Kunst gegen die Einsamkeit
Die verstorbene Bildhauerin Louise Bourgeois hat erst mit über 70 Jahren Anerkennung für ihr Werk erhalten. Doch der Erfolg hatte sie gar nicht angetrieben - es waren ihre Ängste, die sie mit der Kunst bannen wollte. Zu ihren 100. Geburtstag sind zwei neue Bücher über ihr Leben erschienen.
Louise Bourgeois hat schon mehrmals abgewunken und verneint, dass Erfolg ihr etwas bedeute. Aber Donald Kuspit hakt immer noch nach. Der Kunstkritiker kann sich einfach nicht vorstellen, dass die Bildhauerin nicht darunter gelitten hat, erst mit über 70 Jahren Anerkennung für ihr Werk zu finden. Schließlich gibt Bourgeois eine letzte, verblüffende Antwort zu diesem Thema: "Ich habe meinen Erfolg überstanden, weil es nicht zur Zielsetzung meiner Arbeit gehört, Erfolg mit ihr zu haben. Mein Werk wird meinen Erfolg überleben, wird tragfähiger und stärker als der Erfolg sein."
Es sind ungewöhnliche, erhellende und manchmal auch prophetische Aussagen, die Donald Kuspit Louise Bourgeois 1988 in seinem langen Interview entlockte. Umso verwunderlicher, dass das für das Verständnis ihrer geheimnisvollen und rätselhaften Arbeit zentrale Gespräch jahrzehntelang bis auf wenige Ausschnitte nicht ins Deutsche übersetzt wurde. Anlässlich des 100. Geburtstags (25. Dezember 2011) der 2010 in New York verstorbenen Künstlerin ist es nun endlich soweit.
Als Kuspit Louise Bourgeois traf, war sie 77 Jahre alt und auf dem Weg zu Weltruhm. Ihre Bildsprache hatte sie längst gefunden, beweisen musste sie nichts mehr und so erzählt sie mit großer Offenheit über ihr Leben und Werk. Ausgehend von einzelnen Objekten und der Schilderung ihrer täglichen Kämpfe im Atelier spricht sie eindrücklich über ihre traumatischen Kindheitserlebnisse, ihre Einsamkeit und ihre Ängste. Diese habe sie allein mit künstlerischen Mitteln bannen können. Kunst sei ihr Weg, "mit dem Leben fertig zu werden".
Aus ihren inneren Nöten hatte die Bildhauerin nie einen Hehl gemacht. Dass sie Kuspit aber zudem von den Mühen erzählte, sich gegen die männlich dominierte Künstlerclique im New York der 60er- und 70er-Jahre zu behaupten, ist etwas besonderes. Auch ihre Äußerungen zum Kunstmarkt und zu ihrer Abneigung gegen Selbstvermarktungsstrategien lesen sich noch Jahrzehnte später hochspannend!
Für die kunsthistorische Einordnung von Bourgeois' Werk sorgt ein weiteres, mit vielen Abbildungen und Zitaten gespicktes "Geburtstagsbuch" zu ihrem 100. Geburtstag. Ulf Küster, Kurator des Privatmuseums "Fondation Beyeler", porträtiert hier die Bildhauerin anhand ausgesuchter Werke - darunter etwa die weltbekannte Riesenspinne "Maman", eine ihrer berühmten "Cells" und wegweisende Skulpturen.
Für Küster ist Bourgeois eine Brückenbauerin zwischen Moderne und zeitgenössischer Kunst. Techniken wie Nähen oder Stricken habe erst sie in die Kunst eingeführt und Künstler wie Bruce Nauman, Robert Gober oder Tracey Emin hätten ihr viel zu verdanken. Ihre eigentümliche Interpretationsebene, ihre tiefe emotionale Kraft und ihre universelle Subjektivität machten ihre Kunst einzigartig. Auf nur 144 Seiten gelingt es Ulf Küster ganz vorzüglich, in ihr Werk einzuführen und damit mühelos Bourgeois' 1988 geäußerte Prognose zu bestätigen: Ihre Kunst hat überlebt.
