Kunst von der Straße
Ihre Leinwände sind Mauern, Zugwaggons oder Autobusse. Denn Graffiti-Künstler malen vornehmlich dort, wo sie aufgewachsen sind: auf der Straße. In der Pariser Ausstellung "Born in the Streets" werden einige ihrer Werke gezeigt. Die Szene hofft auf Anerkennung in der Kunstwelt.
Das Untergeschoss der piekfeinen Pariser Fondation Cartier als Underground-Szene der New Yorker Graffiti-Gemeinde in den 70er Jahren. Damals, als alles anfing. Wir sehen eine besprühte Kühlhaus-Tür, einen Schutzanzug der New Yorker U-Bahn-Arbeiter, mit dem "writer" ihr Unwesen trieben, aber auch getaggte Plattencover und natürlich die "masterpieces", riesige Schriftzüge auf Hauswänden und Zugwaggons. Als Kulisse diente das damals heruntergekommene und von der Mittelklasse verlassene New York, weiß Kuratorin Leanne Sacramone:
"Die ersten Leinwände waren Mauern und Busse. Anschließend kamen die U-Bahn-Waggons, zuerst das Innere, dann das Äußere. Die Graffiti-Künstler haben die Bus-Karosserien als flache Oberfläche benutzt, wo sie dann Werke mit inhaltlichem Tiefgang sprühten. Es ging ihnen nicht nur um große Oberflächen, wie auf den Zugwaggons."
Der historische Teil über die Anfänge der Graffiti-Bewegung macht diese Schau weltweit einzigartig, bekräftigt Alan Ket alias "Ket One", dem die Polizei jahrelang auf den Fersen war und der jetzt als Consultant der Ausstellung aus New York angereist ist:
"Nirgendwo auf der Welt wurde diese Sammlung bisher gezeigt. Von den ersten Fotografien bis zu den Schriftzügen auf den Wänden. Die ersten Werke von Coco 144 aus dem Jahr 1973. Die vorbereitenden Papier-Zeichnungen der Pioniere dieser Bewegung. Das wurde niemals zuvor als Kollektiv präsentiert. Diese Ausstellung zeigt die Wurzeln und die bedeutenden Leute dieser Bewegung. Das ist das erste Mal, dass das gemacht wird."
In einer Hörgalerie erzählt Joe 182 - genauso wie ein halbes Dutzend weiterer New Yorker Graffiti-Vorreiter - seine Lebensgeschichte. Im Unterhemd, mit tätowiertem Oberarm, Zahnlücken und Bierflasche in der Hand beteuert er, dass es ihm immer um Kunst ging, nie um Gewalt. Graffiti nicht als markiertes Jagdrevier für Gangs, sondern Writing als Kunstform, mit Austausch zwischen den Stadtvierteln.
Joe: "Was wir machen, ist Kunst. Es geht um Kunst. Gewalt führt zu nichts."
In der Schau wird sprühdosenschnell klar: Die Kunst der Writer speist sich nicht nur aus Leinwänden, aus Mauerbeton und Zugblech. Die Einflüsse waren vielfältig, der Dunstkreis groß. Die Punkband "The Clash" spielte genauso eine Rolle wie Keith Haring oder Künstler Sol Le Witt, der bereits 1976 666 urbane Graffiti-Szenen als Kunstwerk verarbeitete. Kuratorin Leanne Sacramone über die komplexen Wurzeln:
"Das hat mit den tags und den Markierstiften angefangen. Danach kam die Sprühdose auf den Markt. Es gab eine Entwicklung bei der Qualität, der Technik. Umrisse, Farbgebung. Danach inspirierten sich die Jugendlichen von den Comics, sie führten Figuren in ihre Werke ein. Es gab einen Bubble-Style, einen Luftblasen-Stil, anschließend gab es einen Wild-Style, bei dem die Buchstaben zerlegt wurden, das ging bis zur Abstraktion."
Claes Oldenburg sah in den U-Bahn-Graffitis kleine Blumensträuße, die in den Bahnhof einfahren. Der Farbfeldmaler Frank Stella kann den Einfluss der Graffiti-Farben auf seine dreidimensionalen Werke ebenfalls nicht abstreiten.
Gleichzeitig bekennen sich immer mehr zeitgenössische Graffiti-Künstler und Writer zu kunstgeschichtlichen Größen. Basco Vazko aus Chile wandelt bei seinen gemarterten Figuren auf den Spuren von Picasso und Miro. Vitché aus São Paulo bekämpft mit figurativer Malerei und einer Holzplanken-Collage den Moloch Stadt. Delta aus Amsterdam setzt als 3D-Vorreiter auf architektonische Ästhetik. DTagno aus Berlin definiert sich als Writer und Kalligraf, der mit selbstgebauten Malgeräten seinen Körper verlängert und neue Räume schafft. JonOne sieht sich als Nachfahre Pollocks und als kunstmachender Vandale:
"Was ich heute mache, ist nichts gegenüber dem, was noch passieren wird. Der Wortschatz der Graffiti-Bewegung wird genauso akzeptiert und bekannt sein, wie heute die Impressionisten oder andere Kunstrichtungen..."
