Poppige Tupfer in der Landschaft
Fünf Kilometer voller Installationen am Wegesrand: Der Frankfurter Künstler Tobias Rehberger hat einen Kunst-Weg entworfen. Zusammen mit Autor Christian Gampert ist er den Weg entlang geschritten.
Es gibt Grenzen, die sind derzeit etwas schwieriger zu passieren als das kleine Zollhäuschen zwischen Riehen und Weil am Rhein, wo heute, zur Eröffnung des sogenannten "Rehberger-Wegs", junge Damen in historischen Zolluniformen Weißwein reichten. Der kurze, nur fünf Kilometer lange Weg zwischen der Fondation Beyeler, Schweiz, und dem Vitra Design Museum, Deutschland, ist ab sofort mit 24 Wegweisern bestückt, skulpturalen Objekten, die der Frankfurter Künstler Tobias Rehberger designt hat.
Hinter dem Beyeler-Museum muhen die Kühe, das Wetter ist bedeckt, Beyeler-Direktor Sam Keller ist vorsichtshalber in Gummistiefeln erschienen. Aber vor dem Verwaltungsgebäude hängen seltsame bunte Vogelkäfige, deren Gitter aufgebogen sind, und an die Dachrinne ist ein Ding geschraubt, das aussieht wie ein großer blauer Ballon, eine Kugel mit gelbem Stöpsel.
Rätselhafte und unauffällige Objekte
Wozu das dienen soll, ist eher unklar. Zum Sammeln von Regenwasser? Das Objekt ist dezent angebracht, es fällt kaum auf. Läuft man weiter in die Wiesen hinter der Fondation, wo der Klatschmohn blüht, so wird man weitere Kunstwerke finden, die sich aber nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen geben.
Da ist irgendwas Skurriles Buntes, das nicht wirklich in die Landschaft passt und dessen Funktion unklar bleibt. Tobias Rehberger hat sich das so gedacht:
"Wenn man an einen Punkt kommt, wo es entscheidend wird, ob man so oder so rum geht, sieht man in einer gewissen Entfernung wieder so ein Objekt. Und damit man die sieht, müssen die natürlich auch auf ne gewisse Weise herausstechen. Sie müssen sozusagen gleichzeitig integriert, aber gleichzeitig auch sehr fremd in dieser Landschaft sein."
Sehr fremd in der Landschaft sind all diese Wetterhäuschen, Vogelkrippen, Bienenstöcke schon deshalb, weil sie rein farblich einen grellen, poppigen Tupfer setzen, geometrisch-abstrakte Formen haben, großenteils aus Metall sind und man zunächst nicht weiß, ob das nun ein Briefkasten der Schweizer Post, eine missglückte Straßenlaterne oder eine postmoderne Haltestelle sein soll. Oder ein abstrahiertes Verkehrszeichen oder ein Mülleimer.
Ergo: Irritation ist garantiert. Die Funktion der Objekte muss erst erkundet werden: hinten sind dann Löcher für die Bienen in den Kästen, vorne sieht das Ganze einfach aus wie Kunst. Das ist auch die Krux an diesem Konzept: Die Kunst kommt zu den Leuten, sie steht am Wegesrand, als Einladung, aber nicht jeder kann damit etwas anfangen. Oder doch?
"Es gibt natürlich Leute, die das unter kunsthistorischen Aspekten sehen, es gibt aber auch Leute, denen das völlig wurscht ist. Und mich interessiert eben diese Möglichkeit von verschiedenen Zugängen und was es dazu braucht, sich diese Zugänge selbst zu ermöglichen. Mit welchem Vorwissen muss man einer Sache gegenübertreten, damit man auf bestimmte Art und Weise damit umgeht. Das scheint irgendwie mein Thema lebenslang zu sein."
Kunst für alle machen
Also: Wer sich mit Pop Art, Donald Judds Kästen und postmodernem Möbeldesign auskennt, wird sich da eher zu Hause fühlen als der vorbeifahrende Landwirt. Aber das macht nichts. Rehberger will Kunst für alle machen – und ist übrigens auch schon im Europameisterschafts-Modus:
"Wenn Sie zum Fußball gehen und überhaupt nichts über Fußball wissen, dann sind da 22 junge Männer in kurzen Hosen, die übern Rasen rennen. Wenn Sie aber mehr Ahnung haben, und wissen, wie schwierig es ist, einen 40-Meter-Pass zu spielen, dann haben Sie einen anderen Zugang und kriegen etwas anderes geliefert von dieser Veranstaltung."
Das Publikum bekommt seltsame Objekte geliefert. Auf einer Straßenkreuzung gibt es eine Art Farbfeldmalerei, eine Wandarbeit an einem Gebäude zeigt skizzenartig Zäune, Drähte, Röhren. Ein gelber Hochsitz sieht aus wie das Klettergerüst eines Kinderspielplatzes, ein rotgelbes Bienenhaus wie ein Entlüftungsrohr. Aber wer sagt denn, was wie auszusehen hat?
"Wie muss denn ein Vogelhäuschen aussehen unserer Meinung, meiner Meinung nach? Dem Vogel ist es wahrscheinlich egal, wie es aussieht, aber wie wir ein Vogelhäuschen erkennen, ist eben nicht so egal."
Marketing-Effekt nicht nur für den Künstler
Am schönsten sind die bunten Skulpturen, die einsam im Weinberg stehen, statuarisch und bizarr. Neben dem völkerverbindenden Anspruch hat der 24-Stationen-Parcours aber auch einen gewissen Marketing-Effekt für eine moderne Uhrenfirma, die das Ganze sponsert, und ist natürlich ein Werbe-Coup für den Künstler Tobias Rehberger:
"Ich hab ja auch nie gesagt, dass mir mein Beruf nicht Spaß macht, ja ..."