38 Jahre Zensur im Namen des Islam
Der preisgekrönte iranische Filmemacher Jafar Panahi hat bis 2030 Berufsverbot. Ein prominentes Opfer, das zeigt: Die Kunstfreiheit endet im Iran seit 1979 da, wo religiöse Führer "Grundlagen des Islams" verletzt sehen. Kulturschaffende rebellieren leise.
Das Volk der Dichter und Denker sind im Nahen Osten die Iraner. Viele europäische Literaten – allen voran der Deutsche Johann Wolfgang von Goethe - haben sich von persischen Vorbildern inspirieren lassen.
Ferdusi, Hafez, Rumi, Omar Khayyam, Saadi, Nizami haben der Welt beispiellose Schätze der Weisheit, der Dichtkunst und der Erkenntnis geschenkt. Doch das iranische Volk der Dichter und Denker verstumme, klagt die Teheraner Verlegerin Shahla Lahidji. Das zeige sich auf viele Weisen, nicht nur am Berufsverbot für den Filmemacher Panahi.
In der Islamischen Republik Iran werde auch immer weniger gelesen, geschrieben und übersetzt.
"Der Abstand zur Weltliteratur vergrößert sich. Wir verstehen Tag für Tag weniger, was in der Welt vor sich geht."
"Die Leser halten Bücher nicht mehr für vertrauenswürdig. Sie glauben, das Leben ist aus den Büchern herausgewaschen worden. Bücher seien im religiösen Sinne gereinigt worden."
"Herrschaft im Islam ist ideologisch"
1983 hat die heute 75-jährige Shahla Lahidji als erste Frau in der Islamischen Republik einen Verlag gegründet. Der Verlagsname "Roshangarān" bedeutet Aufklärer. Mehr als 2000 Bücher hat Shahla Lahidji veröffentlicht. Und immer wieder hat sie sich mit einem beherrschenden Thema herumschlagen müssen: Der Zensur, die es laut Artikel 24 der Verfassung der Islamischen Republik Iran gar nicht geben dürfte:
"Die Meinungsfreiheit in Publikation und Presse wird gewährleistet..."
Das klingt vielversprechend. Allerdings heißt es weiter:
"… es sei denn, die Grundlagen des Islams und die Rechte der Öffentlichkeit werden beeinträchtigt."
Diese "Grundlagen des Islams" sollen im Iran seit mehr als 38 Jahren die Richtschnur im Leben, in Politik, Wirtschaft und Kultur sein. Viele Artikel der weltlichen Verfassung der Islamischen Republik Iran versprechen Grundrechte und Freiheiten nur unter Vorbehalt. Geistlichen ist es vorbehalten zu definieren, worin genau die "islamischen Grundlagen" bestehen.
"Die Herrschaft im Iran ist ideologisch - wie einst die ideologische Herrschaft von Stalin, von Hitler und von Franco in Spanien."
Urteilt Sadegh Zibakalam. Der Politikwissenschaftler von der Uni Teheran ist einer der profiliertesten liberalen Intellektuellen im Iran. Die Ideologie der Herrscher Irans, so Zibakalam, sei ein Schutzwall gegen westlichen Einfluss und Kultur.
Die Adaption westlicher Kultur wäre ein Eingeständnis, dass die eigene Ideologie gescheitert sei, folgert der Politikwissenschaftler.
Iranische Führer sind sich uneins
Um den Einfluss des Westens sowie den Drang nach künstlerischer und damit auch politischer Freiheit möglichst gering zu halten, greifen die iranischen Machthaber unterschiedlich intensiv und folgenschwer in alle Lebensbereiche ein.
"Wir dürfen nicht vergessen und alle sollen es wissen: Kunst ist nicht gefährlich und Künstler gefährden nicht die Sicherheit des Landes."
Das sagt Hassan Rohani, der siebte Präsident der Islamischen Republik Iran.
Und noch etwas sagt er:
"Zensur darf nur gesetzmäßig und eindeutig sein. Wenn die Gesetze dazu nicht klar sind, müssen wir eben transparente Gesetze erlassen, wodurch alle ihre Aufgaben und Grenzen genau erkennen."
