Gegen den Strich
Seit mehr als drei Jahrzehnten regiert der mittlerweile 90-jährige Robert Mugabe in Simbabwe – ein Autokrat. Meinungsfreiheit ist auf Nischen beschränkt. Künstler müssen schwere Repressalien fürchten. So wie Maler Misheck Masamvu.
Mit einem breiten Pinsel in der Hand steht Misheck Masamvu vor seinem noch unvollendeten Werk. Um ihn herum herrscht künstlerisches Chaos – an den Wänden lehnen Gemälde und Skulpturen dicht an dicht. Vor gut zwei Jahren hat der Maler sein Atelier auch für andere Künstler geöffnet, denn viele hätten keinen Ort gehabt, an dem sie ungestört arbeiten konnten, erklärt er. Nun malen, diskutieren und präsentieren sie ihre Werke hier im "Village Unho", rund um die Uhr und buchstäblich Schulter an Schulter.
"Der einzige Unterschied zu einem Sweatshop ist, dass es dort darum geht, den Markt zu bedienen, um Angebot und Nachfrage. Bei uns gibt es jedoch keine Nachfrage. Für die meisten Simbabwer geht es momentan ums reine Überleben. Sie halten jeden für verrückt, der eine Karriere als Künstler anstrebt. Es mangelt an Interesse und Verständnis für Kunst; viele Leute sehen sie als elitär an."
Neben dem Publikum sind auch Galerien, Sammler und Kulturförderung Mangelware. Dazu kommt die politische Einflussnahme: Der Geheimdienst überwacht Kulturinstitutionen, taucht bei Ausstellungen und Konzerten auf, regimekritischen Künstlern drohen Zensur und Verhaftung.
Gekauft und versteckt
Viele leben mittlerweile im Exil. Misheck Masamvu bekam nach der Ausbildung an der Galerie Delta in Harare ein Stipendium an der Kunstakademie in München. Doch er kehrte zurück und vertrat seine Heimat 2011 bei der Biennale in Venedig - für ihn der internationale Durchbruch. Aber nicht alle seiner Werke wurden vom Regime gutgeheißen.
"Sie entfernten eines meiner Bilder. Eigentlich wollten sie die ganze Ausstellung nicht. Aber sie wollten auch vermeiden, dass die Sache großes öffentliches Aufsehen erregt. Ich beschäftigte mich damals mit all dem, was seit der Jahrtausendwende in Simbabwe schief gelaufen war. Es ging um das Verhältnis des Präsidenten zum Volk, um Macht und Gewalt, die sich bis in die zwischenmenschlichen Beziehungen auswirkt. Das Bild, das die Regierung damals zensiert und gekauft hat, versteckt sie wahrscheinlich immer noch irgendwo."
Der 34-Jährige hat sich von dieser Erfahrung nicht einschüchtern lassen. Seine Gemälde zeigen gesichtslose Figuren, stumme Schreie, abgetrennte Gliedmaßen. Großformatig, farbenfroh, verstörend, gewürzt mit einer kräftigen Portion schwarzen Humors. Seine vielschichtige Symbolsprache erzählt von den patriarchalischen Traditionen seiner Heimat, der Kolonialzeit und der autokratischen Herrschaft seit der Unabhängigkeit.
"Für diejenigen, die mein Werk mit Politik assoziieren, ist es einfach, die entsprechenden Symbole zu finden. Ich kann sogar Anspielungen über den Präsidenten machen. Entweder entdeckt er sie nicht, oder er ignoriert sie, weil er sowieso weiß, dass die meisten Simbabwer diese Bilder nie sehen werden. Sie spiegeln die Katastrophe meiner Generation wieder. Wir sind im Jahr der Unabhängigkeit geboren, aber wir sind nicht frei. Wir sind von einem Tsunami schlechter politischer Entscheidungen überrollt worden."
Zwischen zwei Bildern, die im Atelier an der Wand lehnen, lugt ein Portrait von Präsident Robert Mugabe hervor. Wie zur Erinnerung, dass seine Augen überall sind. Aus Angst vor Repressalien würden viele Nachwuchskünstler die Schere schon im Kopf ansetzen, meint Misheck Masamvu nachdenklich. Selbstzensur sei verbreitet. Dabei bedeute Kritik ja nicht unbedingt eine direkte Konfrontation mit dem Regime.
"Viele sehen in mir jemanden, der dem Präsidenten zu hundert Prozent kritisch gegenüber steht. Aber es wäre reine Zeitverschwendung, zu versuchen, mit dem alten Mann zu diskutieren. Momentan ist die politische Führung nicht an der Mehrheit der Bevölkerung interessiert und diese ist wiederum nicht bereit, für ihre eigenen Interessen zu kämpfen. Daran kann ich nichts ändern. Aber ich kann auch nicht hinnehmen, dass ein Kind, das heute geboren wird, keine Zukunft hat. Ich sehe mein Werk als Teil der Geschichtsschreibung. Kurzlebige Kontroversen interessieren mich nicht. Mir geht es um eine tiefere Auseinandersetzung mit Wirklichkeit und Wahrheit, über die wir auch noch morgen sprechen werden."
Misheck Masamvu nimmt wieder seinen Pinsel in die Hand und vertieft sich in seine Arbeit. Er ist überzeugt davon, dass Künstler in Simbabwe langfristig zu einer Veränderung der Gesellschaft beitragen können, auch wenn sie kurzfristig machtlos erscheinen.