Besprochen von Eva Hepper
Donald Kuspit: Ein Gespräch mit Louise Bourgeois
Aus dem Englischen von Volker Ellerbeck
Piet Meyer Verlag, Wien 2011
117 Seiten, 12,80 Euro
Ulf Küster: Louise Bourgeois
Hatje Cantz, Ostfildern 2011
128 Seiten, 12,80 Euro
Es sind ungewöhnliche, erhellende und manchmal auch prophetische Aussagen, die Donald Kuspit Louise Bourgeois 1988 in seinem langen Interview entlockte. Umso verwunderlicher, dass das für das Verständnis ihrer geheimnisvollen und rätselhaften Arbeit zentrale Gespräch jahrzehntelang bis auf wenige Ausschnitte nicht ins Deutsche übersetzt wurde. Anlässlich des 100. Geburtstags (25. Dezember 2011) der 2010 in New York verstorbenen Künstlerin ist es nun endlich soweit.
Als Kuspit Louise Bourgeois traf, war sie 77 Jahre alt und auf dem Weg zu Weltruhm. Ihre Bildsprache hatte sie längst gefunden, beweisen musste sie nichts mehr und so erzählt sie mit großer Offenheit über ihr Leben und Werk. Ausgehend von einzelnen Objekten und der Schilderung ihrer täglichen Kämpfe im Atelier spricht sie eindrücklich über ihre traumatischen Kindheitserlebnisse, ihre Einsamkeit und ihre Ängste. Diese habe sie allein mit künstlerischen Mitteln bannen können. Kunst sei ihr Weg, "mit dem Leben fertig zu werden".
Aus ihren inneren Nöten hatte die Bildhauerin nie einen Hehl gemacht. Dass sie Kuspit aber zudem von den Mühen erzählte, sich gegen die männlich dominierte Künstlerclique im New York der 60er- und 70er-Jahre zu behaupten, ist etwas besonderes. Auch ihre Äußerungen zum Kunstmarkt und zu ihrer Abneigung gegen Selbstvermarktungsstrategien lesen sich noch Jahrzehnte später hochspannend!
Für die kunsthistorische Einordnung von Bourgeois' Werk sorgt ein weiteres, mit vielen Abbildungen und Zitaten gespicktes "Geburtstagsbuch" zu ihrem 100. Geburtstag. Ulf Küster, Kurator des Privatmuseums "Fondation Beyeler", porträtiert hier die Bildhauerin anhand ausgesuchter Werke - darunter etwa die weltbekannte Riesenspinne "Maman", eine ihrer berühmten "Cells" und wegweisende Skulpturen.
Für Küster ist Bourgeois eine Brückenbauerin zwischen Moderne und zeitgenössischer Kunst. Techniken wie Nähen oder Stricken habe erst sie in die Kunst eingeführt und Künstler wie Bruce Nauman, Robert Gober oder Tracey Emin hätten ihr viel zu verdanken. Ihre eigentümliche Interpretationsebene, ihre tiefe emotionale Kraft und ihre universelle Subjektivität machten ihre Kunst einzigartig. Auf nur 144 Seiten gelingt es Ulf Küster ganz vorzüglich, in ihr Werk einzuführen und damit mühelos Bourgeois' 1988 geäußerte Prognose zu bestätigen: Ihre Kunst hat überlebt.
Besprochen von Eva Hepper
Donald Kuspit: Ein Gespräch mit Louise Bourgeois
Aus dem Englischen von Volker Ellerbeck
Piet Meyer Verlag, Wien 2011
117 Seiten, 12,80 Euro
Ulf Küster: Louise Bourgeois
Hatje Cantz, Ostfildern 2011
128 Seiten, 12,80 Euro