Hassan Rohani ist Mitte Mai vom Volk mit deutlicher Mehrheit im Amt des Präsidenten bestätigt worden. In den mehr als vier Jahren seiner Amtszeit hat der Geistliche im Range eines Hodschatolislam viele druckreife Sätze für die Galerie gesprochen. Er hat viel versprochen, aber viel weniger als er in Aussicht gestellt hat, auch einlösen können.
"Kunst ohne Freiheit gibt keinen Sinn und die Schaffungskraft ist nur mit Freiheitsliebe möglich."
Es mag dem 68-Jährigen nicht an guter Absicht mangeln. Aber Hassan Rohani ist nur ein Gleicher unter Gleichen im Machtgetriebe der Islamischen Republik Iran und sein Einfluss ist begrenzt. "Gleicher" und mächtiger ist Revolutionsführer Ali Khamenei.
Der 77-jährige Ayatollah ist Irans starker Mann. Er setzt den Kurs in allen wichtigen politischen und gesellschaftlichen Fragen des Landes. Er ist der erste Bannerträger einer doktrinären Ideologie der Abschottung:
"Heute ist das Infiltrieren durch den Feind eine der größten Bedrohungen für das Land. Wirtschaftlicher Einfluss ist möglich, aber der ist vergleichsweise bedeutungslos. Die Infiltrierung unseres Sicherheitssystems ist auch möglich. Aber das ist ebenfalls nicht von großer Bedeutung. Im Vergleich zur kulturellen, intellektuellen und politischen Einflussnahme, besitzen die anderen Bereiche wenig Bedeutung."
"Der Feind versucht im Kulturbereich Werte, die zum Erhalt des Landes beitragen, infrage zu stellen, zu schwächen und durch seine eigenen Werte zu ersetzen."
Gegen den vom Obersten Rechtsgelehrten bevorzugten erzkonservativen Bewerber Ebrahim Raisi hat Hassan Rohani mit großem Abstand die Präsidentenwahl gewonnen. Rohani wurde gewählt, weil er mehr bürgerliche Rechte, eine Öffnung zur Welt und mehr Freiheit in Bildung und Kultur versprochen hat. Immer wieder warnt Rohani vor den Gefahren, die von gesellschaftlichen Rissen und sozialen Verwerfungen in seinem Land ausgehen.
"In unserer heutigen Gesellschaft sind die sozialen Probleme die eigentlichen Gefahren. Von Armut über Prostitution bis zum allgemeinen Misstrauen in der Gesellschaft und der Korruption in der Wirtschaft."
Jeder vierte junge Iraner ist arbeitslos
Tatsächlich hat der Iran massive soziale Probleme. Bis zu acht Millionen Menschen, so schätzen Experten, könnten direkt oder indirekt von Drogensucht betroffen sein; die Zahl der Ehescheidungen hat sich binnen fünf Jahren laut dem Innenministerium auf 36 Prozent mehr als verdoppelt, die Arbeitslosigkeit steht offiziell bei 12,5 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit liegt zwischen 25-30 Prozent; Transparency International listet den Iran in Sachen Korruption auf Platz 130 von 168.
Die Bedrohung der Gesellschaft gehe angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung nicht von Künstlern aus, betont Präsident Rohani. Künstler sollten Symbole der Freude, der Hoffnung und der nationalen Einheit sein.
Künstler leiden unter mehreren Zensur-Ebenen
Die Worte hören sie wohl, die Autoren, Maler, Regisseure, Musiker, Komponisten und Verleger. Doch leider gebe es im Iran auch mehr als 38 Jahre nach der Revolution keine Freiheit der Kunst, stellt die Rechtsanwältin und Menschenrechtlerin Nasrin Sotoudeh ernüchtert fest.
"Die Künstler leben in einem Klima der Unsicherheit. Nur wenn ein Künstler auf sicheren Beinen steht, kann er auch solide Kunstwerke schaffen."
Zensur finde im Iran auf vielen Ebenen statt, weiß die Verlegerin Shahla Lahidji.
"Zuerst zensiert sich der Autor selbst, weil er so wenige Probleme wie möglich haben möchte. Dann folgt der Verleger. Das macht er entweder mit oder ohne Erlaubnis des Autors, oder er setzt ihn unter Druck, um Ärger mit dem Ministerium zu vermeiden. Danach zensiert schließlich noch das Ministerium."
