Kunst nahe der syrischen Grenze
In der Türkei gibt es neben der etablierten Istanbul-Biennale seit 2006 auch in vier anatolischen Städten Kunst-Biennalen, die hierzulande kaum bekannt sind. Eine davon findet derzeit im südanatolischen Mardin statt - einer multikulturellen, historischen Stadt - nahe der syrischen Grenze.
Die Stadt Mardin liegt im Südosten der Türkei nur 30 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Lager auf der türkischen Seite beherbergen momentan zehntausende Flüchtlinge aus Syrien. Wie kann sich eine Kunst-Biennale hier positionieren? Die beiden Kuratoren, Paolo Colombo und Lora Sarıaslan, beantworten diese Frage mit einem klaren Konzept. Kunst kann auch teilnehmen ohne politische Themen auszuschlachten unterstreicht Kurator Paolo Colombo:
"Ich fand es spannender mich auf diesen Ort einzulassen. Um ehrlich zu sein, wir alle wissen, dass die Kunstszene marktorientiert arbeitet. In diesem Zusammenhang finde ich es abscheulich, wenn die Kunst politische Konflikte für sich ausbeutet."
Die Stadt blickt auf eine 6000 Jahre alte Geschichte zurück. Die Altstadt von Mardin schmiegt sich an einen Berghügel über der Tiefebene von Mesopotamien. Assyrer, Babylonier, Perser, die Osmanen und noch viele andere Völker haben hier gelebt und ihre Spuren hinterlassen. Beide Kuratoren entwickelten einen metaphorischen Bezugsrahmen für die Biennale. "The double take" lautet der Titel der Ausstellung.
Double take bezeichnet im Englischen das "zweimal Hinsehen"- müssen. In Mardin gibt es eine besondere Taubenart, die sich so schnell rückwärts überschlagen kann, dass der Zuschauer die Bewegung der Vögel kaum zu verfolgen vermag. Er muss mehrfach hinsehen. Genau dazu soll auch der Besucher der Biennale in Mardin ermutigt werden betont Kuratorin Lora Sarıaslan:
"An einem Ort wie Mardin, der so reich an Geschichte ist, sieht man oft nur Ausschnitte. Die Architektur zum Beispiel, die Menschen wirken wie eine Dekoration dazu. Aber sie leben ja wirklich hier. Wir haben Orte für die Ausstellung ausgesucht, die dazu einladen zweimal hinzuschauen."
Die Ausstellungsorte ziehen den Besucher in die Lebenssphären der Altstadt. Das Yeni Hotel etwa ist eine billige Absteige für fahrende Händler in Mardin. Im Foyer steht eine Couch mit einem bunten Stoffbezug. Sie wirkt dort ganz selbstverständlich. Der Couchbezug wurde allerdings von der amerikanischen Künstlerin Pae White entworfen und ist made in America.
Das Kunstwerk verbleibt nach der Ausstellung im Besitz des Hotels. In einem der Zimmer läuft tagsüber ein Video des Rumänen Sebastian Moldovan. Eine sich drehende Tür gewährt Einblicke in verschiedene Wohnräume, in denen der Künstler in den vergangenen Jahren gelebt hat. Die Projektion wird nachts ausgeschaltet, weil der normale Hotelbetrieb als Teil des Konzeptes nicht unterbrochen wird, erläutert Kuratorin Lora Sarıaslan:
"Wir wollten keine vom Ort losgelöste und von nur einigen wenigen bestaunte Biennale schaffen. Die Kunst soll Teil der Melodie der Stadt sein, sodass die Ausstellung nicht das normale Leben der Menschen von Mardin unterbricht."
Das Leben vieler Menschen in Mardin ist hart. Der Besucher der Biennale muss sich den dortigen Mühen des Alltags aussetzen, um die Ausstellung sehen zu können. Das im 16.Jahrhundert erbaute Wohnhaus einer assyrischen Familie etwa ist der größte Ausstellungsort der Mardin Biennale.
Um ihn zu finden, muss der Besucher die Hauptstraße der Altstadt verlassen und in ein Geflecht kleiner Seitenstraßen eintauchen. Die Wege sind abschüssig und voller Geröll, das gebräuchlichste Transportmittel sind Esel, denen auf den Wegen ständig ausgewichen werden muss.
