Kunst trifft Kommerz
Der Kunstmarkt boomt, Sammler und Anleger treiben die Preise in die Höhe. Wie dieser Markt funktioniert, zeigt Piroschka Dossi in "Hype! Kunst und Geld". Ihr ernüchterndes Fazit: Gier ist der Treibstoff des Kunstmarkts, und die Preise haben mit dem Wert der Werke nichts mehr zu tun.
"Er liebt die Kunst wie ein Wolf die Lämmer." Der britische Maler Sean Scully hat das gesagt. Er meinte den Londoner Werbemogul und Kunstsammler Charles Saatchi, der zu Beginn der 90er Jahre begann, Werke des Künstlers Damien Hirst zu sammeln, um schließlich eine ganze Künstlergruppe – von ihm "Young British Artists" genannt – um Hirst zu gruppieren, zu fördern – und, ja, zu "hypen". Hirsts in Formaldehyd eingelegten Tigerhai erwarb Saatchi 1991 für 50.000 Pfund. Der Fang sollte ihm eine jährliche Rendite von 41 Prozent bescheren. 2005 verkaufte er ihn an den amerikanischen Hedge-Fonds-Manager Steven Cohen – für acht Millionen Dollar.
Es ist eine von vielen, vielen Geschichten, die Piroschka Dossi in ihrem Buch "Hype" erzählt – und es sind diese Geschichten, die die spannendsten Einblicke in die Mechanismen eines boomenden Kunstmarkts gewähren. "Hype" – das heißt im Englischen soviel wie Trick, Wirbel, Medienrummel um ein Produkt. Wer auf diesem Markt trickst, wer wirbelt – und wie das Kunstwerk zu seinem horrenden Preis kommt – das sind Fragen, die die Autorin stellt. Und auch beantwortet.
Sie tut das, indem sie eine Typologie der Marktteilnehmer entwickelt: Der Sammler. Der Händler. Der Künstler. Um zu zeigen, was diese jeweils antreibt, zieht Piroschka Dossi eine Vielzahl von Fachdisziplinen zu Rate: So blickt sie zurück auf die Geschichte des Kunsthandels – und kann mit erstaunlichen Parallelen zwischen dem heutigen Markt und den Salons des späten 19. Jahrhunderts aufwarten. Sie zieht ökonomische Modelle heran – und erklärt anschaulich und verständlich, wie sich die Spekulation mit der Gegenwartskunst aus der Sicht von Hedgefonds-Managern wie Steven Cohen darstellt – und welche Gedanken das schöne Wort "Fantasie", das kunstsinnige Menschen im allgemeinen recht poetisch interpretieren, in den Köpfen solcher Turbo-Kapitalisten freisetzt.
Und dennoch: Wenn es darum geht, die Antriebskräfte des Hypes auf dem Kunstmarkt aufzuspüren, dann verlässt sich die Autorin am liebsten auf eine weitere Disziplin - die Psychologie. Was Sammler und Händler da im tiefsten Grunde ihrer Seele an die Objekte ihrer Begierde fesselt, das benennt Piroschka Dossi so glasklar, dass man schon wieder skeptisch werden möchte: "Gier ist der Treibstoff des Kunstmarkts", heißt es da ganz pauschal – und man zuckt angesichts der Kollektiv-Ferndiagnose doch ein bisschen zusammen.
Die Frage, wie das Kunstwerk denn nun zu seinem Preis kommt, beantwortet Dossi recht einfach: Wie teuer ein Pollock, ein Gursky, ein Rauch unter den Hammer kommen oder über den Kojentisch gehen – habe nichts, aber auch gar nichts mit der Qualität des jeweiligen Werks zu tun, sondern schlicht mit der Summe des Geldes, die gerade in diesen Markt fließt. Wie sollte auch ein Börsenmanager, der mit Bezug auf Kunstwerke den Begriff "wall power" im Munde führt, die Qualität eines Kippenberger beurteilen können?
Eine weitere spannende Frage, die das Buch klar beantwortet: Wie groß ist der Einfluss der privaten Sammler auf die öffentlichen Museen bereits? Sehr groß – viel zu groß, sagt Dossi – und erzählt die Geschichte von dem britischen Reporter, der vier großen renommierten britischen Museen erzählt, er sei ein vermögender Industrieller und zahle ihnen eine Million Pfund, wenn sie ein Selbstporträt von ihm ausstellen würden. Drei der vier Häuser erteilten dem Werk unbesehen ihren musealen Segen. Nur ein Museum wollte das Werk zuvor noch besichtigen.