Das Ministerium für Kultur und Islamische Rechtleitung – Ershad genannt – achtet darauf, dass sich keine unerwünschten Einflüsse im Iran breit machen. Mahmoud Dolatabādi gehört zu den international renommiertesten Schriftstellern Irans. Etliche seiner Bücher sind auf Deutsch erschienen. Im Iran sind sie meist nicht erhältlich.
"Ständig fordere ich die Herrschaft dazu auf, Druckgenehmigungen für Bücher zu erteilen. Literatur führt zu keiner materiellen Veränderung. Kein Buch hat einen Regimewechsel bewirkt. Lasst doch die Bücher erscheinen und erlaubt den Menschen zu sagen, was sie sagen wollen."
"Wir entfernen uns von dieser Welt"
Die in der Praxis umfangreich geübte Zensur zeige Wirkung, beklagt die Verlegerin Lahidji. Der iranischen Gegenwartsliteratur fehle es an Inhalt, Reiz und Tiefgang. Sie habe den Anschluss sowohl an die eigenen Leser als auch an die Welt der Literatur verpasst.
"Die großen Werke der Weltliteratur erzählten vom Leben. Wenn man das Leben aus den Werken herausnehme, bleibe nichts übrig, stellt die Verlegerin bedauernd fest."
"Das Leben besteht aus Gut und Böse. Es gibt im Leben Sex, Liebesbeziehungen, Hass und Liebe, töten und getötet werden und vieles mehr. Wenn wir über all das nicht schreiben und so etwas auch nicht übersetzen dürfen, dann entfernen wir uns von dieser Welt."
Trotz aller Einschränkungen - die knapp 80 Millionen Iraner leben nicht im Tal der Ahnungslosen. Das Internet wird zwar gefiltert, Satellitenschüsseln werden zertrümmert, leistungsstarke Störsender – im Iran Parasit genannt – sollen den Empfang von ausländischen Satellitenkanälen verhindern.
Doch viele Menschen wissen Bescheid. Sie verstehen es, sich zu informieren und sie wissen, was in der Welt vor sich geht. Junge Leute stehen trotz offizieller Ablehnung auf westliche Musik, sie mögen in Berlin, London oder New York gesetzte Trends und kommunizieren mit gleichaltrigen diesseits und jenseits der iranischen Grenzen.
Sie machen modernes und zeitgemäßes Theater: Nasim Samani hat in Teheran eine auf iranische Verhältnisse zugeschnittene Version des Schweizer Nationalhelden Wilhelm Tell auf die Bühne gebracht.
"Unsere Arbeit ist Kunst. Wir wollten kein politisches Stück auf die Bühne bringen. Wir haben uns auf das Künstlerische konzentriert; wie z. B. ein Schauspieler sich bewegen soll, wie sollen wir Wilhelm Tell verkürzen oder mit unserer eigenen Kultur in Verbindung bringen etc.? Wir haben kein politisches Werk geschaffen, aber jeder Moment unseres Lebens hier ist eigentlich ein Politikum."
Weil sie im Iran lebe, seien ihr die roten Linien bewusst, verdeutlicht die Theaterregisseurin Nasim Saman. Das Ergebnis sei eine ständig geübte Selbstzensur.
"Man arbeitet mit der Zensur und das ganze Stück ist im Grunde ein Produkt geübter Zensur."
Es gebe ungeschriebene Regeln der Zensur, beschreibt auch die Verlegerin Shahla Lahidji, und sie nennt ein Beispiel: Ein Mann und eine Frau lieben sich. Damit die Geschichte gedruckt wird, dürfen sie nicht unverheiratet sein. Deshalb wurde der Verlag dazu aufgefordert, die beiden als verheiratet darzustellen
"Wir dürfen Geschichten nicht zu Ende erzählen"
Gleiche Erfahrungen macht auch die Filmregisseurin Manishe Hekmat. Sie hat vor knapp 15 Jahren mit dem sozialkritischen Film "Zendān-e Zanān - Das Frauengefängnis" einen Kassenschlager gelandet. Zwei Jahre durfte der Streifen nach Fertigstellung nicht gezeigt werden. Dann kam er in die Kinos und wurde ein Publikumsrenner. Das war während der Präsidentschaft des Reformers Mohammed Khatami.
