Kunst und Glaube

Von Gerrit Stratmann |
Die Kirche und das Christentum haben in ihrer Geschichte die Schöpfung vieler Kunstgegenstände angeregt. Biblische Motive haben Künstler inspiriert, und oft war die Kirche selbst Auftraggeberin solcher Werke. Das Diözesanmuseum in Paderborn widmet sich ausschließlich dieser christlichen Kirchenkunst.
"Wir sammeln Hochkunst, aber auch alles das, was volksfrommes Kunstgut ist, das heißt also, was ohne allzu großen Kunstanspruch aus dieser intensiven Frömmigkeitshaltung heraus entstanden ist, und da kommen ganz interessante und spannende Komplexe hier in der Sammlung zusammen."

So umreißt Christoph Stiegemann, Direktor des Diözesanmuseums Paderborn, die Bandbreite des bischöflichen Museums. Unmöglich über diese Sammlung zu sprechen, ohne ein paar Worte über das Museum selbst zu verlieren, diesen Neubau, der sich dreigeschossig, schwarz und mächtig wie ein Fremdkörper in der Altstadt direkt am Fuße des Paderborner Doms erhebt.

"Bis zum Krieg standen hier kleinteilige Fachwerkhäuser, das Ganze hatte eine sehr malerische Anmutung, und das Haus heute, das hat Gottfried Böhm gebaut. Ein Bauwerk, was 1967/68 in die Planung ging, 75 fertiggestellt war, ein großer, frei tragender, mit Blei verkleideter Baukörper, der hier auf der Südwestseite des Domturmes steht."

Der Ruhm des Museums reicht bis in die Literatur. Robert Gernhardt hat dem Bau ein eigenes Gedicht gewidmet mit dem Titel "Als er zum wiederholten Male das Diözesanmuseum sah". Museumspädagogin Simone Buckreus zitiert es, hin- und hergerissen zwischen Bedauern und Verständnis für den Blick des Dichters.

"Paderborn, arme Stadt / wie er dich verschandelt hat / dieser Architekt.
Hat dir dreist den Dom verstellt / kriegte dafür auch noch Geld / dass er den versteckt. / Architekten, holt Freund Hein! / Aber so ein Werk aus Stein / bleibt im Fleisch ein Dorn. / Macht in alle Ewigkeit / sich vor Turm und Kirche breit. / Arme Stadt Paderborn."

Die Stadt scheint mit diesem Zeugnis moderner Architektur jedoch längst ihren Frieden gemacht zu haben und zählt das Gebäude selbstbewusst zu den wichtigsten Museumsneubauten nach 1945 in der Bundesrepublik. Dabei ist die Sammlung selbst eigentlich sehr viel älter. Bereits 1853 wurde sie vom ersten Diözesan-Kunstverein in Deutschland gegründet, aber bereits nach 15 Jahren wieder aufgelöst. Zum zweiten Mal wurde sie 1913 eröffnet. Seitdem wächst ihr Bestand stetig.

Stiegemann: "Die Sammlung umfasst gut 18.000 Objekte, wir haben in der Schausammlung gut 1000, die wir zeigen, und wir haben große Depots."
Den Schwerpunkt der Sammlung bilden die Madonnenstatuen. Auf dem breiten Gang einer Empore des theaterförmigen Innenraums sind Marienskulpturen aus acht Jahrhunderten aufgereiht. Im Zentrum an der Stirnseite thront die etwa ein Meter hohe Imad-Madonna aus der Zeit des gleichnamigen Bischofs. Sie ist das älteste Stück des Museums. Die schlichte Figur, aus einem einzigen Stück Holz geschnitzt, stammt aus der Mitte des elften Jahrhunderts und überlebte damals einen Kirchenbrand.

Mit dem Inventar aus den Depots könnten mühelos fünf weitere Museen bestückt werden, und jede Woche kommen mehr Stücke hinzu. Christoph Stiegemann hat dafür eine einfache Erklärung.

Stiegmann: "Die Dinge verlieren ihre Funktion. Wir haben in den Kirchen die Situation, dass zum Beispiel die Beichtstühle keine Rolle mehr spielen. Oder Kanzeln: dass der Priester auf die Kanzel steigt und predigt, hat sich ja heute völlig verändert, und deshalb wurden Kanzeln reihenweise aus den Kirchen heraus befördert. Die gingen dann in der Regel durch die Kreissäge in die Abfallcontainer, und nur wenige, wo wir dann eben den Daumen haben draufhalten können, haben sich erhalten, aber da können Sie jetzt zum Beispiel 10, 15 Kanzeln notdürftig aufgebaut in den Depots sehen."

Die Depots sind allerdings nicht für den Publikumsverkehr geöffnet. Nur selten, erklärt Simone Buckreus, finden einzelne Stücke daraus den Weg in die Ausstellung.

"Wir haben einmal im Monat mittwochs so eine kleine Veranstaltung, das Kunstwerk des Monats, und da kommen auch schon mal Stücke aus dem Depot, die man sonst nicht zu sehen bekommt, die werden dann hier einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt, aber eigentlich die Sammlung, so wie sie hier steht, ist schon fix."

Viele der Ausstellungsstücke sind Dauerleihgaben aus den umliegenden Pfarreien. Die Wertvollsten sind im Keller in den alten Gewölben untergebracht.

Das Museum steht über den Resten eines alten Bischofspalastes aus dem 11. Jahrhundert. Hier, in der Schatzkammer, lagert auch der Domschatz.

Stiegemann: "Ja, also der Domschatz hat natürlich ein Herzstück, und das ist der Schrein des heiligen Liborius. Der heilige Liborius ist der Dom-, Stadt und Bistumspatron und seine Gebeine werden seit 836 hier in Paderborn verwahrt und verehrt."

Der himmlische Beistand war für die Stadt, die zu Zeiten Karls des Großen am Rande der erschlossenen Welt lag, so wichtig, dass eigens in Frankreich um eine heilige Reliquie ersucht wurde.

Stiegemann: "Und der Bischof Badurad hat 836 an seinen Amtskollegen Alderich in Le Mans eine Delegation entsandt und um einen heiligen Leib gebeten. Egal welchen, Hauptsache einen ganzen."

Des heiligen Liborius wird auch heute noch gedacht, wenn der ganz in Gold gefasste Silberschrein mit seinen Gebeinen zum sommerlichen Libori-Fest in Paderborn durch die Stadt getragen wird. Christoph Stiegemann und das Museum halten sein Andenken und das der vielfältigen anderen kirchlichen Zeugnisse mit wechselnden Sonderausstellungen weiterhin in Ehren. So, wie es der Gründungsauftrag vorsieht.

Stiegemann: "Es geht so viel an christlichem Kunstgut verloren, dass es an der Zeit ist, dass wir die Dinge bewahren."

In Kooperation mit dem Deutschen Museumsbund stellt Deutschlandradio Kultur im Radiofeuilleton jeden Freitag gegen 10:50 Uhr im "Profil" ein deutsches Regionalmuseum vor. In dieser Reihe wollen wir zeigen, dass auch und gerade die kleineren und mittleren Museen Deutschlands unerwartete Schätze haben, die es sicht lohnt, überregional bekannt zu machen und natürlich auch zu besuchen.