"Kunst hat für mich keine Nationalität"

18.02.2011
Clara Khoury ist eine der bekanntesten arabischen Schauspielerinnen in Israel. Mit ihrem Humor und ihrer Leichtigkeit schafft sie es scheinbar spielend, ihren Platz zwischen den Kulturen zu finden. Mit der palästinensischen Frau, in deren Rolle Khoury in dem Berlinale-Wettbewerbsfilm "Odem - Lipstikka" schlüpft, verbindet sie Einiges.
Seit Anfang der Woche ist die 34-Jährige Gast bei der Berlinale. In dem israelischen Wettbewerbsfilm "Lipstikka" von Jonathan Sagall, der am Donnerstag bei den Internationalen Filmfestspielen vorgestellt wurde, spielte Clara Khoury eine Hauptrolle: Die junge Palästinenserin Lara aus Ramallah, eine Lesbe mit Alkoholproblem, die Londoner Exil weiterhin von ihrem Kindheitstrauma verfolgt wird. Clara Khoury identifiziert sich einerseits mit ihrer Heldin. Die palästinensische Schauspielerin mit dem israelischen Pass sagt aber auch:

"Sagen wir mal so, meine Position ist besser. Ich bin arbeite auf beiden Seiten, ich fahre in die Westbank, nach Jenin, ich arbeite dort im Theater, mit Kindern. Ich versuche, so ausgewogen wie möglich zu sein, ich arbeite ja auch für die israelische Filmindustrie. Ich suche mir einfach aus, was mir wichtig und gut für mich ist – ob es um Frauenrechte, Menschenrechte oder Palästinenser geht. Und Kunst hat für mich keine Nationalität."

Claras Vater, der Schauspieler Makram Khoury, wurde 1945 in Jerusalem geboren. Seine Familie floh im arabisch-israelischen Krieg von 1948 aus Palästina und kehrte später heimlich nach Israel zurück. Sie sei hinter den Kulissen groß geworden, und wenn es keinen Babysitter gab, dann wurde sie mit Papa ins Theater geschickt, erinnert sich Clara. Sie wuchs mit jüdischen und arabischen Freunden auf – in Haifa, wo das Zusammenleben zwischen beiden Gruppen in Israel noch am ehesten funktioniert.

Nach dem Abitur arbeitete sie als Requisitorin und ging in Tel Aviv auf die Schauspielschule. Doch als sie Ausbildung abschloss, im Jahr 2000, begann die zweite Intifada. Ihre Identität sei einfach zusammengebrochen, sagt Khoury, sie wusste nicht mehr, ob sie Palästinenserin oder Israelin war. Die junge Schauspielerin wollte weg, dem Nahost-Drama entfliehen - sie zog nach Paris. Doch in der Fremde fühlte sie sich erst recht alleine und wurde depressiv - ähnlich wie die Heldinnen im Berlinale-Film "Lipstikka".

"Die Vergangenheit ist Teil von uns, wir können nicht davor weglaufen. Als ich zum Beispiel nach Paris ging, konnte ich meinem eigenen Trauma dadurch nicht entkommen. Und eines Tages sagte ich mir, hör auf damit, geh zurück nach Hause, mach eine Therapie und finde eine Lösung. Man muss es schaffen, den Kreis zu schließen."

Mit ihrem Humor und ihrer Leichtigkeit schafft Clara Khoury es scheinbar spielend, in ihren Platz auch zwischen den Kulturen zu finden. Doch der Rassismus gegen Araber in Israel, sagt Khoury, nimmt ständig zu – auch in ihrer Heimatstadt Haifa, die eigentlich als Hort der Toleranz gilt. Ob ihre Zukunft in Israel oder im Ausland liegt, kann sie deshalb nicht mit Sicherheit sagen.

"Die Situation in Israel wird immer schlechter. Der Rassismus nimmt zu, und es gibt sogar Leute, die zum Beispiel in einer Pizzeria Zertifikate von Rabbinern aushängen: Wir stellen hier keine Araber ein. Oder die Sache in Tel Aviv, wo man Arabern keine Häuser vermieten will – es geht darum, jede Art von Vermischung vermeiden. Ich aber denke: Je mehr man sich vermischt, desto offener wird die jüngere Generation im Land werden. Also, ich kann gemischte Ehen nur begrüßen. Leute, macht das einfach."

Über ihr persönliches Leben will Clara Khoury nicht viel erzählen – und schon gar nicht, ob ihr Partner Moslem, Christ oder Jude ist.

"Das spielt keine Rolle."

Nur so viel: Der Mann ist Künstler, und die beiden sprechen miteinander Englisch. Und sie haben Hochzeitspläne:

"Ich bin jetzt über 30 (lacht). Ja, ich werde bald heiraten. Aber ich weiß noch nicht, wann. Wir machen das aber heimlich – und erst dann gibt es eine Party."

Da bleibt nur noch, Clara Khoury fest die Daumen zu drücken. Und wenn es so weit ist, Mazal Tov zu wünschen.

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