Das Managment des Hotels wirbt mit dem "schlechtesten Ausblick der Welt": Er richtet sich auf die Betonmauer, die die Israel vom Westjordanland trennt. Dieses jüngste Projekt des britischen Street-Art-Künstlers Banksy heißt "The Walled Off Hotel" und hat nur zehn Zimmer. Es liegt bei Bethlehem in unmittelbarer Nähe zur israelischen Sperranlage zwischen Israel und dem Westjordanland. Auf der meterhohen Betonwand hat Banksy bereits mehrere Graffiti hinterlassen. Unter anderem einen Palästinenser, der statt eines Steins einen Blumenstrauss werfen will. Für sein neues Projekt hat der legendäre anonyme Sprayer einen Teil der Hotelzimmer selbst entworfen.
Street Artist Banksy wird Hotelier in Bethlehem
Wer in diesem Hotel bei Bethlehem eincheckt, blickt auf eine Betonmauer. Auf die Mauer, die Israel vom Westjordanland trennt. Der Hotelier ist der britische Street-Art-Künstler Banksy. Wie ist das Projekt zu bewerten - politisches Statement oder Selbstinszenierung?
Der Fotojournalist Kai Wiedenhöfer hält das jüngste Kunstprojekt des britischen Streetart-Künstlers Banksy für ein wichtiges politisches Statement. Wiedenhöfer lobt das Kunstprojekt im Deutschlandradio Kultur, es mache auf die Geschichte des Nahostkonflikts aufmerksam:
"Von Banksy ist es ganz klar ein politisches Statement. Das ist ja auch richtig so. Wir haben ja dieses Jahr am 5. Juni auch 50 Jahre Besatzung. Der Sechs-Tage-Krieg war 1967."
Wiedenhöfer verweist auf UN-Resolutionen, die den Rückzug der Israelis aus den besetzten palästinischen Gebieten forderten und auf die Weisung des Internationalen Gerichtshofs, "dass die Mauer wieder abgebaut wird".
Wiedenhöfer kritisiert zudem, dass die Sperranlage eben gerade nicht zwischen Israel und dem Westjordanland verlaufe:
"Die Mauer steht ja in den besetzten Gebieten und schlägt große Teile von Bethlehem Israel zu."
Gewöhnen könne er sich an diese Mauer und ihre Umgebung trotz seiner jahrelangen Arbeit vor Ort nicht, sagt Wiedenhöfer weiter. Der Bau einer Mauer sei stets ein Ausdruck von Angst und Abschottung:
"Sie entsteht immer da wo man ein Problem nicht lösen kann oder glaubt, nicht lösen zu können, dann baut man eine Mauer und trennt sich ab, also negiert den andern. Aber eine Lösung kann so nicht entstehen. Wo jegliche Kommunikation gestoppt wird, passiert nichts mehr und eine Lösung rückt immer ferner."
Hören Sie zum Thema auch das Gespräch mit dem Korrespondenten Torsten Teichmann. Er bewertet das Projekt kritisch und bemängelt, dass "ein Künstler von außen" die konfliktreiche Lage in Palästina benutzt, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen:
Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Schon für 30 Dollar kann man im neuesten Hotel von Bethlehem ab heute eine Übernachtung buchen, allerdings genießt man dann auch nur eher den Charme einer israelischen Militärbaracke. Wer unter einem echten Banksy schlafen will, muss deutlich mehr ausgeben. Der Street-Art-Künstler, von dem niemand weiß, wer das überhaupt ist, hat das "Walled Off Hotel" gestaltet, das direkt an der Mauer liegt zwischen Israel und Palästina. Die Homepage wirbt deshalb auch mit dem hässlichsten Ausblick der Welt.
Wie hässlich dieser Ausblick tatsächlich ist, weiß der Fotojournalist Kai Wiedenhöfer, der viel an dieser Grenze fotografiert hat, und das Thema Mauern und Grenzen hat ihn immer wieder beschäftigt. Guten Morgen, Herr Wiedenhöfer!