Doch auch wenn feste Schuhe und Abenteuergeist eine Voraussetzung für die Rezeption dieser Ausstellung sind. Der Einsatz lohnt sich. Die Biennale führt an unbekannte Plätze der Altstadt und präsentiert gleichzeitig exzellente zeitgenössische Kunst. Ob die von jedem Mardiner Bürger verstanden wird, darf bezweifelt werden. Wichtiger ist jedoch, dass tatsächlich Dialoge zwischen Besuchern und Einheimischen jenseits rein touristischer Interessen entstehen.
"Ich fand es spannender mich auf diesen Ort einzulassen. Um ehrlich zu sein, wir alle wissen, dass die Kunstszene marktorientiert arbeitet. In diesem Zusammenhang finde ich es abscheulich, wenn die Kunst politische Konflikte für sich ausbeutet."
Die Stadt blickt auf eine 6000 Jahre alte Geschichte zurück. Die Altstadt von Mardin schmiegt sich an einen Berghügel über der Tiefebene von Mesopotamien. Assyrer, Babylonier, Perser, die Osmanen und noch viele andere Völker haben hier gelebt und ihre Spuren hinterlassen. Beide Kuratoren entwickelten einen metaphorischen Bezugsrahmen für die Biennale. "The double take" lautet der Titel der Ausstellung.
Double take bezeichnet im Englischen das "zweimal Hinsehen"- müssen. In Mardin gibt es eine besondere Taubenart, die sich so schnell rückwärts überschlagen kann, dass der Zuschauer die Bewegung der Vögel kaum zu verfolgen vermag. Er muss mehrfach hinsehen. Genau dazu soll auch der Besucher der Biennale in Mardin ermutigt werden betont Kuratorin Lora Sarıaslan:
"An einem Ort wie Mardin, der so reich an Geschichte ist, sieht man oft nur Ausschnitte. Die Architektur zum Beispiel, die Menschen wirken wie eine Dekoration dazu. Aber sie leben ja wirklich hier. Wir haben Orte für die Ausstellung ausgesucht, die dazu einladen zweimal hinzuschauen."
Die Ausstellungsorte ziehen den Besucher in die Lebenssphären der Altstadt. Das Yeni Hotel etwa ist eine billige Absteige für fahrende Händler in Mardin. Im Foyer steht eine Couch mit einem bunten Stoffbezug. Sie wirkt dort ganz selbstverständlich. Der Couchbezug wurde allerdings von der amerikanischen Künstlerin Pae White entworfen und ist made in America.
Das Kunstwerk verbleibt nach der Ausstellung im Besitz des Hotels. In einem der Zimmer läuft tagsüber ein Video des Rumänen Sebastian Moldovan. Eine sich drehende Tür gewährt Einblicke in verschiedene Wohnräume, in denen der Künstler in den vergangenen Jahren gelebt hat. Die Projektion wird nachts ausgeschaltet, weil der normale Hotelbetrieb als Teil des Konzeptes nicht unterbrochen wird, erläutert Kuratorin Lora Sarıaslan:
"Wir wollten keine vom Ort losgelöste und von nur einigen wenigen bestaunte Biennale schaffen. Die Kunst soll Teil der Melodie der Stadt sein, sodass die Ausstellung nicht das normale Leben der Menschen von Mardin unterbricht."
Das Leben vieler Menschen in Mardin ist hart. Der Besucher der Biennale muss sich den dortigen Mühen des Alltags aussetzen, um die Ausstellung sehen zu können. Das im 16.Jahrhundert erbaute Wohnhaus einer assyrischen Familie etwa ist der größte Ausstellungsort der Mardin Biennale.
Um ihn zu finden, muss der Besucher die Hauptstraße der Altstadt verlassen und in ein Geflecht kleiner Seitenstraßen eintauchen. Die Wege sind abschüssig und voller Geröll, das gebräuchlichste Transportmittel sind Esel, denen auf den Wegen ständig ausgewichen werden muss.
Doch auch wenn feste Schuhe und Abenteuergeist eine Voraussetzung für die Rezeption dieser Ausstellung sind. Der Einsatz lohnt sich. Die Biennale führt an unbekannte Plätze der Altstadt und präsentiert gleichzeitig exzellente zeitgenössische Kunst. Ob die von jedem Mardiner Bürger verstanden wird, darf bezweifelt werden. Wichtiger ist jedoch, dass tatsächlich Dialoge zwischen Besuchern und Einheimischen jenseits rein touristischer Interessen entstehen.