Service
Die Ausstellung "Born in the Streets" ist vom 7. Juli bis 29. November 2009 im Pariser Museum "Fondation Cartier pour l'art contemporain" zu besichtigen.
"Die ersten Leinwände waren Mauern und Busse. Anschließend kamen die U-Bahn-Waggons, zuerst das Innere, dann das Äußere. Die Graffiti-Künstler haben die Bus-Karosserien als flache Oberfläche benutzt, wo sie dann Werke mit inhaltlichem Tiefgang sprühten. Es ging ihnen nicht nur um große Oberflächen, wie auf den Zugwaggons."
Der historische Teil über die Anfänge der Graffiti-Bewegung macht diese Schau weltweit einzigartig, bekräftigt Alan Ket alias "Ket One", dem die Polizei jahrelang auf den Fersen war und der jetzt als Consultant der Ausstellung aus New York angereist ist:
"Nirgendwo auf der Welt wurde diese Sammlung bisher gezeigt. Von den ersten Fotografien bis zu den Schriftzügen auf den Wänden. Die ersten Werke von Coco 144 aus dem Jahr 1973. Die vorbereitenden Papier-Zeichnungen der Pioniere dieser Bewegung. Das wurde niemals zuvor als Kollektiv präsentiert. Diese Ausstellung zeigt die Wurzeln und die bedeutenden Leute dieser Bewegung. Das ist das erste Mal, dass das gemacht wird."
In einer Hörgalerie erzählt Joe 182 - genauso wie ein halbes Dutzend weiterer New Yorker Graffiti-Vorreiter - seine Lebensgeschichte. Im Unterhemd, mit tätowiertem Oberarm, Zahnlücken und Bierflasche in der Hand beteuert er, dass es ihm immer um Kunst ging, nie um Gewalt. Graffiti nicht als markiertes Jagdrevier für Gangs, sondern Writing als Kunstform, mit Austausch zwischen den Stadtvierteln.
Joe: "Was wir machen, ist Kunst. Es geht um Kunst. Gewalt führt zu nichts."
In der Schau wird sprühdosenschnell klar: Die Kunst der Writer speist sich nicht nur aus Leinwänden, aus Mauerbeton und Zugblech. Die Einflüsse waren vielfältig, der Dunstkreis groß. Die Punkband "The Clash" spielte genauso eine Rolle wie Keith Haring oder Künstler Sol Le Witt, der bereits 1976 666 urbane Graffiti-Szenen als Kunstwerk verarbeitete. Kuratorin Leanne Sacramone über die komplexen Wurzeln:
"Das hat mit den tags und den Markierstiften angefangen. Danach kam die Sprühdose auf den Markt. Es gab eine Entwicklung bei der Qualität, der Technik. Umrisse, Farbgebung. Danach inspirierten sich die Jugendlichen von den Comics, sie führten Figuren in ihre Werke ein. Es gab einen Bubble-Style, einen Luftblasen-Stil, anschließend gab es einen Wild-Style, bei dem die Buchstaben zerlegt wurden, das ging bis zur Abstraktion."
Claes Oldenburg sah in den U-Bahn-Graffitis kleine Blumensträuße, die in den Bahnhof einfahren. Der Farbfeldmaler Frank Stella kann den Einfluss der Graffiti-Farben auf seine dreidimensionalen Werke ebenfalls nicht abstreiten.
Gleichzeitig bekennen sich immer mehr zeitgenössische Graffiti-Künstler und Writer zu kunstgeschichtlichen Größen. Basco Vazko aus Chile wandelt bei seinen gemarterten Figuren auf den Spuren von Picasso und Miro. Vitché aus São Paulo bekämpft mit figurativer Malerei und einer Holzplanken-Collage den Moloch Stadt. Delta aus Amsterdam setzt als 3D-Vorreiter auf architektonische Ästhetik. DTagno aus Berlin definiert sich als Writer und Kalligraf, der mit selbstgebauten Malgeräten seinen Körper verlängert und neue Räume schafft. JonOne sieht sich als Nachfahre Pollocks und als kunstmachender Vandale:
"Was ich heute mache, ist nichts gegenüber dem, was noch passieren wird. Der Wortschatz der Graffiti-Bewegung wird genauso akzeptiert und bekannt sein, wie heute die Impressionisten oder andere Kunstrichtungen..."
Service
Die Ausstellung "Born in the Streets" ist vom 7. Juli bis 29. November 2009 im Pariser Museum "Fondation Cartier pour l'art contemporain" zu besichtigen.