Kai Wiedenhöfer: Ja, guten Morgen!
Welty: Können Sie sich vorstellen, in diesem Hotel zu übernachten, auch wenn direkt vor dem Fenster ne Mauer steht?
Wiedenhöfer: Na ja, für mich ist das eigentlich Routine geworden. Seit 2003 hab ich halt, ja, weltweit etwa – Gott, oh Gott, ich weiß nicht – fast drei Jahre zugebracht damit, Mauern zu fotografieren, also direkt vor Ort.
Welty: Das heißt, man kann sich wirklich an den Anblick von Mauern gewöhnen?
Wiedenhöfer: Nee, gewöhnen nicht, aber ich weiß, wie es aussieht, das schon.
Welty: Wie sieht es denn aus, beschreiben Sie das uns ein bisschen.
Wiedenhöfer: Kurz noch eine kleine Einfügung: Es ist nicht … das liegt beides in besetzten Gebieten. Also das, was in der Presse immer kolportiert wird, dass auf der einen Seite die Israelis sind und auf der anderen Seite die Palästinenser, ist zum Großteil Unsinn. So ist es auch in Bethlehem. Die Mauer steht ja in den besetzten Gebieten und schlägt große Teile von Bethlehem Israel zu. Also das muss man … Wie gesagt, diese Abtrennung stimmt nicht.
Es ist praktisch so, aus Jerusalem raus läuft die Mauer wie so eine Sprechblase praktisch nach Bethlehem rein, und da gibt es Rachel's Tomb, also Abrahams Frau ist da begraben angeblich – ist sie natürlich nicht, aber so wurde gesagt –, und man schlägt dieses Grab von Rachel praktisch Israel zu, und zum Schluss von dieser Sprechblase praktisch, wo dieses Grab ist, wenn man da steht, da ist die Mauer also links und rechts, man steht praktisch auf einer Straße und hat links und rechts die Mauer. Das ist dann nur zehn Meter breit, und zu jeder Seite hat man die Mauer mit einer Höhe von etwa neun Metern.
Welty: Das ist aber schon ein ziemlicher Trumm.
Wiedenhöfer: Ja, das ist auch für mich sehr … Es ist sehr klaustrophobisch, wenn man innen drin steht, also jetzt nicht sozusagen auf Banksy-Seite, sondern wenn man diesem Grab drinsteht.
Welty: Im Shop, der zum Hotel gehört, dem "Wall-Mart", soll demnächst alles angeboten werden, was der Sprayer von heute so braucht, gleichzeitig warnen die Hotelbetreiber, dass Graffitis auch an dieser Stelle illegal sind. Mal abgesehen von dieser juristischen Dimension, wie empfinden Sie das Besprühen einer solchen Mauer, ist das mehr ein ästhetischer Akt oder dann doch eben vor allem ein politisches Statement?
"Für Banksy ist es ganz klar ein politisches Statement"
Wiedenhöfer: Na ja, für Banksy ist es ganz klar ein politisches Statement, das ist ja auch richtig so. Wir haben ja dieses Jahr dann am 5. Juni auch 50 Jahre Besatzung, also der Sechstagekrieg, der war 1967, und da gibt es natürlich auch die UN-Resolutionen 242 und 338, die ganz klar den Rückzug der Israelis aus den besetzten palästinensischen Gebieten fordern. Es gibt auch die Weisung von Internationalen Gerichtshof 1677, die eigentlich verlangt, dass die Mauer wieder abgebaut wird.
Aber für viele Touristen, die jetzt da hinkommen, ist es natürlich auch … wenn man früher an die Berliner Mauer gegangen ist, man sprüht halt mal was hin und Kai was here oder sonst was. Also die meisten, viele von den Graffitis sind halt auch mehr so Graffitis ohne tieferen politischen Sinn jetzt.
Welty: Was passiert denn mit einer Mauer, wenn sie besprüht, bemalt oder sonst wie gestaltet wird, verliert sie dadurch tatsächlich einen Teil des Schreckens?