Heute darf "Das Frauengefängnis" im Iran nicht mehr verkauft werden. Die Liste der Tabuthemen, stellt Manishe Hekmat bitter fest, werde immer länger, inhaltsvolle Filme zu realisieren, gestalte sich für unabhängige Filmemacher immer schwieriger.
"Tabuthemen sind Drogensucht, Aids, Scheidung, Ehebruch. Man fängt an, eine Geschichte, ein Drama zu erzählen. Aber wir dürfen die Geschichte nicht in unserem Sinne zu Ende erzählen. Irgendwo müssen wir aufhören. Wir schneiden ein Problem an, können aber nicht sagen und zeigen, wie es zu Ende geht."
Am bedrohlichsten empfindet die Verlegerin Lahidji, dass das Kulturniveau Irans immer tiefer sinke. Die Literatur werde immer oberflächlicher. Es würden Bücher aufgelegt, die literarisch gesehen ziemlich wertlos seien. Bücher wie "Wer aß meinen Käse?", "Wie kommt man schnell zu Geld?", oder "Management in 5 Minuten".
Drei Bücher hat Shahla Lahidji selbst geschrieben: Über Frauen in der iranischen Geschichte, Frauen in der Kunst und Frauen auf der Suche nach Freiheit. Jedes Mal musste sie um die Veröffentlichung hart kämpfen.
"Es gibt keinen festen Maßstab für Zensur. Es hängt weitgehend vom Sachbearbeiter ab. Wir sind seinem Geschmack ausgeliefert, denn das Gesetz verbietet Zensur ja im Grunde. Wir wissen nicht, was eigentlich verboten ist. Es hängt vom Zensor und dessen Empfinden beim Lesen des Buches ab."
Über 40 Bücher aus ihrem Verlag warten auf eine Druckgenehmigung. Bei vielen Büchern hat sie die Hoffnung bereits aufgegeben. Vor allem Büchern zu Frauenthemen bleibt die Zustimmung versagt.
Hardliner machen Kultur zum Kampfplatz
Auch wenn der Druck der Bücher genehmigt wird, ist der Vertrieb noch keineswegs sicher. Denn das gedruckte Werk muss dann noch dem Geschmack von ganz anderen Beamten entsprechen. Ganze gedruckte Auflagen fallen noch einer Zensur zum Opfer, die es offiziell gar nicht gibt. Die Worte von Präsident Rohani verhallen ungehört.
"Unsere Parole ist klar: Wir wollen Freiheit. Wir wollen soziale und politische Freiheit. Wir wollen freie Gedanken- und Meinungsäußerung. Wir wollen Wahlfreiheit über unsere Freizeitaktivitäten."
Hassan Rohani mahnt, doch er ist weitgehend machtlos. Irans erzkonservative Hardliner haben die Kultur zum Kampfplatz erkoren. Fest terminierte Konzerte werden verboten, Ausstellungen abgesetzt und der Spielraum für Kulturschaffende wird immer weiter eingeschränkt.
Die Politik der Herrschenden bleibt nicht unwidersprochen. Vor allem junge Menschen ziehen ihre eigenen Schlüsse. An die 100.000 gut ausgebildete Iraner verlassen Jahr für Jahr ihr Land. Niemand hält sie zurück – obwohl dieser Brain Drain laut Berechnungen des Internationalen Währungsfonds einem umgerechneten Kapitalverlust von knapp 50 Milliarden Dollar entspricht. Oft gehen eben kritische Köpfe, um ihr Glück in der Welt zu suchen, die den Herrschenden zuhause keine Kopfschmerzen mehr bereiten. Doch viele bleiben in ihrem Heimatland, auch wenn sie die Möglichkeit hätten, den Iran zu verlassen.
"Wir sind Arier und beten keine Araber an"
Kyros ist unser Vater, der Iran ist unser Land. Zehntausende Menschen hatten sich unlängst in Pāsārgād im südlichen Zagros-Gebirge versammelt. Am Grabmal von Kyros dem Großen huldigten sie dem 6. König des altpersischen Achämenidenreiches. Es war mehr als eine Huldigung.
"Freiheit des Denkens ist mit Bart und Wolle nicht möglich", riefen die Menschen unter Anspielung auf die Herrschaft der Geistlichen in ihrem Land.
