer musealen Präsentation Rätsel auf. Denn sie sind klein, oft nur noch in Bruchstücken vorhanden. Hier ein Stück gebogenes Metall, das könnte eine Gürtelschnalle gewesen sein, da der seltsame Klumpen - ein ausgekautes Kaugummi. Teils hässliche Überbleibsel der Konsumgesellschaft, die eine wirkungsvolle Formation bilden, erzählen sie doch von der alltäglichen Vergänglichkeit
"Es ist als Installation zu sehen. Also, einzeln würden die Dinge sicher nicht so wirken. Aber zusammen betrachtet sind sie oft einfach schön. Ja, ich bin immer wieder erstaunt, wie schön die Dinge sind, die hier weggeworfen wurden. Die Farben, die Materialien."
Eine Schönheit, die allerdings nah an der Grenze zum Dekorativen liegt. Den Eindruck verstärken auch die Fotos, die der Künstler von seinen Fundstücken gemacht hat und ebenfalls ausstellt. Und dennoch schaut man immer wieder gerne hin, lässt die Dinge einzeln auf sich wirken, vor allem aber in ihrer Gemeinsamkeit. Denn auch hier setzt Orozco seine künstlich künstlerischen Kategorisierungen fort. Zeigt Reißverschlüsse neben Dosenöffnern, ausgekaut neben zerknüllt, verkohlt neben verschrumpelt.
Sicher, Gabriel Orozco ist nicht der erste und einzige Künstler, der Müll zu Kunst macht und damit unsere Konsumgesellschaft reflektiert. Und sicher tut er das eher gefällig als tiefgründig. Doch während man die vielen Objekte betrachtet, die er in der Deutschen Guggenheim arrangiert hat, stellt man fest, dass sein Konzept durchaus aufgeht: Orozco verdeutlicht die Dinge, er hebt sie hervor in der Masse und lässt sie uns so ein wenig anders betrachten.
Mehr Links bei dradio.de:
Arbeiten des Mexikaners Gabriel Orozco im Kunstmuseum Basel
Das Herz in den Händen
Werke von Gabriel Orozco
Gabriel Orozco erhält den blueOrange Kunstpreis