Wiedenhöfer: Nee, das eigentlich nicht, weil das ist jetzt nicht so vollflächig. Die Israelis haben in einem anderen Teil versucht, wirklich Hausfassaden also jetzt nicht nur aufzumalen, sondern … Also die meisten Häuser in Jerusalem sind mit Kalkstein zumindest verplattet, also wie Kacheln praktisch, und man hat dann diese Häuserfassaden praktisch auf die Mauer aufgetragen, um den Anblick irgendwie erträglicher zu machen. Das wurde dann aber eingestellt. Da gibt es noch so hundert Meter, wo das mal testweise versucht wurde.
Und das andere ist auch, also Teile, wo viel politische Graffitis sind, wo viele Touristen hinkommen, speziell in Jerusalem, das malen die Israelis dann auch wieder mit grauer Farbe zu. Sie haben eine Farbe angemischt, die dann genau dem Betongrau entspricht.
Welty: Also die Mauer wird auf die Mauer gemalt quasi.
Wiedenhöfer: Die graue Mauer wird auch noch mal grau angemalt.
Welty: Sie haben ja 1989 den Fall der Berliner Mauer erlebt, lässt sich vor diesem Hintergrund erklären, warum Mauern nicht nur im Nahen Osten eine solche Renaissance erleben?
Wiedenhöfer: Nee, eigentlich genau das Umgekehrte. Ich meine, was wir irgendwie aus dem Fall der Berliner Mauer ja eigentlich lernen können, ist, dass eben Frieden da entsteht, wo Mauern fallen und nicht, wo sie gebaut werden. Weil die Berliner Mauer war ja mehr oder weniger das Symbol für den größten politischen Konflikt, der uns vielleicht, wie gesagt, an den Rand eines dritten Weltkriegs gebracht hätte.
Also von dem her ist ja die Mauer immer ein negatives Symbol, und sie entsteht ja eigentlich auch immer da, wo man ein Problem nicht lösen kann oder glaubt, es nicht lösen zu können. Dann baut man eine Mauer und trennt sich ab, also negiert den anderen, aber eine Lösung kann ja nicht entstehen, weil da, wo jegliche Kommunikation ja irgendwie gestoppt wird, passiert nichts mehr und eine Lösung rückt eigentlich immer ferner.
Welty: Glauben Sie noch an eine Welt ohne Mauern?
"Sie werden fallen nach und nach"
Wiedenhöfer: Na ja, sie werden halt fallen nach und nach. Ich meine, ob wir eine chinesische Mauer haben oder den Limes oder Hadrian's Wall, wenn man durch die Geschichte durchgeht, die Reiche, die Mauern gebaut haben, sind dann meistens auch gefallen. Und oft ist es ja auch nur eine Symbolik, also an der amerikanisch-mexikanischen Grenze zum Beispiel. Es hält niemanden auf, es ist bloß so Road Bump, wenn man …
Welty: Ein Hindernis auf dem Weg.
Wiedenhöfer: Es ist einfach nur so ein kleines Hindernis, wo man drübergeht. … Die Senatorin für Homeland Security, ich hab jetzt ihren Namen gerade vergessen, die hat auch gemeint, zeigt mir eine 50 Fuß hohe Mauer und ich zeig dir eine 51 Fuß hohe Leiter, dann ist man drüber. Und es ist auch so, wenn man jetzt wirklich da ist, ein Mexikaner braucht 45 Sekunden, um über diesen Vier-Meter-Zaun zu klettern, da geht, das geht im Nullkommanichts.
Welty: Der Fotojournalist Kai Wiedenhöfer über Mauern und ihre politische wie ästhetische Dimension. Ab heute können Übernachtungen direkt an der Mauer in Bethlehem gebucht werden. Der Street-Art-Künstler Banksy hat dort ein Hotel gestaltet. Herr Wiedenhöfer, haben Sie Dank für das Gespräch!
Wiedenhöfer: Ja, danke auch, noch einen schönen Tag!
Welty: Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.