Die Versammlung am Grab von Kyros habe viele im Herrschaftsapparat ins Grübeln gebracht, erklärt Sadegh Zibakalam von der Uni Teheran
"Die Herrschaft konnte sich nicht vorstellen, dass sich bis zu 50.000 Menschen dort versammeln. Sie kann auch keine ausländische Macht wie die USA oder die 'Zionisten' dafür verantwortlich machen."
"Kyros ist unser Vater, alle Völker Irans sind seine Soldaten", deklariert ein Kyros-Verehrer auf Arabisch. Dann fährt er auf Persisch fort.
"Kurden aus Sanandaj und Kermanshah, Aseri aus der Provinz Azerbaidschan, Araber aus Khuzistan – sie alle verehren Kyros den Großen."
"Wer hat denn für Kyros geworben? Es sind keine Bücher über ihn veröffentlicht und gelesen worden. Kyros ist zu einem Symbol der Ablehnung des Regimes geworden."
Was am Grab des Achämenidenkönigs aus dem 6. Jahrhundert vor Christus zu hören war, lässt die Alarmglocken bei den Herrschenden der Islamischen Republik laut läuten:
"Wir sind Arier und beten keine Araber an", rufen die Menschen am Grab von Kyros dem Großen. Das neuspersische Reich der Sasaniden wurde in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts nach Christus suczessive von arabischen Heeren unterworfen. Es folgten Jahrzehnte blutigen Widerstands mit drakonischen Strafmaßnahmen durch die muslimischen Eroberer. Persien wurde schließlich weitgehend islamisch.
Seit der Revolution von 1979 ist der Islam stärker denn je Richtschnur für die Herrschenden des Landes.
"Die jungen Iraner sind vom Islam enttäuscht"
Vor 37 Jahren, als die Revolution los ging, hat man Kyros keine Bedeutung beigemessen. Die heutige Gesellschaft sollte eigentlich sehr islamisch und gläubig geworden sein, denn alles ist ja hier islamisch: Die Führung, der Präsident, das Parlament, die staatlichen Medien und die Universitäten – einfach alles. Wir wissen sehr genau, dass es zwischen Kyros und dem Islam keine Gemeinsamkeiten gibt.
Shāh-e Shāhān – König der Könige wird Kyros II. genannt. Direkt nach der Revolution sollte sein Grabmal geschleift, die Erinnerung an ihn ausgelöscht werden. Tausende Menschen stellten sich damals den Abrisstruppen in den Weg. Dann herrschte lange Schweigen. Die Erinnerung an alte Größe kommt nun in Zeiten wirtschaftlicher und gesellschaftler Krise zurück.
"Die jungen Menschen der zweiten und dritten Generation nach der Revolution sind vom Islam enttäuscht. Sie suchen nach Ersatz. Für meine Generation war der Islam die Antwort. Die jungen Leute werden wegen ihrer Islam-Enttäuschung so lange suchen, bis sie etwas Anderes gefunden haben."
Langfristig liegt die Gefahr darin, dass vor allem junge Menschen mit dem eng gefassten, sich an "islamischen Grundsätzen" orientierenden Kulturbegriff der Herrschenden immer weniger anfangen können.
Sie wissen sehr wohl, welche kulturelle Weite möglich wäre und welcher Enge sie ausgesetzt sind. Einer der gerufenen Slogans am Grabmal von Kyros II. in Pāsārgād lautete in Anspielung an die arabische Eroberung : "Sie sagen, alles sei Gottes Wille. Aber alles Unheil kommt von den Arabern”.
Im Land der Velayat-e Faqih – der Herrschaft des Rechtsgelehrten – klingen diese Worte wie reinste Blasphemie. Denn mit den Eroberern kam auch der Islam. Eine Minderheit äußere sich so, räumt Sadegh Zibakalam ein. Aber diese Minderheit bringe Gefühle vieler vor allem junger Menschen zum Ausdruck.
"Die Generationen nach der islamischen Revolution glauben nicht mehr an die Politik der Führung. Wenn die Herrschenden hier von Hizbollah-Chef Hassan Nasrallah im Libanon sprechen, dann sagen die Jüngeren, wer ist das überhaupt? Die Herrscher sprechen von Hamas und die Jüngeren sagen: Hamas, was bitteschön ist das? Die Führung sagt, die USA sind unser Feind. Die andere Seite sagt, nein, das sehen wir nicht so."