Kunst-Carabinieri in Rom

Die italienischen Monuments Men

Die italienische Kunstpolizei
Insgesamt 250 Beamte arbeiten für die italienische Kunstpolizei © ARD / Tilmann Kleinjung
Von Tilmann Kleinjung |
Fälschungen, Hehlerei, Kunstdiebstahl – das ist das Spezialgebiet der Kunstpolizei in Rom. Kürzlich fanden sie Grabtafeln aus der antiken Tempelstadt Paestum. Nun sind sie gestohlenen Werken von Tintoretto und Rubens auf der Spur.
Zum Beispiel Cerveteri. Die antike Gräberstadt der Etrusker ist bei Grabräubern besonders beliebt. Sie ist vier Quadratkilometer groß, kaum zu überwachen. Und deshalb gibt es immer wieder Nachrichten von dunklen Gestalten, die sich nachts aufs Gelände schleichen und in den etruskischen Grabkammern nach wertvollen Schätzen aus dieser anderen Welt suchen. Ohne Rücksicht auf Verluste, in der Hoffnung auf den großen Fund. Ein Fall für Roberto Collasanti:
"Eigentlich genügt ein einfaches Werkzeug, um eine etruskische Vase aus der Erde zu holen. Und dann gibt es einen Sammler, der bereit ist 100.000, 200.000, 300.000 Euro zu bezahlen. Manchmal sind wir tatsächlich bei solchen Summen."
Roberto Collasanti, Leiter der Kommandozentrale der Kunst-Carabinieri in Rom
Roberto Collasanti, Leiter der Kommandozentrale der Kunst-Carabinieri in Rom© ARD / Tilmann Kleinjung
Tenente Colonello Collasanti leitet die Kommandozentrale der Kunst-Carabinieri in Rom. Eine Spezialeinheit der italienischen Polizei mit 250 Beamten, die immer dann tätig werden, wenn archäologische Stätten geplündert, Bilder gefälscht oder Museen ausgeraubt werden.
"In unseren Reihen sind zahlreiche Kunsthistoriker, Archäologen oder Konservatoren. Also Personen, die im Bereich der Kunst ausgebildet wurden. Aber natürlich sind wir vor allem Carabinieri. Und um das zu sein, muss man nicht Kunstgeschichte studiert haben."
Dafür sollte man den Kunstmarkt besonders gut im Blick haben: Auktionshäuser, Online-Börsen, Ebay. Die meiste Zeit verbringen die Kunst-Carabinieri vor dem Computer. In einer Datenbank haben sie gestohlene Kunstwerke registriert und vergleichen diesen Katalog ständig mit Werken, die zum Kauf angeboten werden.
Dieser weltweit einzigartigen Datenbank verdanken die Kunstpolizisten auch ihren letzten spektakulären Fahndungserfolg:
Grabräuber sind wenig zimperlich
Rom, Ende November, bei einer Ausstellung im Museum der Carabinieri präsentiert Italiens Kulturminister Dario Franceschini fünf einzigartige Grabtafeln aus der antiken Tempelstadt Paestum.
Dass diese der Öffentlichkeit nicht für immer entzogen wurden, sei Verdienst der Carabinieri "zum Schutz des kulturellen Erbes" – so der offizielle Titel der Einheit:
Franceschini: "Uns stehen wirklich herausragende Männer und Frauen zur Verfügung – mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Kampf gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern."
Es sind die Szenen eines Heldenlebens. Die Fresken aus Paestum zeigen einen jungen Krieger, während er im Kampf triumphiert, wie er sein Pferd vor sich her treibt.
"Hier sieht man den Toten", sagt Carabinieri General Mariano Mossa und zeigt auf die Grabtafeln, die aus dem 4. oder 3. Jahrhundert vor Christus stammen sollen.
"Das Außergewöhnliche ist, dass das Grabmal unversehrt war. Denn oft findet man nur ein Stückchen hier, ein Stückchen da."
Ein Glücksfall: In der Regel sind Grabräuber wenig zimperlich, wenn es darum geht antike Schätze zu heben und an interessierte Kunden im In- und Ausland weiterzuverkaufen. Das Grab des Jungen Kriegers wurde möglicherweise schon in den 70er-Jahren geplündert, hunderte von solchen Gräbern gibt es in Paestum, dieser untergegangenen Stadt, die vor allem für ihre Tempelruinen aus der griechischen Antike berühmt ist. Unweit von Paestum waren die Carabinieri einem Mann auf der Spur: Er wurde verdächtigt mit gestohlener antiker Kunst zu handeln.
Mossa: "Während der laufenden Ermittlungen passiert ein Verkehrsunfall in Cassino. Im Auto dieses Herren haben wir Fotografien gefunden und dann auch bei ihm zu Hause. Wir haben sie in unsere Datenbank eingegeben und während dieser Ermittlungen haben wir die Gegenstände gefunden, die auf den Fotografien zu sehen waren."
Ahnungslose Käufer
Die Ermittler fanden die Grabtafeln in einem Depot im Örtchen Campione d’Italia am Luganer See – eine italienische Exklave in der Schweiz. Ein Schweizer Geschäftsmann hatte sie erworben, von ihrer dubiosen Herkunft will er nichts gewusst haben. Noch bis Januar sollen die einzigartigen Fresken in Rom zu sehen sein und dann nach Paestum zurückkehren.
Ob die Meisterwerke von Tintoretto, Rubens und Bellini, die vor wenigen Wochen aus dem Museum von Verona gestohlen wurden, jemals wieder dorthin zurückkehren? Der Fall ist ungleich schwieriger. Denn kein Hehler wird diese bekannten Bilder auf den Markt bringen. Die Carabinieri vermuten, dass es sich bei dem Raub um das Auftragswerk eines Sammlers oder eines Erpressers handelt. Immer häufiger haben es Roberto Collasanti und seine Kollegen mit kriminellen Netzwerken zu tun, die höchst professionell vorgehen.
Collasanti: "Der illegale Handel mit Kunstwerken kommt gleich nach dem Waffen-, dem Drogenhandel und Finanzdelikten."
Italien hat auf diese Entwicklung reagiert und mit den Kunst-Carabinieri eine Einheit geschaffen, die das reiche kulturelle Erbe dieses Landes verteidigen soll. Nach diesem Vorbild haben nun auch die Vereinten Nationen beschlossen, Kulturgüter in Krisenregionen von Spezialkräften schützen zu lassen. "Kultur-Blauhelme" sollen künftig zur Stelle sein, wenn zum Beispiel im Irak, in Syrien oder in Libyen antike Ausgrabungsstätten vom Fanatismus des IS bedroht sind.
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