Das Buch von Piroschka Dossi ist deshalb so lesenswert, weil es einer breiten Öffentlichkeit klar und verständlich Einblicke in einen Markt gewährt, der eben solche Klarsicht gern vernebelt. Vornehmlich, indem das Marktgeschehen glamourös hinter der Fassade eines elitären, bildungsbeflissenen Kunstbetriebs versteckt wird. Diese Fassade aufzusprengen ist ein Verdienst der Autorin. Ein weiterer: Dass sie sich zu diesem Zweck einer Sprache bedient, die im besten Sinne unakademisch ist – bildhaft, gewitzt und einfach wunderbar lesbar.
Rezensiert von Alexandra Mangel
Piroschka Dossi: Hype! Kunst und Geld
Deutscher Taschenbuchverlag, München 2007
259 Seiten, 14,50 Euro
Es ist eine von vielen, vielen Geschichten, die Piroschka Dossi in ihrem Buch "Hype" erzählt – und es sind diese Geschichten, die die spannendsten Einblicke in die Mechanismen eines boomenden Kunstmarkts gewähren. "Hype" – das heißt im Englischen soviel wie Trick, Wirbel, Medienrummel um ein Produkt. Wer auf diesem Markt trickst, wer wirbelt – und wie das Kunstwerk zu seinem horrenden Preis kommt – das sind Fragen, die die Autorin stellt. Und auch beantwortet.
Sie tut das, indem sie eine Typologie der Marktteilnehmer entwickelt: Der Sammler. Der Händler. Der Künstler. Um zu zeigen, was diese jeweils antreibt, zieht Piroschka Dossi eine Vielzahl von Fachdisziplinen zu Rate: So blickt sie zurück auf die Geschichte des Kunsthandels – und kann mit erstaunlichen Parallelen zwischen dem heutigen Markt und den Salons des späten 19. Jahrhunderts aufwarten. Sie zieht ökonomische Modelle heran – und erklärt anschaulich und verständlich, wie sich die Spekulation mit der Gegenwartskunst aus der Sicht von Hedgefonds-Managern wie Steven Cohen darstellt – und welche Gedanken das schöne Wort "Fantasie", das kunstsinnige Menschen im allgemeinen recht poetisch interpretieren, in den Köpfen solcher Turbo-Kapitalisten freisetzt.
Und dennoch: Wenn es darum geht, die Antriebskräfte des Hypes auf dem Kunstmarkt aufzuspüren, dann verlässt sich die Autorin am liebsten auf eine weitere Disziplin - die Psychologie. Was Sammler und Händler da im tiefsten Grunde ihrer Seele an die Objekte ihrer Begierde fesselt, das benennt Piroschka Dossi so glasklar, dass man schon wieder skeptisch werden möchte: "Gier ist der Treibstoff des Kunstmarkts", heißt es da ganz pauschal – und man zuckt angesichts der Kollektiv-Ferndiagnose doch ein bisschen zusammen.
Die Frage, wie das Kunstwerk denn nun zu seinem Preis kommt, beantwortet Dossi recht einfach: Wie teuer ein Pollock, ein Gursky, ein Rauch unter den Hammer kommen oder über den Kojentisch gehen – habe nichts, aber auch gar nichts mit der Qualität des jeweiligen Werks zu tun, sondern schlicht mit der Summe des Geldes, die gerade in diesen Markt fließt. Wie sollte auch ein Börsenmanager, der mit Bezug auf Kunstwerke den Begriff "wall power" im Munde führt, die Qualität eines Kippenberger beurteilen können?
Eine weitere spannende Frage, die das Buch klar beantwortet: Wie groß ist der Einfluss der privaten Sammler auf die öffentlichen Museen bereits? Sehr groß – viel zu groß, sagt Dossi – und erzählt die Geschichte von dem britischen Reporter, der vier großen renommierten britischen Museen erzählt, er sei ein vermögender Industrieller und zahle ihnen eine Million Pfund, wenn sie ein Selbstporträt von ihm ausstellen würden. Drei der vier Häuser erteilten dem Werk unbesehen ihren musealen Segen. Nur ein Museum wollte das Werk zuvor noch besichtigen.
Das Buch von Piroschka Dossi ist deshalb so lesenswert, weil es einer breiten Öffentlichkeit klar und verständlich Einblicke in einen Markt gewährt, der eben solche Klarsicht gern vernebelt. Vornehmlich, indem das Marktgeschehen glamourös hinter der Fassade eines elitären, bildungsbeflissenen Kunstbetriebs versteckt wird. Diese Fassade aufzusprengen ist ein Verdienst der Autorin. Ein weiterer: Dass sie sich zu diesem Zweck einer Sprache bedient, die im besten Sinne unakademisch ist – bildhaft, gewitzt und einfach wunderbar lesbar.
Rezensiert von Alexandra Mangel
Piroschka Dossi: Hype! Kunst und Geld
Deutscher Taschenbuchverlag, München 2007
259 Seiten, 14,50 Euro