Picasso ist zurück
Langwierige Umbauarbeiten, verschobene Eröffnungstermine, die Direktorin abberufen. Fünf Jahre war die größte Sammlung von Werken des Malers Pablo Picasso nicht zu sehen. Jetzt ist das Musée Picasso in Paris endlich wiedereröffnet worden.
Frisch restauriert strahlt die große Ehrentreppe wieder in ihrer ganzen Pracht. Mit breiten Stufen und einem atemberaubendem Stuckdekor ist sie das architektonische Highlight des Hôtel Salé, des Pariser Stadtpalais, der nun endlich wieder Picasso-Museum ist. Über die prachtvolle Treppe führt Ex-Museumsdirektorin Anne Baldassari durch die von ihr bestückte Eröffnungsausstellung – Titel: "Parcours magistral Picasso", "Meisterlicher Picasso Parcours".
Nach Umbau und Erweiterung sind jetzt auf fünf Etagen inklusive Keller und Dachboden fast doppelt so viele Werke zu sehen wie früher. Knapp 500 Arbeiten hat Anne Baldassari zu einer chronologischen Schau gehängt – von Bildern des 14-jährigen bis zur erotisch aufgeladenen Aktmalerei des 90-jährigen Picasso: Blaue Periode, rosa Periode, Kubismus, Surrealismus, Auseinandersetzung mit dem Krieg, Variationen nach Bildern alter Meister...
Hin und wieder wird diese Chronologie sich immer wieder selbst revolutionierender Kunst aber auch unterbrochen. Ein Raum zum Beispiel zeigt Selbstportraits aus allen Schaffensphasen – eine "Art Manifest", sagt die Kuratorin Anne Baldassari.
"Es ist wichtig, die Kohärenz des Werks zu zeigen, Picassos Integrität als Künstler. Mir geht es darum, seine Arbeit zu respektieren, weder zu urteilen, noch meine persönliche Auswahl zu treffen. Man sucht sich nicht ´seinen Picasso` aus. Man nimmt alles und folgt ihm Schritt für Schritt. Er hatte den Mut zu all diesen Revolutionen. Ein Jahrhundert später können wir versuchen, diesen Mut nachzuvollziehen."
Zum Abschied eine große Museums-Schau
Der Parcours durch Leben und Werk wird ergänzt durch eine wunderbare kleine Präsentation im Dachgeschoss. Die private Kunstsammlung Picassos ist da zu sehen: Bilder, die er liebte, von Renoir, Degas, Cézanne, von Matisse und Rousseau oder so genannte primitive Kunst aus Afrika oder Ozeanien. Anne Baldassari ist eine profunde Kennerin des Werks von Picasso, das sie seit mehr als 20 Jahren intensiv erforscht. Die große Schau zur Museums-Eröffnung sei ihr "Testament", sagt die Ex-Präsidentin des Musée Picasso.
"Ein langer Prozess findet heute einen Abschluss, sagt Anne Baladassari und betont ihre Verdienste: Konzeption, Organisation, Durchführung, Leitung des Museumsumbaus, inklusive seiner Finanzierung durch in alle Welt verkaufte Ausstellungen. Auch die Eröffnungsschau sei allein ihr Werk – von der Hängung über den Katalog bis zu den Plakaten."
Die Auseinandersetzungen der vergangenen Monate hallen nach in den Worten von Anne Baldassari, die bemüht ist, ihre Arbeit optimal zu präsentieren. Kurz vor der Wiedereröffnung war sie als Präsidentin des Musée Picasso von der französischen Kulturministerin abgesetzt worden. Mitarbeiter hatten ihren autoritären Führungsstil kritisiert, von einem "Klima der Angst" war die Rede. Und auch unter französischen und internationalen Museumschefs hatte Baldassari sich Feinde gemacht, weil sie mit Leihgaben aus der Sammlung geizte und statt dessen von ihr kuratierte Ausstellungen in aller Welt verkaufte, um den Umbau des Museums zu finanzieren. Auferstanden aus Skandalen stehen die Zeichen nun auf Neuanfang im Musée Picasso – mit dem neuen Präsidenten Laurent Le Bon, bisher Direktor des Centre Pompidou in Metz.
"Er habe sich entschieden, den Posten gelassen anzutreten", sagt er. "Zur Eröffnung seien jetzt alle glücklich."
Zum Einstand der Abriss einer Pergola
Eine der ersten Amtshandlungen von Laurent Le Bon war übrigens, eine Umbaumaßnahme seiner glücklosen Vorgängerin rückgängig zu machen: Eine ziemlich scheußliche neue Pergola, die den Blick auf die Gartenfassade des Museums verschandelte, ließ Laurent Le Bon wieder abreißen. Das metallene Konstrukt vor dem historischen Stadtpalais erinnerte an ein Baugerüst und schien wie ein Symbol der langen Jahre, während der die Schätze des Musée Picasso unzugänglich waren.
Das Museum sei ein "Bunker im Marais" geworden, schrieb die Zeitung Libération noch im Frühjahr. Jetzt öffnet sich das Haus wieder. Ein Forschungszentrum soll eingerichtet werden, um Kunsthistorikern die Recherchen in Sammlung und Archiven erleichtern. Die Zusammenarbeit mit anderen Museen wird intensiviert. Für den Herbst 2015 ist zum Beispiel im Grand Palais eine Ausstellung geplant über die Bedeutung Picassos für die Gegenwartskunst. Und im Musée Picasso selbst soll dann, zum 30. Geburtstag des Museums, ein neuer Blick auf die Sammlung präsentiert werden. Das Musée Picasso, so Laurent Le Bon, sei schließlich kein Grab.
"Was mich frappiert ist: Man meint immer, alles zu kennen von Picasso. Ich werde oft gefragt, ob ich zeitgenössische Künstler einladen werde. Die Antwort ist nein – der zeitgenössische Künstler ist doch schon da! Mit einem außergewöhnlich vielfältigen Werk; das kritische Werkverzeichnis ist längst nicht fertig. Und jeder Aspekt seines Gesamtwerks ist es wert, neu betrachtet zu werden."